Chemie mit Show-Effekt

Die Weihnachtsvorlesung am Institut für Chemie und Biochemie der Freien Universität hat Tradition.  Sie findet in jedes Jahr kurz vor den Weihnachtsferien zweimal hintereinander statt: Zur ersten Aufführung sind Berliner Schülerinnen und Schüler herzlich eingeladen, der zweite Termin ist Teil der Vorlesung „Allgemeine und Anorganische Chemie“ für Studierende der Veterinärmedizin, Biologie, Bioinformatik und Grundschulpädagogik. Auch ohne Werbung wird der Hörsaal immer voll, denn es ist allgemein bekannt, dass hier eine tolle Mischung aus Theatervorführung und Zaubershow geboten wird. Dieses Jahr durften wir einen Blick hinter Kulissen werfen!

Schon um acht Uhr morgens herrscht hektischer Betrieb im Hörsaal des Chemiegebäudes in der Fabeckstraße. Um Viertel nach zehn fängt die Vorlesung an. Vorher ist noch eine Menge tun: Es wird geklebt, gehämmert, gemixt. Es werden Kabel verlegt, Schnüre gespannt, Mikrophone getestet. Menschen laufen zwischen dem langen Experimentiertisch im Hörsaal und dem Vorbereitungsraum hin und her. Jeder ist in seine Aufgabe vertieft. Mit den Vorbereitungen für diesen Tag haben Ulrich Abram, Johann Spandl und ein Team aus Promovierenden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ihrer Arbeitsgruppen schon Anfang November begonnen. „Zuerst wird das Thema der Show festgelegt“, sagt Clemens Scholtysik, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Arbeitsgruppe.

Foto: Clemens Scholtysik

Zum Repertoire gehörten etwa die Themen Der Herr der Ringe, Donald Trump und Günther Jauch. Idee und Dramaturgie sind Chefsache, die Konzepte stammen aus der Feder von Ulrich Abram. Dieses Jahr sei die Entscheidung auf Harry Potter gefallen, „Das Thema ist relativ kompliziert, denn es gibt viele kleine Experimente, die für den Erzählfluss wichtig sind,“ sagt Clemens Scholtysik. Chemikalien für rund 30 Experimente – meist mit Knall- oder Leuchteffekten – müssen an ihrem Platz stehen und genau zum richtigen Zeitpunkt in Gang gesetzt werden.

Es sei keineswegs selbstverständlich, dass alle Versuche auch wie geplant funktionieren, sagt Clemens Scholtysik. „In den meisten Fällen ist sehr viel Fingerspitzengefühl nötig.“ Die heikelsten Experimente würden deshalb über mehrere Jahre von der gleichen Person betreut und in den Wochen vor der Vorstellung immer wieder übt. Berüchtigt sei zum Beispiel die Methan-Mamba, erzählt der Chemiker: „Wenn es gut läuft, bildet sich bei diesem Experiment eine Seifenblasensäule von zwei Metern Höhe, die dann in der Luft angezündet wird.“ Wenn es schlecht laufe, wachse die Säule nur zehn Zentimeter hoch und falle dann um. Entscheidend sei das richtige Mischungsverhältnis der Zutaten. „Es gab mal eine legendäre Flasche mit der perfekten Mischung. Aber leider war sie irgendwann leer!“

Amtierende Meisterin der Methan-Mamba ist die Doktorandin Anna Grunwald. Sie hat bereits alle notwendigen Zutaten an ihren Platz gestellt und überprüft. Jetzt hilft sie bei der Vorbereitung der Trockeneis-Experimente. Kurz bevor die Zuschauer eingelassen werden, prüft auch Ulrich Abram noch einmal alle Requisiten und wirft seinen Blick unter das Tuch, mit dem der „Eisladen“ abgedeckt ist. Aus flüssigem Stickstoff, pürierten Himbeeren, Joghurt, Zucker und Sahne wird Johann Spandl später mit einigen Helfern in wenigen Minuten einen Bottich Himbeereis herstellen und in Waffelhörnchen an die Zuschauer verteilen. „Auch das trägt zur guten Stimmung bei“, sagt Clemens Scholtysik.

Foto: Clemens Scholtysi

Schließlich werden noch schnell die Dementoren in Stellung gebracht. Dabei handelt es sich nicht etwa um Versuchsgeräte, sondern um die gefürchteten Wesen aus den Harry-Potter-Geschichten, die Menschen, Hexen und Zauberer aller Glücksgefühle berauben können. Dargestellt werden die unheimlichen Gestalten mit schwarzen Umhängen auf langen Stöcken, der Chefdementor wird später im Dunkeln mit einer Seilbahn durch den ganzen Saal schweben. Denn die spektakulären Experimente sind in eine humorvolle Handlung eingebunden, die mit Bildern, Filmschnipseln, Requisiten, Musik und Dialogen inszeniert wird.

Für Clemens Scholtysik die Vorbereitung der Show zu gleichen Teilen harte Arbeit und ein großer Spaß. Außerdem könne man sehr viel dabei lernen, und das sei nicht in erster Linie die Chemie hinter den Experimenten: „Man lernt, einen Spannungsbogen und das richtige Timing zu entwickeln. Das lässt sich in abgewandelter Form auch auf die Lehre im Alltag anwenden.“ Außerdem sei die Zusammenarbeit im Team eine einmalige Erfahrung: „Beim Endspurt muss alles sehr schnell gehen. Dann wird der Umgangston manchmal etwas rauer. Das muss ein gutes Team aushalten.“

Bei dieser Aufführung kamen keine Weihnachtsbäume zu schaden. Der Baum konnte zur 100 Prozent wiederverwendet werden!

Die Zuschauer sollen dagegen nichts lernen, sagt Scholtysik. Das hätten sie schließlich schon das ganze Jahr über gemacht. „Heute geht es um Spaß. Und darum, zu erleben, dass Dozenten und Professoren auch eine humorvolle Seite haben.“ Dass es lustig werden wird, ahnt man bereits, als nach dem scheinbar normalen Start in eine Routine-Vorlesung plötzlich das Licht ausgeht und Ulrich Abram als weiser Professor Albus Dumbledore verkleidet den Saal betritt.

 

Bild oben: Clemens Scholtysik

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