Dieser Bericht über mein Erasmus Auslandsstudium soll meine Erfahrungen zusammenfassen, und Interessierten bei ihrer Entscheidung helfen. Ich habe mein Auslandsstudium im Zeitraum vom Mitte August bis Mitte November 2021 absolviert. Mein Chemie Masterstudium war zu diesem Zeitpunkt in den letzten Zügen und es stand nur noch die Meisterarbeit aus. Trotzdem wollte ich die letzte Chance ergreifen, während meiner Studienzeit in ein anderes Land zu gehen, um eine neue Kultur, Menschen, aber auch ein neues universitäres Umfeld kennenzulernen.
Vorbereitung
Die Vorbereitung begann im Mai 2020 mit der Bewerbung für das Erasmus+ Programm. Da es sich hierbei nur um eine Bewerbung für ein Praktikum und nicht für ein ganzes Auslandssemester handelt, ist die Bewerbungsfrist mit 2 Monaten vor Beginn des Praktikums sehr überschaubar. Die Stadt Uppsala erschien mir eine gute Wahl, da sie kleiner als Berlin ist, aber dennoch nicht allzu klein. Die Universität präsentierte sich modern und mit interessanten Arbeitsgruppen. Der weitere Bewerbungsprozess verlief sehr einfach, wobei der Erasmuskoordinator der Chemie an der FU, sowie an der Gastuniversität sehr schnell und zuverlässig die Dokumente bearbeitet haben. Zur sprachlichen Vorbereitung habe ich die von der OLS angebotenen Englisch-Sprachkurse genutzt.
Anreise
Die Reise gestaltete sich trotz der Corona Situation als sehr einfach. Als geimpfte Person mussten keine weiteren Tests oder Quarantäne Pflichten berücksichtig werden und es war mir möglich direkt von Berlin aus nach Stockholm zu fliegen und von dort aus mit dem Zug 20 min nach Uppsala weiter zu fahren.
Unterkunft im Gastland
Die Suche nach einer Unterkunft war nicht ganz so einfach. Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in Schweden nur sehr wenig Angebote über die klassischen ‚WG-gesucht‘-Internetseiten. Von der Universität aus hatte ich (da ich offiziell nur Praktikantin und keine Studentin war) keinen direkten Anspruch auf einen Platz im Studentenwohnheim. Ich konnte mich lediglich auf eine Warteliste schreiben lassen. Da jedoch der Semesterstart vor der Tür stand, waren meine Chancen recht gering. Es hat dann etwas gebraucht bis ich verstanden habe, dass in Schweden noch sehr viel über Facebook organisiert wird und es dort zahlreiche Gruppen gibt, die sich mit Uppsala housing beschäftigen. Über solch eine Gruppe habe ich dann selbst eine Anzeige geschaltet und dann auch sehr schnell viele Rückmeldungen bekommen. Ab da ging die Wohnungssuche ganz einfach und nach ca. einer Woche hatte ich ein Zimmer für 500 € pro Monat. Bei meiner Wohnungswahl war mir eine gute Verkehrsanbindung zur Universität, aber auch zum Stadtzentrum sehr wichtige. Meine Unterkunft war sehr nah am Stadtzentrum (10 min zu Fuß) und direkt neben dem Botanischen Garten. Auch das Universitätsgebäude (BMC) an dem ich mein Praktikum absolviert habe war nur 1,2 km entfernt und somit sehr gut mit dem Fahrrad (5 min) oder zu Fuß (15 min) zu erreichen.
Transport
Generell kann man die Stadt auf Grund ihrer Größe sehr gut zu Fuß erkunden. Ansonsten gibt es ein Busliniennetzwerk mit dem man durch ganz Uppsala fahren kann. Abends fahren die Busse unter der Woche bis ca. 1 Uhr, am Wochenende sogar bis 2:30 Uhr, so dass man auch spät abends noch zuverlässig nach Hause kommt. Ein Busticket kostet 3,30 € und ist ab dem Kauf für 2 stunden gültig. Da ich selbst sehr zentral gewohnt habe, bin ich währen meines ganzen Aufenthaltes nur vier mal mit dem Bus gefahren und habe sonst immer das Fahrrad genommen oder bin zu Fuß gegangen.
Praktikum an der Gasthochschule
Das Praktikum verlief sehr gut und unkompliziert. Die Tatsache, dass alle perfektes Englisch sprechen und auch alles darauf ausgelegt ist, erleichtert es sehr. Innerhalb der Arbeitsgruppe wurde ich sehr herzlich und offen empfangen und habe mich mit allen Leuten sehr gut verstanden. Wir sind des Öfteren zusammen auswärts Mittagessen gegangen und haben so sehr viel Zeit auch außerhalb des Labors miteinander verbracht. Da Corona in Schweden zu diesem Zeitpunkt keine große Rolle spielte, war das Arbeitsleben auch nicht wirklich eingeschränkt – es wurden zum Beispiel zu keiner Zeit Masken getragen. Die einzige Einschränkung war zu beginn, dass unsere Gruppen Seminare noch online stattgefunden haben. Dies hat sich dann jedoch nach einem Monat (nach dem offiziellen ‚freedom day‘) auch wieder geändert und wir durften uns in Präsenz treffen.
Kompetenzen und Lernerfolge
Das absolvierte Forschungspraktikum hat meine fachlichen Kompetenzen auf jeden Fall ausgebaut, besonders im Bereich der elektrochemischen Untersuchungen, da diese bis zu diesem Zeitpunkt noch keine große Rolle in meiner Ausbildung gespielt haben. Die Betreuung war leider durch verschiedene Umstände nicht ideal, was jedoch auch dazu geführt hat, dass ich mit einigen Problemen auf mich selbst gestellt war und somit auch nochmal mehr Erfahrung sammeln konnte. Sprachlich habe ich mich besonders in der englischen Sprache weiterentwickelt. Es fällt mir jetzt sehr viel leichter sowohl fachliche als auch alltägliche Konversationen zu führen.
Alltag und Freizeit
Die meisten kontakte haben sich durch das Praktikum, die Universität im Allgemeinen oder den WhatsApp Erasmus Gruppen ergeben. Sobald man einen kleinen sozialen kreis aufgebaut hatte, war das Konzept ‚Freunde über Freunde treffen‘ natürlich sehr populär. Ein weiterer Studentenherd stellten die sogenannten Nations dar. Dieses Konzept ist in etwa mit den deutschen ‚Burschenschaften‘ zu vergleichen, jedoch ist dies in Schweden nicht so konservativ belastet wie in Deutschland. Die Nations sind offen für alle Studierende, die eine Nationcard besitzen. Diese kann, man kann sich für ein Semester für 30 € kaufen und dann alle 13 Nations in Uppsala nutzen. Der Vorteil ist, dass fast alle Nations ein eigenes Restaurant/Pub/Club besitzen, wodurch sie zu dem größten Mittelpunkt des studentischen leben werden. Ein weiterer Pluspunkt ist, dass sowohl Essen, als auch Alkohol deutlich günstiger sind, als man sie sonst in Schweden bekommt (in etwa deutsche Preise). Oft werden in diesem Rahmen auch Themenabende oder spezielle Events angeboten. Die Stadt an sich ist sehr sauber, architektonisch wunderschön und biete viele kulturelle Begegnungsstätte. Das Wetter war zu meiner Zeit sehr durchwachsen, allerdings gab es mehr sonnige Tage als ich es erwartet hätte. Generell hat Schweden Landschaftlich sehr viel zu bieten. Besonders die Weite und die Hektar großen Seenlandschaften mit ihren wunderschönen Sonnenuntergängen haben es mir angetan. Das direkte Umland hat auch recht viel zu bieten, so kann man beispielsweise innerhalb 1 /12 h mit dem Bus an die Ostsee fahren, oder mit dem Zug innerhalb 30 min Stockholm erreichen – was natürlich ein sehr beliebtes Ausflugsziel ist.
Finanzen
Finanziell gesehen reicht das Geld des Erasmusstipendiums gerade um sein Zimmer zu bezahlen. Lebensmittel kosten sind circa 30-50 % teurer als in Deutschland, wodurch ein Job vor Ort, Remote oder Gespartes essenzielle wird. Besonders wenn man noch im Land reisen möchte, muss man ein wenig in die Taschen greifen. Lebensmittel können gut bei ICA, Hemköp, Coop oder Lidl eingekauft werden. Generell hat man in Schweden ein sehr großes Sortiment an veganen Produkten.
Interkulturelle Erfahrung
Meine Erfahrung von dem Austausch habe meine Erwartungen bei weitem übertroffen. Ich habe sehr viele unterschiedlich Menschen kennenlernen dürfen, die aus unterschiedlichsten Teilen Europas zusammengekommen sind. Viele neue Freundschaften wurde geknüpft besonders mit anderen Erasmusstudierenden mit denen ich zusammen die schwedische Kultur kennenlernen durfte. Die Schweden die ich in kennenlernen durfte, waren immer sehr zuvorkommend aber doch recht schüchtern. Nach meinem Austausch fühle ich mich wesentlich mehr als EU-Bürger und finde es toll, dass so viele unterschiedliche Kulturen so nah beieinander in Europa sind und es kein Problem ist, von einem Land ins Andere zu reisen.
Fazit
Meine Erfahrung im Auslandsstudium war nur positiv. Trotz COVID war die Stadt voller Studenten und vielen Internationals, was nach 1 ½ Jahren ‚Corona-Studium‘ einfach mal wieder sehr gutgetan hat. In meinem Studium besonders durch das Praktikum habe ich mich wissenschaftlich sehr stark entwickelt, was den Aufenthalt akademisch ebenfalls als Erfolg verbuchen lässt. Nicht zu vergessen, sind all die schönen Begegnungen, die ich hatte, mit großartigen Menschen und besonders die, die ich jetzt zu meinen Freunden zählen darf.