Praktikum in einem Sprachinstitut in Madrid

Mein Praktikum war kein normales Praktikum. Wie sollte es auch? In einer Zeit, in der sich die gesamte Weltbevölkerung mehr oder weniger in Abschottung begibt, ist ein kultureller Austausch, besonders in einer Kultur, die von physischem Kontrakt und Nähe lebt, wie der spanischen nur sehr begrenzt möglich. Mein Praktikum wurde zur Pathologie, meiner eigenen und der soziokultureller Verhaltensweisen. Aber fangen wir vorne an, denn anfangs lief alles nach Plan. Ich kam am 22. Februar 2020 nach einer zweitägigen Interrail-Tour in Madrid an. Zusammen mit einem Berliner Freund, der zwei Jahre zuvor ein einjähriges Erasmusstudium in Madrid absolviert hatte, entschied ich mich für die etwas teurere, dafür ökologisch sinnvollere und ästhetisch und psychologisch für uns interessantere Reise per Zug durch Deutschland, Belgien, Frankreich und Spanien. Als wir ankamen, war es warm und wir wurden von einer Freundin abgeholt, bei der wir die erste Nacht auf der Couch verbringen konnten, nachdem wir von ihr direkt in eine Bar geführt und dort mit Tapas und Rotwein versorgt wurden. Ich kannte Madrid bereits von einigen kurzen Besuchen, kannte Leute und Sehenswürdigkeiten, durfte bereits zuvor etwas des schwer zu greifenden Flairs der Stadt schnuppern. Wir hatten einen freien Tag, bevor mein Praktikum begann, mein Zeitplan war eng getaktet.

Als wir aufwachten und die Wohnung der Freundin verließen schien die Sonne. Ich war müde, aber bereit für den spanischen Frühling. Nachdem wir kurz aber entspannt über den Rastro-Flohmarkt geschlendert waren, einen weiteren Stopp in einer der schönen Tapasbars gemacht hatten, zum zweiten Mal Brot und Wein aßen, begaben wir uns in meine neue Wohnung, in die ich mit einer spanischen Freundin einzog, um mit ihr dort etwas mehr als drei Monate zusammen zu wohnen. Über Bekannte von ihr hatten wir eine für madrilenische Verhältnisse sehr günstige Wohnung mit Patio im etwas unbekannteren, aber traditionsreichen Stadtteil Vallecas bekommen. Hier wollten wir gemeinsam Milongas feiern, die Sommernächte unter dem Sternenhimmel im Patio verbringen und Leute einladen.

Aber erstmal musste ich ran an die Arbeit. Ich war ja nicht nur zum Spaß hier. Mein erster Arbeitstag im Institut, welches sich im schicken und sauberen Botschafterviertel Madrids, direkt neben der deutschen Botschaft, befindet, fing früh an. Von meiner Vorgängerin wurde ich, nach einer kurzen Einweisung meiner Praktikumsbetreuerin, in die Aufgabenbereiche der Praktikumsstelle eingewiesen. Schnell entstand für mich der Eindruck, das Praktikum sei, wie das Institut selbst, eine gut organisierte, in deutsch-bürokratische Akribie eingebettete, Maschinerie. Dennoch fühlte ich mich gut aufgehoben. Der Umgang untereinander war sehr freundlich, die Pausen spanisch, die Leute entspannt und fröhlich. Mit den PraktikantInnen der anderen Abteilungen (Sprache, Bibliothek, etc.) verbrachte ich die Pausen in der Sonne vor dem Institut. Etwas schulisch wirkte das Ganze. Mit all seinen Vor- und Nachteilen. Leider sprachen wir untereinander hauptsächlich deutsch, spanisch wurde nur mit den Partnerorganisationen und den wenigen, rein spanischsprachigen Angestellten gesprochen. Die erste Woche verging entspannt, ich gewöhnte mich schnell an meine Aufgaben, die in der Programmabteilung hauptsächlich in der Erstellung von Online-Einträgen zu Veranstaltungen, inklusive Recherche und Übersetzung, sowie der Gestaltung von Printmedien zur Vermarktung bestanden. So vergingen die erste und die zweite Woche. Ich lebte mich nach und nach ein, gewöhnte mich an die Tage im Büro und die Abenden in den Bars, in denen ich mein Spanisch übte. Durch meine Mitbewohnerin fand ich schnell Anschluss zu netten und interessanten Menschen. Alles lief nach Plan.

Am dritten Wochenende dann, dem 8. März, verabredeten wir uns auf der Demonstration zum Frauentag, dem día de la mujer, in der Innenstadt. Wir liefen, die melodischen Protestgesänge mitsummend unter hellem Mond in schwarzer Nacht durch die lila beleuchtete Innenstadt und scherzten darüber, dass die Versammlung im Vergleich zum Vorjahr so wenig besucht war. Die Leute fingen an, wegen Corona Angst zu bekommen und blieben ihr fern. Ich hatte ein komisches Gefühl, wusste aber nicht warum. Nun weiß ich es. Sie hatten recht. Drei Tage später wachte ich morgens mit kratzigem Hals auf, hustete leicht. Ich beschloss, heute wirklich mal etwas weniger zu rauchen und ging zur Arbeit. Das Thema Corona wurde immer präsenter. Im Büro wurde darüber diskutiert, ob das Institut wohl auch bald schließen müsste und was das bedeutete, unser Informatiker übte schon mal die Fernsteuerung unserer Desktops von seinem Büro aus, um für ein etwaiges Home-Office gewappnet zu sein. Abends legte ich mich früh ins Bett, ich war k.o. Vielleicht hätte ich mir doch etwas mehr Ruhe und Zeit zum Einleben gönnen sollen, bevor ich in die 40-Stunden Woche in Madrid startete. Nachdem ich in Kleidung auf meinem Bett eingenickt war, wachte ich zwei Stunden später schweißgebadet auf. Ich hatte Fieber, torkelte ins Bad, legte mich wieder hin. Nachts fühlte ich mich immer schwächer, schrieb meiner Chefin, dass ich am nächsten Tag wohl besser nicht ins Büro kommen würde und fing an, Angst zu bekommen. Mit niemandem konnte ich nachts sprechen. Meiner Mitbewohnerin, die noch unterwegs war, schrieb ich, dass sie besser nicht nachhause kommen sollte. Vielleicht hatte ich mir ja wirklich diesen Virus, der schon länger am Nachrichtenhorizont lauerte, eingefangen. Sie ließ sich davon nicht abhalten, fand es selbstverständlich, dass sie gerade, wenn ich krank wäre zurückkommen würde und mir helfen. Und so begaben wir beide uns in Quarantäne.

Das Institut musste wenige Tage später aufgrund des Ausnahmestatus, der in ganz Spanien ausgerufen wurde, schließen. Meine KollegInnen versuchten mir zu helfen, telefonierten herum, hofften mir einen Arzt senden zu können, der mich untersuchen könnte. Keine Chance. Noch bevor die große Corona-Welle das Land erreichte, war das Gesundheitssystem unorganisiert und überlastet. Nachdem ich zwei Tage fiebrig im Delirium, schwitzend im Bett, verbracht hatte, musste ich tatsächlich selbst zu einem Gesundheitszentrum gehen, mich dort anmelden und untersuchen lassen. Die Untersuchung lief ernüchternd. Mein Fieber war abgeklungen, nur deshalb hatte ich es überhaupt geschafft, mit einer Bauschuttmaske im Gesicht, die 200 Meter zum Zentrum zu gehen. Die Ärztin, in komplettem Gummianzug abgeschottet, sagte mir sie würde mich nicht testen. Sie hätten sowieso keine Tests. Und ich würde schon nicht sterben. Hätte man mir das nicht schon am Telefon sagen können? Ich lief zurück in meine Wohnung, in der auch meine Mitbewohnerin langsam anfing, schwerer zu atmen und legte mich hin. Wir schlossen uns ein, ernährten uns sparsam und eintönig, was nichts machte, da wir sowieso weder riechen noch schmecken konnten und verbrachten so einen ganz persönlichen interkulturellen Austausch. Ich bekam mit, wie sie ihre Uni von zuhause aus machte, wir sprachen viel und schauten jeden Abend eine Folge einer Serie. Mein Umkreis in Deutschland geriet nach und nach immer mehr in Panik, ob der drohenden Restriktionen, die für uns in Spanien Eingeschlossenen lächerlich erschien. Erschreckend und auch lehrreich fand ich, wie ich von immer mehr gehässigen Geschichten, von Misstrauen und egoistischer Angst geleitet, in Deutschland erfuhr und zeitgleich mit meiner Mitbewohnerin, aber auch mit unserem Vermieter und dem gesamten spanischen Umfeld erlebte, was Zusammenhalt bedeutet und wie trotz der dort desolaten Lage, alle zusammenhielten. Während ich sah wie dort nach und nach alle ihre Jobs verloren und von Geldnöten geplagt wurden, hatte ich zudem das Glück, von Anfang an vom gesamten Team des Instituts unterstützt zu werden.

Mir wurde zugesichert, das Praktikum auf jeden Fall zu Ende führen zu können, es wurde sich regelmäßig nach meinem Zustand erkundigt und alles dafür getan, dass ich mich nicht alleingelassen fühlte. So konnte ich nach zwei Wochen, in denen ich krank war, in den Home-Office-Betrieb einsteigen, der für die gesamte Belegschaft des Instituts neu war. Glücklicherweise bestand meine Arbeit von Anfang an hauptsächlich in der Erstellung von Online-Content und so konnte ich gepaart mit der für uns alle erstmal befremdlichen Erfahrung mit Online-Konferenzen doch einen relativ normalen Alltag gestalten, obwohl die meisten der Kulturevents abgesagt wurden und Corona auch das Kulturleben in seinem Zaum hielt. Schade ist vor allem, dass ich die Entstehung der Offline-Kulturevents nur anfangs etwas mitbekommen konnte und so, abgeschottet vom Rest der Welt, nur am Bildschirm diese neue Arbeitswelt mitverfolgen konnte. Aber so ging es in dieser Phase all den Glücklichen, die überhaupt noch arbeiten durften.

Mittlerweile bin ich wieder in Deutschland angekommen und blicke zurück auf sicher das einzigartigste Praktikum, das ich jemals absolvieren werde. Der erste Cyber-Praktikant des Instituts in Madrid. Meine KollegInnen, die nicht erkrankt waren, waren schon früher nach Deutschland zurückgekehrt und hatten ihr Praktikum abgebrochen. Statt Bars, Milongas, Theater, Kunst, Musik und spanischer Lebensfreude habe ich so vor allem strengkatholische Nachbarn, die den ganzen Tag Lobeslieder auf Gott sangen, ein unfassbar intensives Tandemerlebnis mit meiner Mitbewohnerin, das spanische Gesundheitssystem, spanische Bücher und spanisches Herz kennengelernt. Meine wohl letzte lange Auslandserfahrung hatte ich mir anders vorgestellt. Dennoch bin ich dafür dankbar. Ich habe viel über mich gelernt und die Menschen, ob in meiner Wohnung, zuhause oder online. Und die Sonne schien trotzdem.

 

Tipps für andere Praktikanten

Vorbereitung

Meiner Meinung nach ist es sehr wichtig, sich schon im Vorneherein mit der Stadt vertraut zu machen, in die man zieht. Sei es durch FreundInnen, die dort schon Erfahrungen gesammelt haben und eventuell Kontakte vermitteln können, oder durch eigene Besuche der Stadt. So entkommt man der Falle, die auf alle wartet, in einer anderen Kultur im gleichen Kulturkreis zu schwimmen. Eine WG mit Einheimischen ist nicht nur eine nette Möglichkeit, sondern sollte unbedingt gesucht werden. Im Büro bleibt man häufig im internationalen, professionellen Kontext, die wahre Erfahrung sammelt man außerhalb.

Praktikumssuche

Sucht euch ein Praktikum, dass euch als Menschen ernst nimmt und versteht, dass ihr dort seid, um Erfahrungen zu sammeln und euch nicht nur als billige Arbeitskraft zu versklaven. Große Institutionen sind sich dessen meist bewusst, aber auch in kleinen Unternehmen kann das der Fall sein. Dort hat man dann zusätzlich den Vorteil, einen ganzheitlicheren Einblick in die Struktur der Aufgaben zu bekommen und Kontakt mit den Menschen zu haben. Es geht in dieser Erfahrung primär um die Menschen. Sie machen es besonders. Auch hier gilt jedenfalls: Fragt herum, wer, wo gute Erfahrungen gesammelt hat.

Wohnungssuche

Wie bereits angedeutet: Sucht euch unbedingt eine Wohngemeinschaft mit Leuten die zumindest aus einem anderen, am besten aber aus dem lokalen Kulturkreis stammen. Zweck-WGs würde ich niemandem empfehlen. So wird es nur ein langer Urlaub und kein langfristig prägendes Erlebnis. Daher sucht, auch wenn eure Sprachkenntnisse nicht die besten sein mögen, auf lokalen Seiten und evtl. über Bekannte nach Wohnungsmöglichkeiten.

Versicherung

Die Auslandsversicherung ist unkompliziert und einfach zu buchen. Überprüft aber, ob ihr in eurer eigentlichen Krankenkasse schon für das Ausland versichert seid und ob ihr, falls nicht, für die Zeit eures Auslandsaufenthalts die Beitragszahlung aussetzen könnt. Ich habe unnötigerweise doppelt gezahlt.

  

Formalitäten vor Ort

Telefon-/Internetanschluss

Das läuft, meines Erachtens, überall in Europa gleich. Roaming-Gebühren gibt es nicht mehr. W-Lan haben die meisten. Eigentlich gibt es hier nicht viel zu planen.

Bank/Kontoeröffnung

Halte ich innerhalb Europas auch nicht für notwendig. Mit Kredit- oder EC-Karten kann man fast überall kostenfrei bezahlen.

  

Alltag/Freizeit

Ausgehmöglichkeiten

Hängt euch an die lokale Bevölkerung und seid offen, für was euch erwartet. Berliner Techno ist schön und gut, aber auch anderes kann interessant sein. Ihr seid im Ausland, um anderes Leben zu sehen, nicht um zu missionieren. Zumindest sehe ich das so.

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