Praktikum an einer Universität in Kopenhagen

Als ich Mitte August in Kopenhagen ankam, war noch Sommer. Und obwohl ich davon ausgegangen bin, dass es in Dänemark doch ein paar Grad kälter sein müsste – immerhin ist Kopenhagen weiter im Norden als Berlin – war es bullenwarm. Ich fuhr vom Hauptbahnhof aus mit dem Bus weiter, der mich irgendwo in Frederiksberg ausspuckte. Ich rumpelte mit meinem viel zu schweren Koffer die Straße entlang und war kurz komplett überfordert.

Nachdem ich meine Unterkunft für die ersten Tage gefunden und meine Sachen abgelegt hatte, ging ich wieder nach draußen. Ich erinnere mich daran, wie ich direkt anfangen musste zu grinsen. Das war so ein tiefes Grinsen, das erstmal nicht mehr weggeht. Ich war endlich und gleichzeitig so plötzlich ‚da‘ und es fühlte sich trotz aller Sorgen unglaublich richtig an. Das war der Start in meinen Sommer, Herbst und Winter in Kopenhagen. Und auch wenn das Grinsen zeitweise aus meinem Gesicht gewichen ist, habe ich mit demselben Grinsen und ganz viel Wehmut im Gepäck diese Stadt wieder verlassen.
Mein Praktikum an der Universität Aarhus begann am ersten September. Bis dahin strömte ich durch Kopenhagen und lernte die Stadt kennen. Da mein kleines Apartment im Norden der Stadt erst Ende September frei wurde, musste ich Ende August den nächsten Umzug nach Roskilde, 30km nördlich von Kopenhagen entfernt, antreten. Hier hatte ich eine Unterkunft für den Übergang gefunden, wirklich begeistert war ich davon allerdings nicht – Kleinstadt und ich, passt das noch zusammen? Ehe ich mich versah, standen aber schon der erste Praktikumstag am Department of Environmental Science und damit die wirklich wichtigen Sachen an. Ich stieg das erste Mal in den Linienbus 600S, der zu meinem täglichen Begleiter wurde. Mein Supervisor nahm mich entgegen, stellte mich allen Kolleg:innen vor, zeigte mir mein Büro und sprach mit mir meine erste Aufgabe ab. Im Rahmen meines Praktikums habe ich an einem EU-Forschungsprojekt mitgewirkt und für dieses eine Menge sozio-ökonomische Daten in die Hände gedrückt bekommen, mit denen ich jetzt arbeiten sollte. Und so fing mein Praktikum an: Ich und mein Schreibtisch, die Technik und furchtbar viele Excel-Tabellen.
Nebenher musste ich mich im Büro einfinden. Es hatte mich überraschend eingeschüchtert, Englisch auf Arbeit zu reden. Small-Talk war zuvor nie ein Problem gewesen, aber Fach-Talk in der Mittagspause war für mich was anderes. Die Leute hier sind alle so schlau, dachte ich mir, während ich zum sechsten Mail meine E-Mail überflog, damit ja kein Rechtschreibfehler drin ist. Hinzu kamen Meetings mit anderen schlauen Leuten aus dem Forschungsprojekt. Allen wurde ich vorgestellt und woran ich gerade arbeite. Für eher introvertierte Menschen wie mich waren das keine angenehmen Angelegenheiten. Am gewöhnungsbedürftigsten war mich jedoch das Feedback. Aus meinem Studium war ich es gewohnt, Arbeiten abzugeben, monatelang auf meine Note zu warten und überwiegend keine weitere Kritik oder Lob zu erhalten. Bei meinem Praktikum haben sich die Forscher:innen allerdings genauer angeschaut, was ich in meiner Arbeitszeit fabriziert habe und mir auch genauer mitgeteilt, was sie daran eher toll oder blöd finden. Dass besagte Forscher:innen meine Arbeit unter die Lupe nahmen und konstruktiv kritisierten, weil sie mich ernst nahmen und meine Arbeit sahen und wertschätzten, habe ich erst mit der Zeit gelernt. Ab da habe ich Kritik weniger persönlich genommen und mich sogar gefreut, wenn sie denn mal kam. Während ich diese erste Praktikumszeit gemeistert habe, konnte ich Roskilde näher kennenlernen und – wer hätte es gedacht – den Kleinstadtcharme für mich entdecken. Ich bin fast täglich mit meinem klapprigen Fahrrad an den Hafen gefahren, um auf meiner Lieblingsbank kurz den Meerblick zu genießen. Ich entdeckte ein kleines Café für mich, was ich später in Kopenhagen noch schmerzlich vermissen würde. Ich mochte Roskilde plötzlich sehr gerne.
Mit dem nächsten Augenaufschlag fand ich mich in Kopenhagen wieder und verlor mich im Alltag einer Berufspendlerin – immerhin war der Campus, auf dem ich arbeitete, in der Nähe von Roskilde. Bus, Metro, Regio, Bus, Arbeit und wieder zurück. Die Wochen verflogen. Zwischendrin stand ein Projektmeeting in Aarhus (zweitgrößte Stadt Dänemarks) statt, auf dem ich meine Arbeit an den sozio-ökonomischen Daten präsentierte. Ich frage mich bis heute woher ich den Mut dafür hatte, vor einer Menge (zum Großteil wildfremder) Forscher:innen aus ganz Europa einen Vortrag zu halten. Jedenfalls klatschten am Ende alle in die Hände und mein Supervisor flüsterte mir zu, dass das eben richtig gut gewesen sei. Irgendwas muss ich in den letzten Wochen wohl richtig gemacht haben, dachte ich mir, und war dann selber zum ersten Mal mächtig stolz auf mich. Mittlerweile war es Herbst und ich fand mich nicht mehr auf der Bank am Hafen in Roskilde, sondern auf der Fähre in Kopenhagen wieder. Diesmal mit guten Freuden, die ich in Kopenhagen kennen- und lieben gelernt habe und mit guten Freunden, die mich aus Berlin besuchen kamen. Ich schlenderte durch Ausstellungen, hetzte zielbewusst durch die Straßen, fand meine Lieblingsecken und war dann nicht mehr nur ‚da‘ sondern auch angekommen.
Im November konnte ich auf Arbeit eine eigene Forschungsidee durchsetzen und plante nun ein Pilotprojekt, wo ich mit Jugendlichen zusammenarbeiten würde. Nebenher habe ich an einem Buchkapitel mitgeschrieben, Kleinkinder beim Bäumepflanzen an einem Projekttag in Aarhus zugeschaut, Druckershops angerufen und mit Arbeitskolleg:innen beim Department Day Wein, und auf der Weihnachtsfeier (Julefrokost) Bier getrunken – so vielfältig wie der Arbeitsalltag einer Praktikantin eben ist. Mitte Dezember konnte ich dann im Rahmen meines Pilotprojekts einen Workshop mit Jugendlichen in Aarhus durchführen. Da die Feiertage dann schon vor der Tür standen, war es Zeit, meine Sachen zusammenzupacken. Und so hatte ich plötzlich meinen letzten Tag im Büro, stieg ein letztes Mal in die Buslinie 600S, lief ein letztes Mal durch mein Viertel und stand zum letzten Mal am Hauptbahnhof und wartete auf meinen Zug zurück.
Mein viermonatiges Auslandspraktikum hat mir einiges gezeigt und gelehrt, darunter wie selbstständig ich bin: seien es die Praktikumsaufgaben oder die zwei Umzüge zwischen Roskilde und Kopenhagen, die ich alleine gemeistert habe. Ich habe mich in Situationen begeben, die mir neu waren und bin daran gewachsen. Ich habe mich im Pendelalltag verloren, die Zeit vergessen und war ab und zu auch mal traurig, dass ich von Zuhause nicht mehr so viel mitbekomme. Dennoch, und das überwiegend um ein Vielfaches, bin ich so viele schöne Momente, Erfahrungen und Erinnerungen reicher. Ich habe mich selbst nochmal neu kennengelernt, so kitschig das jetzt klingen mag. Ich weiß jetzt mehr, was ich kann, was ich will und wo ich hin möchte – im Studium, im Beruf aber auch im Leben. ‚Lykkelig i København‘ ist Dänisch für ‚Glücklich in Kopenhagen‘ und das fasst meine Zeit dort auch am besten zusammen. Glücklich, mal mehr mal weniger, aber stets mit diesem Grinsen in der Brust, dass mich seit meiner Ankunft im Sommer nicht mehr verlassen hatte.

Tipps für andere Praktikant:innen

Vorbereitung
In meinem Fall war das Praktikum schon recht früh organisiert und abgeklärt, sodass ich mich die Monate vorher nur noch um das Drum-herum kümmern musste. Ich empfehle, zuerst das Praktikum zu planen und zeitlich mit genügend Puffer zu arbeiten – drei Monate vor Praktikumsbeginn würde ich anfangen, den Rest zu planen (Anreise, Wohnung, Auslandsversicherung etc.)

Praktikumssuche
An Universitäten freuen sich nach meiner Erfahrung viele Forscher:innen über Initiativbewerbungen – falls ihr also ein spannendes Forschungsprojekt findet, was euch anspricht, schreibt einfach und bewirbt euch. Ansonsten nach Ausschreibungen Ausschau halten.

Wohnungssuche
Um ehrlich zu bleiben: Das war für mich die größte Herausforderung. Stellt euch darauf ein, dass ihr in Kopenhagen nicht so schnell an ein bezahlbares WG-Zimmer oder ein Apartment kommen werdet (vor allem wenn ihr dort niemanden kennt). In Kopenhagen sind die Preise für Mieten um einiges teurer. Ich habe von anderen Austauschstudent:innen gehört, dass sie teilweise über ihre Austausch-Unis an Unterkünfte gekommen sind. Ich als Praktikantin musste auf Facebook-Gruppen zurückgreifen und mich durchkämpfen. Die Facebook-Variante kann ich euch empfehlen, da ich selbst dort fündig geworden bin. Auch hier gilt: Es suchen so viele Menschen nach temporären, bezahlbaren Unterkünften, sodass diese schnell vergriffen sind. Freiwerdende Zimmer werden meist erst kurzfristig (d.h. 1 Monat vor Mietbeginn) online gestellt. Ansonsten das boligportal.dk ausprobieren, da sind die Mieten aber meistens noch höher und ihr müsst ein preispflichtiges Abonnement abschließen. Ich möchte hier niemanden vor den Kopf stoßen, aber im Vergleich zu Berlin ist Kopenhagen nochmal einen scharfen Zacken teurer, da reicht das Erasmus-Stipendium allein nicht aus. Passt also auf, dass ihr entweder Gehalt bekommt, finanziell genügend abgesichert seid oder was angespart habt.

Versicherung
Ich empfehle die HanseMerkur Versicherungen, da habe ich mich bisher gut aufgehoben gefühlt.

Sonstiges
Wie schon bei der Wohnungssuche angekündigt, die Lebenshaltungskosten sind in Kopenhagen um einiges teuer (Einkaufen, Essen gehen, Wäsche waschen, ÖPNV, Miete, Ausgehen/Alkohol – alles teurer). Darauf solltet ihr vorbereitet sein, sonst tut ihr euch keinen Gefallen!

Formalitäten vor Ort

Telefon-/Internetanschluss
Wenn ihr euch in Dänemark anmeldet, bekommt ihr eine CPR-Nummer, NemID und MitID – alles irgendwelche Zahlen, die anscheinend furchtbar wichtig sind. Wenn ihr zum Beispiel eine dänische Ärztin aufsuchen wollt, werdet ihr am Telefon zuerst nach der CPR-Nummer gefragt. Auch beim Internetanschluss spielt das eine Rolle.
Für alle, die keine CPR-Nummer haben (weil sie sich zum Beispiel nicht in Dänemark anmelden wollen/können): Ich empfehle, eine dänische Prepaid SIM-Karte mit entsprechendem Tarif zu kaufen (Lebara kann ich euch ans Herz legen). Internet ist vergleichsweise günstig (Ich habe etwa 25 Euro für 1000 GB im Monat bezahlt, lohnt sich also).

Bank/Kontoeröffnung
Auch hier sind CPR-Nummer, NemID und MitID notwendig. Um an diese Nummern zu kommen, müsst ihr Dänemark gemeldet sein.
Und falls ihr wie ich naiv mit einer deutschen EC-Karte in Dänemark zahlen wollt, lasst es lieber sein: Da ihr in Dänischen Kronen zahlt, wird euch auf der Abrechnung eine Umrechnungsgebühr draufgerechnet. Holt euch also eine Kreditkarte, wo ihr keine extra Gebühren zahlen musst. In Kopenhagen generell ist Kartenzahlung bzw. ApplePay/GooglePay üblicher als Barzahlung.

Sonstiges
Falls ihr den ÖPNV regelmäßig nutzen wollt, holt euch eine Rejsekort (System: Ihr haltet eure Rejsekort wenn ihr wo einsteigt, umsteigt oder aussteigt vor so ein Licht und checkt somit ein und aus. Die Rejsekort lädt ihr am Automaten mit Guthaben auf, Prinzip ist super einfach und ihr könnt so alle Züge benutzen). Geht am besten zum DSB-Kundencenter am Hauptbahnhof, da stellen die Mitarbeiter:innen euch die Karte aus.

Alltag/Freizeit

Ausgehmöglichkeiten
Kopenhagen lässt sich super zu Fuß oder per Rad erkunden (leiht euch auf jeden Fall ein Fahrrad aus, Radwege sind riesig, ihr seid flexibler und kostengünstiger unterwegs). Lasst den Strand und das SMK (Kunstmuseum) nicht aus und falls ihr Zeit und Lust habt euch außerhalb von Kopenhagen umzuschauen, besucht den Hafen in Roskilde und spaziert dort am Meer entlang.

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