Praktikum im Bereich Bildung in Toulouse

Im Frühsommer 2019 reifte mein Plan vor dem Abschluss meines Bachelors nochmal ins Ausland zu gehen. Insbesondere um meine Französischkenntnisse zu vertiefen, aber auch um das Bildungssystem und dessen Verwaltung in einem anderen Land kennenzulernen, machte ich mich auf die Suche nach einem Praktikumsplatz in Frankreich. 

Nach einigen Bewerbungen in verschiedensten Bereichen rund um Bildung und Politik bekam ich eine Zusage von einer Einrichtung in Toulouse. Ohne ausführlichere Informationen über die Inhalte des Praktikums, da es bereits Anfang August war jedoch mit einigem Zeitdruck, sagte ich kurzerhand zu.

Am 01.11.19 begann dann mein Praktikum und nach freundlichem Empfang wurde auch klarer woran ich in den kommenden 3 Monaten arbeiten werde:

In Frankreich gibt es ein flächendeckendes Ganztagsschulsystem. Zur Kinderbetreuung und -begleitung vor und nach der Schule sowie in der zweistündigen Mittagspause hat die Stadt Toulouse für die 3-10-jährigen die sogenannten Claé (Centres de loisirs associé à l’école) eingerichtet, die sich mit Kindergärten, welche an die Schule angegliedert sind, vergleichen lassen. Meine ca. 8 Personen umfassende Abteilung organisiert und kreiert Workshop-Angebote für diese Einrichtungen, um die Qualität und Vielseitigkeit der Kinderbetreuung zu stärken. Die Workshops sollen sowohl den Kindern die Möglichkeit geben in spielerischer Atmosphäre über den üblichen Unterrichtstoff hinaus zu lernen als auch den Betreuer*innen eine Weiterbildungsmöglichkeit bieten, um ihr pädagogisches Repertoire zu erweitern. Angeleitet werden die ca. 8-12-wöchigen Workshops in aller Regel von externen Expert*innen, die direkt bei der Stadt Toulouse angestellt sind oder bei Vereinen und Organisationen arbeiten.

Das Angebot erstreckt sich über die Bereiche Sport, Kultur, Tanz, Gesang, Entspannungsübungen, Gartenarbeit und vielem mehr.

Meine Aufgaben drehten sich vor allem um die Sport-Workshops, da diese einer Überarbeitung und Erweiterung bedurften.

Meine Hauptaufgaben umfassten im Einzelnen:

  • Die Evaluation der bestehenden Sport-Workshops
  • Die Entwicklung neuer Sport-Workshops
  • Die Verbesserung der Evaluation aller Workshopangebote

Meine Arbeit fand gelegentlich allein am Computer und häufig im Team mit zwei Kolleginnen statt. Die beiden waren meine engsten Bezugspersonen und unterstützten mich wo und wann immer es ging bzw. notwendig war.

Neben der Arbeit im Büro waren wir fast täglich bei organisatorischen und inhaltlichen Meetings und besuchten regelmäßig die Workshops um das von uns kreierte und organisierte in der Praxis zu sehen und zu evaluieren. Darüber hinaus konnte ich einige Male meine Kolleginnen auf Konferenzen rund um das Thema Bildung im Allgemeinen und in Toulouse im Speziellen begleiten. Durch die vielfältigen Orte und Formen der Arbeit konnte ich fast täglich neue Eindrücke gewinnen.

Mitte Dezember stellte sich über einen Zeitraum von ca. 2 Wochen dennoch Ernüchterung bei mir ein. Zum einen da ich nicht den erhofften Fortschritt meiner Sprachkenntnisse erkennen konnte und dadurch die Kommunikation nicht immer einfach war, zum anderen da meine Aufgabenstellungen aus meiner Sicht zu diesem Zeitpunkt nicht klar genug formuliert waren. Glücklicherweise konnte ich diese Phase im Januar hinter mir lassen und mich über eine immer kleiner werdende Sprachbarriere wie auch ein wachsendes Gefühl von Selbstwirksamkeit und Verantwortungsübernahme freuen.

In den drei Monaten Praktikum konnte ich viele kleine Verbesserungen und Ideen zur Evaluation der Workshops beitragen sowie ein Konzept zur Befragung der teilnehmenden Kinder zur Evaluierung der Workshops entwickeln.

Herzstück meines Praktikums war die Entwicklung zweier neuer Workshop-Konzepte:

  1. „Zirkus für alle“: Ein Workshop, der die vielfältigen Bewegungsmöglichkeiten der Zirkusartistik allen Kindern unabhängig von ihren körperlichen und geistigen Voraussetzungen näherbringen soll.
  2. „Trendsport-Werkstatt“: Hier sollen die Kinder neuartige Sportarten kennenlernen und anschließend selbst neue Sportarten und Sportspiele entwickeln.

Nach der Konzeptualisierung traf ich mich mit potenziellen Partner*innen und fand erfreulicherweise schnell zwei passende Vereine, mit denen ich bereits einen detaillierten Austausch zur Verwirklichung der Workshops in Gang bringen konnte.

Vor allem die erfolgreiche Leitung der Gespräche mit Vertreter*innen der Vereine gegen Ende meines Praktikums stärkte mein Selbstvertrauen in Bezug auf die französische Sprache sehr.

Die drei Monate Praktikum bleiben bei mir in sehr positiver Erinnerung und haben mir die Möglichkeit eröffnet eine Menge zu lernen über…

… das französische Bildungssystem.

… Hierarchien (zumindest in Bezug auf die Einrichtung, vermutlich aber auch darüber hinaus).

… aktuelle bildungspolitische Diskurse in Frankreich.

… meine Fähigkeiten mit Sprachbarrieren umzugehen.

Außerhalb meiner Arbeitszeiten konnte ich die Stadt Toulouse kennenlernen und vor allem mit meinen Mitbewohner*innen die vielen kulturellen Angebote der Stadt genießen.

Ich blicke auf eine bereichernde Zeit zurück und kann Toulouse als lebendige und junge Stadt anderen Studierenden sehr für eine Zeit im Ausland empfehlen.

Tipps für andere Praktikanten

Vorbereitung
Ich belegte im vorherigen Semester einen Französischkurs in Berlin und einen weiteren in den zwei Wochen vor Beginn meines Praktikums in Toulouse.

Praktikumssuche
Ich begann spät mit der Suche und konnte trotz relativ geringer Französischkenntnisse einen Praktikumsplatz finden. Die Kommunikation mit der Praktikumseinrichtung fand ausschließlich per Mail statt und war hier und da recht holprig. Letztlich ließ sich aber alles klären und organisieren.

Wohnungssuche
Ich kam zwei Wochen vor Praktikumsbeginn in Toulouse an und hatte zuvor schon recht erfolglos mit der Suche begonnen. Vor Ort war die Suche dann leichter. Letztlich fand ich meine WG über einen Kontakt in der Sprachschule, die ich in Toulouse für zwei Wochen besuchte. Hilfreich können auch die folgenden zwei Websites sein:

  • leboncoin.fr
  • www.lacartedescolocs.fr

Formalitäten vor Ort

Bank/Kontoeröffnung
Ich habe vor Ort kein Konto eröffnet, sondern mein Konto bei der internationalen Onlinebank N26 nutzen können. Manchmal war dies recht kompliziert, da man in Frankreich zum einen häufig das sogenannte RIB (Relevé d’Identité Bancaire; konnte N26 ausstellen, ob andere Deutsche Banken das können weiß ich nicht) braucht und weil deutsche IBAN kürzer sind als französische (dies ist kann vor allem online zu Fehlermeldungen führen).

Sonstiges
Jede Person, die in Frankreich lebt, kann eine Art Wohngeld (APL) beantragen. Ich würde empfehlen damit möglichst früh nach dem Finden einer Wohnung zu beginnen, da der gesamte Antragsprozess eine Weile dauern kann.

Alltag/Freizeit

Ausgehmöglichkeiten
Bars: Le Communard, Les Tricheurs, Café Ginette, La Taverne du Troll, ÔBohem

Sonstiges
Schöne Parks: Prairie Des Filtres, Jardin des Plantes, Jardin Japonais Pierre Baudis

Bildquelle: privat

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