Praktikum an der deutschen Botschaft in Belgrad

Im Zuge meines M.A. Politikwissenschaften, habe ich ein 10-wöchiges Pflichtpraktikum bei der deutschen Botschaft in Belgrad absolviert.

Die Botschaften sind die ausländischen Vertretungen des Auswärtiges Amts und vertreten die Bundesrepublik im jeweils ansässigen Land. Der Großteil der deutschen Botschaften ist in verschiedene Themenfelder gegliedert: Politik (zuständig für Beobachtung und Bericht der innen- und sicherheitspolitischen Lage des Landes), Wirtschaft (zuständig für Förderung der wirtschaftlichen Beziehungen zu Deutschland; je nach Land beinhaltet das auch die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit), Kultur- und Pressereferat (in Kooperation mit den Goethe-Instituten zuständig für die interkulturellen Beziehungen sowie der Förderung von Deutsch als Fremdsprache, inklusive „Deutschlandbild“ im jeweiligen Land), Militärattaché (Beobachtung der verteidigungspolitischen Entwicklungen im Land) sowie Visa- und Justizabteilung.

Während meiner Praktikumszeit war ich, so wie alle Praktikant:innen der deutschen Botschaften, offiziell dem Kultur- und Pressereferat zugewiesen. Nichtsdestotrotz wurde ich auch in Arbeitsprozesse aus dem Politikreferat sowie der wirtschaften Entwicklungszusammenarbeit eingebunden.
Wie genau die Tätigkeit in der Botschaft aussieht, hängt immer vom jeweiligen Land sowie den lokalen Rahmenbedingungen zusammen. In meinem Fall (Serbien) sind die übergeordneten Ziele (der Bundesrepublik Deutschland), dass Serbien möglichst bald die Voraussetzungen für den EU-Beitritt erfüllt und dass das Land seine diplomatischen Beziehungen zum Kosovo normalisiert, der von der BRD als unabhängiger, souveräner Staat anerkannt wird, den Serbien allerdings als autonome Provinz des eigenen territorialen Gebiets behandelt.
Gleichzeitig ist die innenpolitische Lage Serbien geprägt von Einschränkungen der Bürgerrechte sowie der Pressefreiheit, von der Unterdrückung bestimmter ethnischer Minderheiten (v.a. Roma), von unzureichender Gewaltenteilung mit erheblichen Defiziten in der Rechtsstaatlichkeit sowie von organisierter Kriminalität und Korruption. In anderen Worten bedeutet das schlicht, dass es in Serbien viele „demokratische Defizite“ gibt, die auf dem Weg, der eines Tages in die EU führen soll (die Beitrittsgespräche laufen seit 2014), behoben werden sollen. Das beeinflusst die alltäglichen Aufgaben und den Umgang mit lokalen Partner:innen (bspw. in der Entwicklungszusammenarbeit), das verändert die Einschätzung von Informationsquellen und verändert die Rhetorik, die einen elementaren Bestandteil der diplomatischen Arbeit darstellt.

Der wesentliche Auftrag für Diplomat:innen besteht in der Aufrechterhaltung von konstruktiven Kommunikationskanälen zwischen den Staaten, ungeachtet der eigenen Bewertung von lokalen Regierungen und ihren Vertreter:innen. Das bedeutet, dass es für die diplomatischen Beziehungen unerheblich sein muss, ob das „Gastland“ stets im Interesse des Staates handelt, für welchen man als Diplomat:in entsandt ist. Es geht darum, so lange wie möglich, gute Beziehungen sicherzustellen und dadurch die Grundlage für konstruktive Zusammenarbeit in der Zukunft (bspw. für internationale Verträge) zu schaffen. Hierbei kann es bisweilen zu Rollenkonflikten des diplomatischen Dienstes kommen. Obwohl Diplomat:innen über indirekte politische Gestaltungsmöglichkeit verfügen (bspw. in bi- und multilateralen Verhandlungen), verfügen sie über kein direktes Mandat, da sie in erster Linie Beamte sind. Das heißt, Diplomat:innen befinden sich in einer ausführenden, repräsentativen Rolle, nämlich in der Interessensvertretung von Staaten und ihren jeweiligen Regierungen. Nur wenige Diplomat:innen sind beispielsweise Mitglied in einer politischen Partei, auch wenn das nicht verboten ist.

Um die eben genannten Aufgaben zu erfüllen, besteht das Aufgabenfeld vor allem in der Beschaffung von lokalen Informationen, die für den eigenen Staat sowie seine jeweiligen Bürger:innen von Relevanz sind. Es kann sich dabei um Staatsgebiete handeln, die aufgrund einer unsicheren Sicherheitslage für (touristische) Reisen ungeeignet sind oder um Informationen aus Ministerien, Gerichten oder zivilgesellschaftlichen Organisationen, die politische oder wirtschaftliche Implikationen beinhalten (bspw. bi- oder multilaterale Freihandelsabkommen, Stimmenkauf vor Wahlen, Korruption oder Gesetzesauslegung bei gesellschaftlichen Minderheiten).

Aufgrund des Gebots der Staatsvertraulichkeit, dürfen Praktikant:innen keine Auskünfte über interne Prozesse oder Informationen erteilen. Was ich jedoch sagen kann, ist, dass meine Tätigkeiten vor allem geistige Arbeit (Recherchen, Schreiben von Reden für die Botschafterin, Protokollführung) beinhalteten.


Tipps für andere Praktikant:innen

Vorbereitung
Gute Recherche über die Länder, für deren Botschaften man sich bewirbt

Beantragung Visum
Ist im Fall von Serbien für dreimonatige Praktika nicht notwendig. Deutsche Staatsbürger:innen dürfen sich innerhalb von 180 Tagen für 90 Tage (drei Monate) visafrei in Serbien aufhalten.

Praktikumssuche
Direkt über das Praktikumsportal des Auswärtigen Amts.

Wohnungssuche
Aufgrund Wohnungsmangel in Belgrad sowie des starken Zuzugs von Geflüchteten aus Russland und mangelnder Sprachkenntnisse meinerseits, habe ich meine Wohnung über AirBnB gemietet.

Versicherung
Es gibt für Auslandspraktika eine Pauschalversicherung des DAAD, die Arbeits-, Unfall- und Krankenversicherung beinhaltet.

Sonstiges
Für Praktika im diplomatischen Dienst ist eine ehrliche und realistische Selbsteinschätzung erforderlich, wie gut man mit „Rollen“ umgehen kann und wie gut man 2-3 Monate im Ausland ohne soziale Beziehungen in einer 40-Stunden-Woche leben kann.

Telefon-/Internetanschluss
Für Serbien empfehle ich den Anbieter „Yettel“. Der einzige, politisch unverfängliche Anbieter des Landes.

Bank/Kontoeröffnung
War nicht notwendig, da ich mit meiner deutschen Kreditkarte gebührenfrei zahlen und gegen eine kleine Gebühr auch Bargeld abheben konnte.

Sonstiges
Der Verkehr in Belgrad ist sehr chaotisch und mit andauernden Staus und entsprechendem Lärm verbunden. Es empfiehlt sich, bei der Wohnungssuche auf die Distanz zur Botschaft/zur Innenstadt zu achten oder sich ein Fahrrad zuzulegen. Sonst wird die Mobilität innerhalb der Stadt schnell schwierig.

Alltag/Freizeit
Ausgehmöglichkeiten
Belgrad hat sich vor ein paar Jahren den Ruf des „neuen Berlins“ erworben aufgrund seines (v.a. in Südosteuropa) beliebten Nachtlebens und der hohen Dichte an Techno-Clubs in alten Industriegebieten und Lagerhallen. So weit würde ich noch nicht gehen, denn Belgrad hat eine ebenso hohe Dichte an traditionellen, teils nationalistischen Gruppierungen und das Stadtbild ist mehr vom Nationalismus als vom Liberalismus geprägt.

Allerdings hat das kulturelle Leben in Belgrad mehr zu bieten, als viele annehmen und auf den ersten Blick sehen würden. Vieles muss man jedoch kennen(lernen) oder selbst entdecken, weil die Kulturszene bisweilen Repressionen ausgesetzt und öffentlich nicht so präsent ist. Wer möchte, findet jedoch auch viele nette Bars, Cafés, Museen, Ausstellungen, Kinos (Tipp: Novi Bioskop Zvezda, ein besetztes tip-based Kino im Zentrum, das sich auf Arthouse spezialisiert hat) oder Boulderhallen im Winter. Wenn es warm ist, empfiehlt sich ein Ausflug zur „Ada“ (= Insel), im Belgrader Westen, mit ihren angelegten Save-Stränden und Waldgebieten.

Sonstiges
Belgrad ist eine fordernde und vor allem im Winter erschöpfende Stadt. Sie hat mehr Ähnlichkeiten mit Istanbul (aufgrund des osmanischen Einflusses) als mit Budapest, das nur vier Autostunden nördlich liegt, oder Berlin. Es ist eine europäische und doch anti-europäische Stadt in einem. Liebe auf den ersten Blick unwahrscheinlich. Für manche jedoch Liebe auf den dritten.

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