Dieser Bericht widmet sich meinem dreimonatigen Praktikum an der Abisko naturvetenskapliga station (ANS) in Abisko, Schwedisch-Lappland, im Sommer 2023. Mit der Gründung der Abisko Scientific Research Station 1913 wurde der Grundstein für ein mitterweile international genutztes, multidisziplinäres Wissenschaftszentrum gelegt. Nachdem vor über 100 Jahren mit kontinuierlichen Boden- und Luft- Temperaturmessungen an mehreren Standorten in der Umgebung begonnen wurde, wird heute neben meteorologischer Datenerfassung auch unter anderem die Limnologie, Ökologie und Geologie der einzigartigen subarktischen Umgebung erforscht.
Die ANS liegt an der südlichen Küste des Sees Torneträsk, unmittelbar an der Grenze des Abisko Nationalparks, nördlich des Polarkreises.
Fest angestellt an der Station sind 12 Personen, doch über das Jahr verteilt werden über 500 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen beherbergt. Geleitet wird ANS von dem Swedish Polar Research Secretariat, und durch den Beitritt zum internationalen Netzwerk „University of the Arctic“ steht auch vielen Studierenden der Zugang zu Bildung und praxisorientierter Wissenschaft offen. An der Station wird international geforscht, daher wird auf dem gesamten Gelände größtenteils auf Englisch kommuniziert.
Dank der guten Zugänglichkeit und der Präsenz representativer Flora und Fauna für das arktische Klima und dementsprechend der Aufmerksamkeit von Forschenden, wurde die Umgebung zu einem geschützen Nationalpark erklärt. In diesem können nachhaltig repräsentativ alpine und subalpine Ökosysteme erforscht werden, welche durch den Nationalpark-Status unter besonderem Schutz stehen. Durch die Erforschung der Effekte von Langzeit-Klimaveränderungen auf naturbelassene Ökosysteme, können frühzeitig Trends erkannt werden, welche Schlussfolgerungen im größeren, globalen Maßtab erlauben. Die Polarregionen sind besonders stark von Klimaveränderungen betroffen, und können Anhaltspunkte geben, für Umweltveränderungen auch in anderen, stärker bevölkerten Gegenden der Erde.
Koordiniert von der Umea University wird das umfangreiche Projekt „Climate Impact Research Centre“ (CIRC), welches Effekte der Klimaveränderungen auf arktische Ökosysteme untersucht. Dazu gehören Arbeitsgruppen mit der Thematik Pflanzen-Bestäuber Interaktionen, Pflanzen
Phänologie, Pflanzen Boden Interaktionen und viele weitere. Auch mein Projekt, „ArcticBuzz“, welches sich der Netzwerk-Zusammensetzung hinsichtlich Pflanzen und Bestäubern, sowie deren Interaktionen und der Phänologie widmet, steht unter dem Namen des CIRC Projektes.
Auf dem im Nationalpark befindlichen Berg Mt. Nuolja befinden sich entlang des Höhegradienten festgelegte Transekte, auf welchen die Datenerfassung stattfindet. Seit fünf Jahren wird jeweils in den Monaten Mai-September die gleiche Methode angewandt, um Langzeitdaten zur Pflanzenphänologie, sowie zur Netzwerzusammensetung bezüglich Pflanzen und Hummeln in verschiedenen Habitaten zu erfassen. Die Zonen unterscheiden sich durch die Position auf dem Berg und durch die damit einhergehenden Temperaturunterschiede auch in den sie besiedelnden Organismen. Tiefere Zonen, wie der alte Wald und der neue Wald, dominiert von Birken, bieten einen Lebensraum für andere Bestäuber, als die höher gelegenen Strauch- oder Weide Zonen. An Bestäubern werden ausschließlich Hummeln untersucht, daher auch der Projektname „ArcticBuzz“. In festgelegten Zeiträumen werden diese in den Transekten mit Netzen gefangen, deren Art bestimmt, DNA Proben genommen bevor sie anschließend wieder befreit werden. Protokolliert wird außerdem, welche Pflanzen in den Transekten vorkommen, und welche Hummelspezies mit welcher Pflanzenspezies interagiert.
Als Praktikantin in dem Projekt bin ich größtenteils in der Feldarbeit tätig gewesen, doch lernte auch neue Methoden im Labor kennen, um morphologische Daten zu Pflanzen und Hummeln zu erfassen. Statistische Arbeit und Datenverarbeitung musste ich nicht eigenständig durchführen, doch ich konnte reichlich Einblicke in die Projekte der anderen Mitglieder meiner Arbeitsgruppe bekommen. Dies waren größtenteils Studenten und Studentinnen im Master, die zu den erfassten Daten Hypothesen aufgestellt haben, und dazu einen wissenschaftlichen Bericht verfassen mussten. Meine Arbeitsgruppe bestand neben mir noch aus einem weiteren Praktikanten, vier Masterstudenten und einer PhD.
Aufmerksam bin ich auf das Praktikum geworden durch eine kurze Internetrecherche nach Erasmus+ Praktika, die Feldarbeit beinhalten würden, einen ökologischen Ansatz verfolgen, und von meiner Universität mit Leistungspunkten angerechnet werden können. Nachdem ich mein Motivationsschreiben, sowie meinen Lebenslauf eingereicht hatte (Oktober 2022, Projektstart sollte Sommer 2023 sein), wurde ich zu einem Kennenlernen über Zoom eingeladen. In dem kurzen, zwanglosen Videotelefonat haben mir Projektleiter Richard Gill, sowie PhD Aoife Cantwell-Jones etwas mehr zu dem Projekt erzählt, sowie mir einige Fragen
zu meinen Interessen und bisherigen Erfahrungen und Erwartungen gestellt. Zwei Monate vor Projektbeginn wurde ich erneut kontaktiert um meine An- und Abreisedaten zu bestätigen, damit war der Bewerbungsprozess alles in allem recht unkompliziert. Zwischen Oktober 2022 und Februar 2023 wurde nur sehr wenig kommuniziert, in dieser Zeit wusste ich nicht, ob mein Aufenthalt in Schweden stattfinden wird, oder nicht. Hier hätte ich mir etwas mehr Austausch gewünscht.
Meine Erwartungen an das Praktikum hinsichtlich der Feldarbeit wurden erfüllt, und haben mir Erkenntnisse gebracht, die ich vorher nicht erwartet hätte. Zu sehen, wie ein Projekt in so großem Ausmaß umgesetzt wird, wie viel Organisation nötig ist, und wie viele Fehlerquellen beachtet werden müssen um akkurat, replizierbar und wissenschaftlich korrekt zu arbeiten, hat mich doch überrascht. Die körperliche Belastung war gerade zu Beginn sehr anspruchsvoll, als auch noch kältere Temperaturen und Schneestürme herrschten, doch mit dem Sommerbeginn und der Vertrautheit mit den Abläufen wurde es wesentlich angenehmer. Mein Ziel Menschen zu treffen, die sich für eine Karriere in der Wissenschaft, und all den Verpflichtungen, die dies mit sich bringt, entschieden haben, habe ich erreicht, und dadurch eine bessere Vorstellung davon, wie meine Zukunft aussehen könnte.
Hauptteil
Das Projekt in dem ich eingebunden war, befasst sich mit Pflanzen-Bestäuber-Interaktionen, der Netzwerkzusammensetzung, den Effekten von Klimaveränderungen und morphologischen Merkmalen von Hummeln und Pflanzen entlang des Höhegradienten auf dem Berg Mt. Nuolja. Auf dem Berg werden je nach Höhe und dementsprechenden klimatischen Verhältnissen Klimazonen unterschieden, die durch unterschiedliche Vegetationen geprägt sind. Beginnend am Fuß des Berges mit dem alten Wald, folgt der neue Wald, die Strauchzone, sowie die subalpine und zuletzt die alpine Tundra. Nachdem über viele Jahre Veränderung in der Habitatspräferenz der Pflanzen festgestellt wurden, wird nun seit 5 Jahren daran geforscht, ob auch die Bestäuberpopulationen sich in ihrer Biodiversität und Abundanz verändern.
Die Datenerfassung ist nur in der Feldsaison von Anfang Mai bis Ende August möglich, da Hummeln den Rest des Jahres in Hibernation (Winterschlaf) verbringen. Während dieser Monate kommen Student*innen zur ANS, um in Form eines Praktikums, oder der
Vorbereitung ihrer Thesis (Master) an der Feldarbeit teilzuhaben. Eingearbeitet wurden wir in der ersten Woche von Projektleiter Richard Gill, welcher nach zwei Wochen wieder abgereist ist, sowie von PhD Aoife Cantwell-Jones, die nun bereits im dritten Jahr an der Feldarbeit mitwirkt und die Hauptansprechpartnerin war. Für alle Mitglieder in unserer Arbeitsgruppe steht die Datenerfassung, also die Arbeit im Feld an höchster Priorität. Einmal pro Woche war außerdem Laborarbeit zu erledigen, doch neben der Vor- und Nachbereitung für die intensive Feldarbeit, wurde dies manchmal vernachlässigt.
Da ich zu meinem Praktikum keine wissenschaftliche Arbeit schreiben musste, habe ich keine statistische Analyse der Daten durchgeführt. Dennoch hatte ich durch die gemeinsame Arbeit im Feld die Möglichkeit, mir die Ansätze der anderen Gruppenmitglieder hinsichtlich der Datenverwertung erklären zu lassen. Untersucht wurden beispielsweise die phylogenetische Zusammensetung der Bienenpopulationen über und unter der Baumgrenze über die letzten Jahre, die Stärkte der Abhängigkeit von spezifischen Bienenspezies gegenüber spezifischen Pflanzenspezies, sowie der Einfluss von Temperaturunterschieden über die Jahre auf die Aktivität der verschiedenen Bienenspezies. Ich hatte das Gefühl alle Herangehensweisen auf Grund meiner Vorkenntnisse aus dem Studium logisch nachvollziehen zu können. Die statistischen Tests, das Erstellen von Graphen etc. kamen mir sehr vertraut vor.
Auch die Methoden im Labor für die morpholischen Untersuchungen sind mir sehr leicht gefallen, da wir an meiner Heim-Universität ähnliche Präparationen durchgeführt haben. Ich denke ich hatte ein sehr gutes Grundverständniss für alles, was wir in der Arbeitsgruppe durchgeführt haben, doch konnte spezifisches Wissen zu Bienen und Pflanzen deutlich vertiefen. Während mir beispielsweise die Insektenmorphologie und Bestäubungsabläufe im Groben bekannt waren, war mir die spezifische Biologie von Hummeln, mit deren Kastensystem, teilweise parasitärem Verhalten, Generationszyklus, sowie sonderbarer Zungenmorphologie vollständig unbekannt. Auch einige Phänomene, die ich sonst nur aus Lehrbüchern kannte, wie Mimikry bei einigen Fliegen, die aussehen wie Bienen, konnte ich hier im Feld erstmals real erleben.
Unser Team setzte sich zusammen aus dem Projektleiter Richard Gill, der uns eingearbeitet hat und leider nach wenigen Wochen bereits wieder abreiste, der PhD Aoife Cantwell-Jones, die bereits gut vertraut mit dem Projekt war und somit auch Ansprechpartnerin für alle Fragen
und Organisation war, zwei Masterstudentinnen und ein Masterstudent vom London Imperial College, die zu den Daten ihre Thesis geschrieben haben. Desweiteren eine Masterstudentin und ein Praktikant (im Bachelstudium) aus den Niederlanden, sowie ich, Praktikantin im Bachelorstudium. Das Arbeitsklima war sehr angenehm, und die Hierachien wurden meinem Gefühl nach sehr flach gehalten. Bei der Arbeit im Feld machte es keinerlei Unterschied, ob man am Beginn oder Ende seiner wissenschaftlichen Karriere stand, sondern einzig, ob man die physische Leistung erbringen kann. Das Terrain war nicht immer leicht zu händeln, und gerade zu Beginn (Mai 2023) hat der Schnee und die Kälte die Bedingungen erschwert.
Oft war nicht vorherzusehen, wie es sich den Tag über wettertechnisch verhalten wird, und ob eine Datenerfassung möglich ist, oder nicht. Dementsprechend wurde morgens aufgebrochen, und abgebrochen, falls die Konditionen kein sicheres Arbeit erlaubten. Da noch nie so viele Personen auf einmal in das Projekt eingebunden waren, gab es keine Vorerfahrung zur Planung der Arbeitstage. An jedem Tag, an dem die Bedingungen es zugelassen haben, wurden Daten in so vielen Transekten wie möglich erfasst. Dies führte leider in den ersten Wochen zu vielen Arbeitstagen mit 10-14h Arbeit im Feld, die sehr an den Kräften aller Mitglieder zehrten. Eine sehr intensive Einarbeitung könnte man also sagen, doch da jedem von uns ein Verständnis des Nutzens dieser Daten, und damit eine große Verbundenheit zum Projekt nahelag, waren wir alle bereitwillig weiterzumachen.
Nach einiger Zeit hat die Vernunft doch gesiegt, und ein neuer Arbeitsplan wurde erstellt. Die Arbeitszeiten haben sich auf knapp 8-10h pro Tag normalisiert, und als Ende Juni auch der Skilift für die Touristensaison geöffnet hat, war das Arbeitspensum nachhaltiger umsetzbar. Der Skilift hat uns morgens zu den höhergelegenen Transekten befördert, und somit die körperliche Belastung deutlich verringert. Einmal pro Woche, in der Regel samstags, gab es ein Teammeeting, in dem sich ausgetauscht wurde, die nächste Woche geplant wurde und Fragen geklärt wurden. Die Arbeit im Feld wurde immer mindestens in Zweierteams durchgeführt, die Laborarbeit konnte alleine bewerkstelligt werden, die Bienen für morphologische Untersuchungen wurden meist in einer Gruppe von 3-5 Personen gesammelt. Über eine Whatsapp Gruppe hatte man immer die Möglichkeit in der Gruppe zu kommunizieren und einen Ansprechpartner*in zu haben.
Mir ist erst nach einigen Wochen aufgefallen, wie viel körperlich intensiver mein Projekt gegenüber allen anderen an der Forschungsstation war. Über viele Wochen hinweg vier bis fünf mal wöchentlich je 10-13h pro Tag den Berg hoch und herunter zu laufen, Bienen zu fangen, Pflanzen zu messen und zu bestimmen, sowie meist nur sehr kurze Pausen zu haben, hat auf die Dauer sehr an meinen Kräften gezährt. Die Arbeit war sehr erfüllend, hat ganzheitlich Spaß gemacht, stetig neue Erkenntnisse gebracht, und war sehr effizient durchgeführt, doch ohne die nötigen Regenerationsphasen, hat man allen Mitgliedern die hohe Belastung nach etwa 6 Wochen deutlich angemerkt. Die Wohnsituation war meiner Meinung nach nicht angemessen für ein Projekt solcher Intensität.
Dies ist denke ich mein einziger, wenn auch gravierender Kritikpunkt. Die Gemeinschaftsunterkunft war ein kleines Schwedenhaus mit Vierbettzimmern, einer Dusche für Männer, sowie einer Dusche für Frauen und einer Gemeinschaftsküche, die definitiv nicht für die Anzahl an untergebrachten Personen ausgerichtet ist. Permanent keine Rückzugsmöglichkeit zu haben über einen langen Zeitraum, war für mich nach der Feldarbeit, die ebenfalls immer im Team durchgeführt wird, zu viel. Über mehrere Tage nach über 10h körperlich belastender Arbeit und Interaktion mit Arbeitskollegen in die Unterkunft zu kommen, und zwischen 16 anderen Menschen und einem sehr hohen Geräuschpegel mein Essen einzunehmen und den nächsten Tag vorzubereiten, hat sich in meiner Gesundheit bemerkbar gemacht. Ich hätte mir Rückzugsmöglichkeiten, und wenig ab und zu die Möglichkeit auf ein wenig Privatsphäre gewünscht, um dann wieder die Zeit mit den anderen Menschen auf der Station zu genießen.
Erst in den letzten ein bis zwei Wochen meines Praktikums wurde es etwas ruhiger auf der Station hinsichtlich des Arbeitspensums und der Menge an Menschen. Hier hatte ich zum Glück noch einmal die Möglichkeit die schöne Umgebung, das Miteinander mit den anderen Stationsbewohner*innen und die Station selbst zu genießen.
Es war außerdem eine neue Erfahrung für mich, viele Leute in kurzer Zeit sehr gut kennenzulernen, da kaum Ablenkung durch die Umwelt vorhanden ist, und sich genauso schnell wieder zu verabschieden. Da jede Person hier nur projektgebunden vor Ort ist, muss man sich oft an neue Gesichter gewöhnen, und ständig lebewohl sagen.
Fazit
Alles in allem denke ich das Praktikum hat mich weiter darin bekräftigt meinen Werdegang als Biologin fortzusetzen. Gerade die Romantisireung von Feldarbeit konnte ich ablegen, und nun realistischer in die Zukunft blicken, wie groß der Anteil an theoretischer und praktischer Arbeit meinen Ansprüchen und Bedürfnissen nach sein sollte. Ich kann mir nach dem Praktikum in Abisko vorstellen, als Biologin mit ökologischem Schwerpunkt im Bereich Klimaforschung zu arbeiten, sowie mein Wissen über Interaktionsökologie und Netzwerkzusammensetzung zu vertiefen. Ich kann sehr viel aus meinem Praktikum mitnehmen, und bin unglaublich dankbar für die Erfahrung. Desweiteren bin ich stolz darauf, die Arbeit hier geleistet zu haben, und würde es vermutlich weiterempfehlen. Wiederholen würde ich die Arbeit nicht, da mich die Wohnsituation auf Dauer überstimuliert hat, und es keine Rückzugsmöglichkeiten gab. Nichtsdestotrotz bin ich sicher, noch viele Jahre von meinen Erfahrungen und Erlebnissen hier zähren zu können.