Forschungspraktikum an der National Taiwan University

Im Studium ins Ausland zugehen war mein Wunsch schon als ich den Bachelor angefangen habe. Da man für eine Labrotation in meinem Master nicht an der Fremd-Uni eingeschrieben sein muss, erleichterte das die spontanere Bewerbung auf einen Laboraustausch ohne jahrelangen Vorlauf. Ich habe mich für die National Taiwan University in Taipei entschieden, da ich noch nie in Asien war und ein Kommilitone dort schon im Nachbarslabor war und es ihm sehr gefallen hat. Später stellte sich heraus,
dass die NTU sogar die beste Uni Taiwans ist und dort mit einem staunenden „ooooooh!“ auf die Frage nach der Uni geantwortet wird.

Ich schrieb nun im Mai 2023 als erstes Professor Yang am College of Life Sciences an, den mein Kommilitone kannte und er sagte mir zu, ab Herbst 3 Monate Praktikum in einem seiner Labore machen zu können. Dann bewarb ich mich für ein PROMOS Stipendium für das zweite Halbjahr 2023, wofür ich einige Unterlagen benötigte, die ich erst mit unterschriebenem Praktikumsantrag bekäme. Den Praktikumsantrag konnte ich aber erst unterschreiben lassen, wenn ich sicher ein Stipendium bekommen würde. Die Bürokratie war also etwas schwergängig, aber da ich mich 4 Monate vor Abflug erst um den Platz gekümmert hatte, war das verständlich. Auf meine PROMOS Bewerbung schrieb mich die Erasmus+ weltweit Abteilung der FU Berlin an, ich könnte statt des PROMOS ein Erasmus+ weltweit Stipendium mit einer höheren Summe erhalten. Die Zeitumstellung (+7 Stunden in der europäischen Winterzeit) und die Unsummen an Telefongebühren machte es etwas schwieriger, Telefonate für fehlende Dokumente zu führen. Den
Wecker auf 3 Uhr nachts zu stellen und nach mehreren Versuchen endlich jemanden zu erwischen, der halbwegs englisch sprach, war keine Seltenheit.

Nach einigen Verzögerungen durch am Ende unbenötigte Dokumente flog ich nach Taipei und kam um 07:30 Uhr am nächsten Tag in Taipei an. Ich musste eine Arrivalcard ausfüllen und da ich kein Visum hatte, ein geplantes Weiterflugdatum angeben. Dafür hatte ich auch schon das Flugticket (nach Vietnam 2 Monate später), ich musste es aber nicht vorzeigen. Am Flughafenausgang sind einige Stände von Telefonanbietern und Geldwechselstellen, ich habe am Geldautomaten schonmal 20.000 NTD
abgehoben (das Maximum) und mir eine Simkarte für 3 Tage und eine easycard für die öffentlichen Verkehrsmittel gekaftft. Google Translate hat sich schon am ersten Tag als Lebensretter bewiesen, da englisch in Taiwan noch etwas rar ist. Mit der MetroLine bin ich zur Taipei Main Station und von dort mit dem Bus ins Wohnheim gefahren. Es ist alles gut ausgeschildert (auch auf Englisch) und intuitiv, und die Fahrt in der Bahn wird mit einem tollen Ausblick auf ungewöhnliche und erfrischend tropische Vegetation versüßt. Um den richtigen Busabfahrtsort und auch Bus zu finden muss man allerdings schon sein Hirn benutzen, glücklicherweise haben die Buslinien auch eine Nummer, denn die Zahlen sind in arabischen Ziffern geschrieben.

Der Wohnheimplatz hat keine Einrichtung; Matratze und Bettzeug, Lampen, Stecker etc holt man sich am besten am ersten Tag einfach bei Ikea, wenn man es sofort möchte (dadurch umgeht man auch den Jetlag, wenn man dann erst abends schlafen geht, hehe). Ansonsten gibt es jedes Semester Haushaltsauflösungen von den Student:innen, die wieder gehen, die dann ihre Sachen in den Whatsappgruppen verkaufen.

Am nächsten Tag bin ich direkt in die Uni gegangen und habe Professor Yang und die Assistenzprofessorin Nina Cheng getroffen, in deren Arbeitsgruppe „Biochemisty“ ich mein Praktikum gemacht habe. Der NTU Campus ist wundervoll grün, sehr groß, und es gibt mehrere Mensen (auch
vegetarische Buffets). Das Labor war tatsächlich im ältesten Gebäude des Campus, und wird in der kommenden Zeit renoviert. Viele Räume und auch Geräte waren alt und verstaubt, es sind Spinnenweben in jeder Ecke. Fast alle Geräte sind von den bekannten eingängigen Herstellern wie Thermo Fischer, beckmann, eppendorf etc., es ist also keine Umgewöhnung nötig. Das Biochemistry Department im fünften Stock hat mehrere Arbeitsgruppen mit je einem Labor, dort arbeiten meistens 4- 6 Studierende, 1-2 Masteranden und 2-3 Doktoranden, wie auch in Europa üblich. Alle im Labor waren wirklich lieb, ich habe eine Doktorandin als Supervisorin bekommen (sie konnte leider nicht so gut englisch) und sie und die zweite Doktorandin (die sehr gut englisch konnte) haben sich gut um mich gekümmert, wir sind anfangs immer zusammen Mittagessen holen gegangen und auch mal Hot Pot essen.

Essen bestellen auf den Day und Night Markets kann anfangs schon etwas einschüchternd sein.
Oft muss man einfach auf die Bilder deuten und sagen „das da“, sonst bekommt man das Falsche. In 99 % der Fälle sind die Leute super hilfsbereit und warten auch geduldig, bis man etwas gefunden hat, oder laufen bei Wegbeschreibungen einfach mit zum Ziel. Einmal habe ich mein Kopqörer-case am Vortag im Bus liegen lassen und als ich dem Busfahrer mit Händen und Füßen (und Google Translate) erklärt habe, was passiert ist, hat er mich mit dem Bus ins Depot gefahren, wo die Fundsachen lagen. Dort habe ich
das Case wiederbekommen und auf dem Fußweg zurück hat mich ein anderer Busfahrer eingesammelt und bis vor das Wohnheim gefahren.

In meiner Zeit im Labor habe ich einiges Wissen aus der Molekularbiologie wieder aufgefrischt und viele neue Methoden im Umgang mit Arabidopsis thaliana gelernt. Bevor ich meine eigenen Projekte begann, unterstützte ich die ersten Wochen meine Supervisorin, die mir alles Neue zeigte. Nach zwei Monaten war ich sogar so im Thema und meiner Arbeit, dass ich einige Male samstags um zwei Uhr nachts für mehrere Stunden ins Labor ging, um Experimente fortzuführen (die teilweise zeitsensitiv waren).
Viele Student:innen, die ich kennengelernt habe, hatten einen Chinesischkurs und beklagten sich über den großen zeitlichen Aufwand, den man dafür aufbringen muss. Da ich nicht an der Uni direkt eingeschrieben war, konnte ich keinen Kurs umsonst in der Uni machen und habe mich auf Duolingo und Instagram beschränkt, was auch gut funktioniert hat.
Wäre ich länger geblieben, wäre ein Kurs aber sinnvoll gewesen.

Da ich meist mehr als 40 Stunden pro Woche im Labor war, habe ich erst nicht viel von Taiwan gesehen, sondern war eher in Taipei unterwegs. Es gibt überall U-Bikes, die man mit seiner Metrokarte easycard leihen kann. Dazu braucht man die App U-Bikes 2 (nicht 1) aus dem App store und eine taiwanesische Telefonnummer. Einfach alles bestätigen, auch die insurance (man zahlt nichts), sonst kann man nicht fahren. Die easycard ist einfach ein Chip auf der Karte, der Studiausweis der NTU hat auch einen, man kann den Ausweis also als easycard nutzen. Auf die easycard kann man Geld laden und sie für die Öffis benutzen als auch in den convenience stores bezahlen. Man kann auch den T-Pass darauf laden, der 1200 NTD für 30 Tage kostet. Wenn man mehr als zweimal pro Tag oder längere Strecken Öffis fährt, oder gerne Fahrrad fährt, lohnt sich der T-Pass. Damit sind die UBikes die ersten 30 Minuten gratis.
Außerdem sind einige Ausflugsziele um Taipei herum kostenlos zu erreichen (mit Bus oder Bahn). Man kann sich auch ein Fahrrad kaufen, es gibt immer wieder Fahrradversteigerungen (klapprige ältere Räder für 20-50€, aber funktionieren) auf dem NTU Campus. Wenn man ein eigenes Fahrrad hat, muss man das aber am Campus (weiß nicht genau, wo) anmelden und man bekommt einen Zettel. Den hängt man an sein Rad und dann darf man es auch auf dem Campus an den Fahrradständern abstellen. Ohne diese Anmeldung riskiert man, dass das Rad abgeschleppt und wieder versteigert wird.


Tipps für andere Praktikant:innen
Vorbereitung
Es gibt jedes Semester eine neue Whatsappgruppe für internationale Studis in Taipei, die ist meist so 500-1000 Leute groß. Da sind auch Tutoren und Taiwanes:innen drin, die bei allen Fragen helfen.
Vor dem Flug informieren, ob man ein Weiterflugticket bei der Einreise benötigt (kommt auf das Visum an). Der Health Check für die Uni kann auf dem Campus gemacht werden, dort ist das Health Center. Keine tierischen Produkte mit ins Land nehmen (zumindest Fleisch, eine Packung Käse ist
glaub ich ok), man riskiert sonst eine Geldstrafe.
Für die Uni dort braucht man einen Health Check (Vordrucke sind auf deren Uniwebseite, oder schreibt an das Office of International affairs), dazu gehört auch ein Brust-Röntgenbild, um Tuberkulose auszuschließen. Das macht man am besten in Deutschland schon, die Ärzte hier kennen
das Prozedere  schon für Auslandssemester.
Wer einen Führerschein hat, kann für etwa 15 € in Deutschland einen international drivers license erwerben, dann ist es einfacher, in Taiwan (oder beim Reisen) Autos oder Roller zu mieten.

Beantragung Visum
Ich habe mich in anderen Erfahrungsberichten, auf der Bundesministeriumswebseite und durch Mailverkehr mit dem Bundesministerium erkundigt und beschlossen, kein Visum zu beantragen. Der deutsche Pass beinhaltet 90 Tage visafreie Einreise in Taiwan, die immer erneuert werden, wenn man 24 Stunden in ein anderes Land reist. Ein kleiner Wochenendausflug nach Vietnam zum Beispiel.
Vorsicht jedoch – manchmal muss man bei der Einreise in ein visafreies Land schon ein Weiterflugticket mit Datum innerhalb der nächsten 90 Tage vorweisen. Wenn man das noch nicht planen will, gibt es Webseiten, die für ca. 10 Euro ein „Fake-Flugticket“ erstellen. Dann kann man einreisen und entspannt buchen, wenn man weiß, wann und wo es hingehen soll.

Praktikumssuche
Ich habe dem Abteilungsleiter des College of Life Sciences Dr. Yang eine Mail geschrieben und gefragt, ob ich im Herbst 2023 ein dreimona&ges Praktikum in seiner Abteilung machen könne.
Nachdem wir grob besprochen hanen, welche Projekte ich dort machen könnte, habe ich für die Prüfungskommission der FU Berlin den Antrag auf ein benotetes Forschungsmodul erstellt und mich damit auf das Stipendium beworben (das Anfangsdatum einfach auf ein ungefähres gelegt, weil ich
nicht wusste, wie lange das mit dem Stipendium dauert und welchen Flug ich buchen werde).

Wohnungssuche
Mein Professor dort wollte, dass ich einen Platz in einem der Studierendenwohnheime und einen Studierendenausweis der NTU bekomme. Dazu bewarb ich mich als „Research Visiting Student“ für
90-180 Tage an der NTU, was 30.000 New Taiwan Dollar (etwa 870 Euro) kostete. Ich habe für die Zeit des Praktikums einen Platz in einem Viererzimmer im Yuantong Wohnheim der NTU bekommen, das leider etwas außerhalb lag, aber wie alle Wohnheime dort etwa 120 Euro pro
Monat kostet. Strom muss man extra zahlen, das sind aber je nach Nutzung (vor allem der Klimaanlage) zwischen 10-30 Euro im Monat. In diesem Viererzimmer hatte jeder ein Hochbett und darunter einen kleinen
Schreibtisch mit Schrank. Das Bad befand sich im Zimmer in einem extra Raum (ohne Tür), die Toilette darin war nur durch eine Tür vom Bad getrennt, die nicht an den Boden bzw die Decke reichte. Mit der Sauberkeit der Mitbewohner:innen muss man wie überall Glück haben. Die Wohnheime sind alle ähnlich aufgebaut, es gibt für Studenten, die dort ein ganzes Semester oder länger studieren auch die Möglichkeit, direkt auf dem
Campus einen Platz in einem Wohnheim zu bekommen.
Bei Ankunft an der NTU sollte man den Preis für den vollen Zeitraum zahlen, den man im Wohnheim wohnt. Nach Besichtigung des Zimmers entschloss ich mich, dort erstmal nur einen Monat zu bleiben und mir dann etwas niveauvolleres zu suchen. Der Wohnungsmarkt ist ähnlich zu
Deutschland, durchschninlich zahlt man 400-500 Euro im Monat für ein WG-Zimmer, mehr für ein Studio. Man findet Wohnungsangebote unter taipeihouse.net, auf facebook Gruppen, in studentischen Whatsappgruppen und ein paar anderen Webseiten.

Versicherung
Der Einfachheit halber habe ich die DAAD Auslandsversicherung Tarif 729 gewählt. Dort sind Kranken-, Auslands- und Unfallversicherung enthalten.

Sonstiges
In Asien sind Glücksspiele und Geld ein großes Ding. Bei der Einreise in Taiwan kann man bei einer Lonerie für internationale Reisende mitmachen und Geld gewinnen, googlet einfach mal danach.
Man bekommt auch bei allen Sachen, die man kauft, einen Beleg mit 2 QR Codes und einer Zahl darauf. Alle 2 Monate werden unter allen diesen Belegen wieder Geldgewinner ausgewählt, am besten nach „receipt lonery Taiwan“ googlen.

Formalitäten vor OrtTelefon-/Internetanschluss
Am Flughafenausgang gibt es mehrere Stände von Telefonanbietern. Mobile Daten sind sehr viel günstiger als in Europa und es gibt auch überall Empfang. Das Äquivalent zu Telekom ist Chunghwa Telecom, blau-grünes rundes Symbol. Ich habe mir am Flughafen eine 3-Tages-Simkarte geholt, und dann in den nächsten Tagen einen Chunghwa Laden in der Stadt besucht. Es gibt dort nämlich für Studenten günstigere Tarife, zB unlimited Data für verschiedene Zeiträume. Ich habe 60 Tage für 1200 NTD (etwa 35 Euro) gehabt, ohne Visum kann man nicht mehr als 60 Tage kaufen. Nach den 60 Tagen hab ich einfach wieder dasselbe neu gekauft, die Nummer und Simkarte kann man behalten.
WLAN gibt es auch fast überall gratis, auch im Wohnheim und in der Uni natürlich.

Bank/Kontoeröffnung
Habe ich nicht gemacht, ist aber sinnvoll zum Miete bezahlen (wenn man privat was sucht, wobei viele Vermieter auch Bargeld wollen) oder Auto mieten etc. Geht anscheinend relativ einfach, man braucht aber eine ARC Card. Das wird aber alles erklärt und man kann auch Kommilitonen oder die
Uni fragen.

Alltag/Freizeit
Ausgehmöglichkeiten
Gibt es ausreichend, sogar einen Berlin-style gay-friendly Technoclub (pawnshop, auf resident advisor oder instagram steht die Adresse) und einige weitere (studios, grey area), aber das ist der beste. In den Studi-Whatsappgruppen gibt es auch immer Aktionen und man findet sich zusammen.
Der Maji Square zum Beispiel ist ein größerer Bereich mit mehreren Bars und Pop-Song-Clubs, wo immer viel los ist.

Sonstiges
Es gibt zum CSD pride parades in den größeren Städten wie Taipei und Kaohsiung, Taiwan ist ein demokratisches und fortschrinliches Land. <3
In den Drogerien (watsons, poya = wie dm und Rossmann) gibt es alles, was es in Deutschland auch gibt, wenn nicht sogar mehr (asiatische Skincare), man muss nichts mitnehmen. Es gibt aber kein elmex gelee und auch nicht wirklich Haarprodukte für Locken.
Friseure sind ziemlich günstig, also wartet mit Haarschneiden oder Färben bis ihr in Asien seid, hehe.

Im Wohnheimszimmer war es etwas dreckig und ich wollte zum Putzen einen guten Lappen haben.
Es gibt dort keine Schwammtücher (musste erst googlen wie die heißen, haha). Habe mir von neu nach Taipei kommenden Studis dann welche mitbringen lassen.
Second Hand shopping macht noch richtig Spaß dort, es gibt ziemlich coole Teile, zum Beispiel in der japanischen Kene „2nd street“. Viel Spaß beim Stöbern!
Die Küche in Taiwan hat mich etwas negativ überrascht, es ist sehr fleischlastig (vor allem auf den nightmarkets, passt auf mit fritierten Dingen) und es gibt viel Glibberiges, und man möchte den originalen Geschmack der Zutaten schmecken. Das bedeutet, es ist viel ungewürzt und für Europäer vielleicht etwas flau. Bei happycow.net z.B. gibt es Listen mit vegetarischen Restaurants.

In Taiwangibt man kein Trinkgeld.
Leitungswasser sollte man vor dem Trinken kochen (man fällt aber nicht tot um wenn man es doch mal trinkt). Es gibt Fitnessstudios (das an der NTU ist am günstigsten), bei externen Gyms sollte man jemanden mit einem günstigen Vertrag finden, und diesen Vertrag dann im Gym vorzeigen „so
einen Vertrag will ich“, anscheinend verkaufen die sonst jedem etwas anderes.
Gute Pizza gibt’s bei Gusto Pizza. Ich habe in keiner Wohnung, in der ich war (auch bei Freunden),einen Ofen gesehen, das gibt’s wohl einfach nicht in Taiwan.

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