Praktikum bei der Landesvertretung Baden-Württembergs in Brüssel

Das Pflichtpraktikum im Rahmen des Monobachelors Politikwissenschaften am Otto-Suhr-Institut der FU absolvierte ich in der Landesvertretung des Landes Baden-Württemberg in Brüssel.

Diese hat das Ziel, das Land Baden-Württemberg und die derzeitige Landesregierung bei den Europäischen Institutionen zu vertreten, ist allerdings nicht institutioneller Teil dieser, sondern ist an das Staatsministerium Stuttgart angegliedert und funktioniert daher eher wie eine Lobbyvertretung, ähnlich den Lobbyvertretungen anderer Verbände oder Firmen.

Die Belegschaft der Landesvertretung umfasst circa 35 Mitarbeiter*innen, wobei je nach Veranstaltungskalender noch Servicepersonal, Sicherheitspersonal und Reinigungspersonal hinzukommt. Ich war zwei Referentinnen zugeordnet, die den Bereich des Ministeriums für Landwirtschaft und ländlichen Raum (MLR) abdeckten. Diese beschäftigten sich inhaltlich vorrangig mit den Themen Landwirtschaft, Kohäsionspolitik, ländlicher Raum, Tierwohl, Fischerei, Bioökonomie, Forstwirtschaft und Biodiversität. Die Aufgabe meiner Vorgesetzten war es, politische Entwicklungen in den Organen der EU, also dem Parlament, der Kommission und dem Rat, auf diese Themenfelder bezogen zu beobachten und darüber Bericht ans Staatsministerium zu erstatten. Weiterhin organisierten diese Veranstaltungen in der Landesvertretung, um relevante Akteure und Personen zusammenzubringen, und so potenziell Einfluss auf die politischen Prozesse der EU nehmen zu können.

Zu meinen Aufgaben zählte es, bei koordinativen und kommunikativen Aufgaben zu unterstützen, wie beispielsweise eine tägliche Presseübersicht zu erstellen, Berichte zu verfassen und bei Veranstaltungen behilflich zu sein. Die Bewerbungsphase verlief recht reibungslos. Durch eine Bekannte, die im öffentlichen Dienst tätig ist, erfuhr ich von der Tätigkeit der Landesvertretung Baden-Württemberg und bewarb mich auf regulärem
Wege. Ich wurde ohne Vorstellungsgespräch relativ schnell angenommen und konnte mir den Tätigkeitsbereich sowie den Zeitraum des Praktikums aussuchen. Allerdings wurde ich leider nach Beginn dem Bereich des MLR zugeordnet, obwohl ich eigentlich eine Zusage für den Bereich des Umweltministeriums (Verkehr und Umwelt) erhalten hatte.

Ziel des Praktikums war es für mich, einen Einblick in die Schnittstelle zwischen Landespolitik und Europapolitik zu bekommen sowie die komplexen Strukturen der Europapolitik besser zu verstehen und direkte Einblicke in informelle Prozesse zu erhalten. Außerdem erhoffte ich mir einen Einblick in die aktuellen Arbeitsbedingungen des öffentlichen Dienstes und die Abläufe des deutschen Verwaltungswesens.

Der Arbeitsalltag war relativ unflexibel, da sich die Arbeitszeiten von 9:00 bis 17:30 täglich erstreckten und je nach Betreuer*in mehr oder weniger genau eingehalten werden mussten. Außerdem standen von Montag bis Freitag öfter Abendveranstaltungen an, bei denen wir Praktikant*innen unterstützen mussten, wodurch ein Arbeitstag auch schnell 10 Stunden umfassen konnte. Das Arbeitstempo war relativ unstet, da in ruhigen Phasen fast keine Arbeit und in dichteren Phasen sehr viel dringend zu erledigende Arbeit anstand. Die Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen beschränkte sich größtenteils auf die des Veranstaltungsteams, das für die Organisation von Panels, Vorträgen oder Konferenzen zuständig war, und für Absprachen hinzugezogen wurde. Jedoch fehlte oft der Austausch mit anderen Referent*innen, wie etwa den Umweltreferent*innen, was sicherlich spannend und hilfreich für die Arbeit gewesen wäre, da sich die Themen häufig überschnitten.
Meine Tätigkeiten waren vor allem das Verfassen von Berichten, die tägliche Presseübersicht zu den relevanten Themen meiner Vorgesetzten, Tätigkeiten wie das Sortieren und Weiterleiten von internen diplomatischen Dokumenten, Protokollieren von Parlamentssitzungen des EU-Parlaments und von Arbeitskreisen und Briefings des Ständigen Vertretung Deutschlands sowie vereinzelt eigenständige Hintergrundrecherche zu aktuell relevanten Themen. Außerdem begleitete ich meine Vorgesetzten zu Arbeitskreisen, Briefings und Empfängen und ging eigenständig zu Veranstaltungen, um anschließend einen Bericht zu verfassen. Darüber hinaus unterstützte ich das Veranstaltungsteam bei Veranstaltungen im Haus mit Tätigkeiten wie der Ausgabe von Headsets oder der Kontrolle am Einlass.
Die Aufgaben waren daher meist relativ eng vorgegeben, und es gab wenig Raum für eigene Ideen. Allerdings erforderte es viel eigenständige Initiative, sich in komplexe Themen und Prozesse ausreichend einzuarbeiten, um einen qualifizierten Bericht darüber erstellen zu können. Auch war die Betreuung und Einarbeitung durch meine Vorgesetzten eher dünn, und es gab keine Übergabe mit meinem Vorgänger, weshalb die Einarbeitung relativ mühsam verlief. Die Vorstellungen meiner Vorgesetzten bezüglich meiner Arbeit waren relativ genau, obwohl ich gerade in den ersten Wochen sehr wenig Feedback erhielt, was meine Arbeit und meine Einschätzung meiner eigenen Arbeitsleistung sowie mein Wohlbefinden erheblich einschränkte. Hier wäre mehr Kontextualisierung, eine ausführlichere Einarbeitung und genauere Anweisungen, was die Anforderungen angeht, sicherlich hilfreich gewesen. Gleichzeitig gab es wenig Raum, Aufgaben in meinem eigenen Tempo zu erledigen, da die Aufgaben sehr unregelmäßig an mich gesendet wurden und kein wöchentlicher Jour Fix, obwohl am Anfang so angekündigt, erfolgte. Das erschwerte es erheblich, das Zeitpensum für Aufgaben einzuschätzen; sehr dichte Arbeitstage und Tage, an denen ich stundenlang keine Aufgabe hatte, wechselten sich ab. Daher hatte ich häufig Aufgaben, diese beschränkten
sich aber oft auf das Protokolle oder Berichte schreiben und waren nach dem ersten Monat relativ repetitiv.
Auf der anderen Seite hatte ich meistens auch bei größeren Veranstaltungen, wie der Verbrauchsministerkonferenz, dem Ministerkabinettstreffen und dem jährlichen Neujahrsempfang des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, bei der ich keine inhaltliche Aufgabe während der Veranstaltung hatte, eine organisatorische Aufgabe, was interessanter war als lediglich zu hospitieren.

Persönlich am ergiebigsten waren für mich die eigenständigen Rechercheaufgaben im Vorfeld der Bioökonomie-Konferenz und die
Recherchen zu den Hintergründen der Bauernproteste, wo ich die im Studium erworbene Kompetenz der Recherche und der Kurzzusammenfassung anwenden konnte. Die Form der Berichte, Protokolle und Vermerke hingegen war sehr fern meiner Arbeitsweise im
Studium und fiel mir dementsprechend schwerer. Außerdem bereichernd waren die Sitzungen und Veranstaltungen, die sich inhaltlich mit Themen und aktuellen Problemen beschäftigten und nahe an den Institutionen der EU angesiedelt waren. Die Veranstaltungen hingegen, die vor allem auf Austausch und Kennenlernen abzielten, empfand ich in meiner Position als Praktikant*in als relativ uninteressant, da es hier vorrangig um das Bilden von Kontakten ging.

Trotz allem war es interessant zu sehen, wie der Alltag in der „EU-Bubble“ aussieht und in welchen unterschiedlichen Verbänden und Institutionen zu Policy-Prozessen auf unterschiedlichste Art und Weise gearbeitet wird –
und wie viel „Drumherum“ wie Catering, Empfänge und soziale Events zum Arbeitsalltag gehören. Die an mich gestellten Anforderungen konnte ich gut bewältigen, hatte allerdings erst gegen Ende des Praktikums das Gefühl, einen besseren Einblick in die politischen Abläufe bekommen zu haben, und dementsprechend erst dann wirklich die Kompetenz erworben, wirklich fundierte Berichte zu schreiben. Die anderen Tätigkeiten waren wenig komplex, weshalb ich diese von Anfang an gut bewältigen konnte und eher
das Gefühl hatte, generell unterfordert zu sein. Fachkenntnisse aus dem Studium konnte ich methodisch in meiner eigenständigen Recherchearbeit einbringen sowie meine Kenntnisse auf die politischen Abläufe der EU-Politik einbringen sowie ausbauen.
Die Betreuungssituation war eher schlecht, da die Praktikumsbetreuerin, die für die Betreuung aller Praktikant*innen zuständig war, bereits in meiner ersten Woche nicht anwesend war, sowie auch in meiner letzten Arbeitswoche fehlte. Somit war die Betreuung am Anfang und am Ende, aber auch während des Praktikums eher lückenhaft.
Auch meine Vorgesetzten (die beiden Referentinnen) konnten mich am Anfang nicht einarbeiten, da eine wichtige Veranstaltung bevorstand. Diese Lücke wurde durch die Weihnachtsferien noch vergrößert, was nach den Weihnachtsferien zu einer etwas belasteten Situation führte. Aufgrund des hohen Stresslevels meiner Vorgesetzten, der räumlichen Trennung meines Büros auf einem anderen Stockwerk und meiner anscheinend fehlenden Einarbeitung aber auch dem geringen Feedback in den ersten vier Wochen des Praktikums fühlte ich mich nicht in der Lage versetzt, zufriedenstellend
arbeiten zu können. Mir wurde etwa kommuniziert, dass es viel zu tun gebe, ich aber nicht eingearbeitet werden könne, aufgrund deren hohem Arbeitspensum, wodurch ich einige Tage lang keine Aufgaben hatte. Ich versuchte dies zu lösen, indem ich proaktiv kommunizierte, dass ich gerne unterstützen würde und bat um Feedback. Leider bekam ich aber eher das Gefühl zu stören, wenn ich nachfragte, wie genau oder bis zu welcher Frist Aufgaben erledigt werden sollten, und aufgrund der fehlenden Rückmeldung zu meiner Arbeit, darunter einer einwöchigen Recherchearbeit, empfand ich die Wertschätzung meiner Arbeit als eher gering. Daher gab es sowohl Wissenslücken als auch Kommunikationsschwierigkeiten.

Weiterhin kam Ende des zweiten Monats meines Praktikums ein zweiter Praktikant, der von einer meiner Vorgesetzten überproportional viel gelobt wurde, während ich eher kritisiert wurde. Außerdem wurde er allein auf einen Termin geschickt, obwohl ich aufgrund meiner Arbeitserfahrung im Praktikum die naheliegendere Person hierfür gewesen wäre. Daher machte sich das Gefühl breit, dass eine Abneigung gegen mich persönlich bestand, was sich allerdings nicht nachprüfen oder klären ließ. Ich löste das Problem, indem ich klar kommunizierte, dass ich mir mehr Feedback wünsche und indem ich proaktiv nach Aufgaben fragte.

Insgesamt hätte ich mir allerdings mehr und eine klarere Kommunikation von Seiten meiner Vorgesetzten bezogen auf Inhalte, Abgabefristen, Arbeitszeiten und Aufgabenpensum gewünscht. Dies kommunizierte ich auch im Abschlussgespräch, das ich aber leider ebenfalls initiieren musste. Dies trug nicht direkt zu einer ausführlichen Klärung bei, brachte aber dennoch einen konstruktiven Abschluss. Eine Klärung hätte unmittelbar erfolgen müssen, zu diesem Zeitpunkt war die Praktikumsbetreuerin, die für solche Probleme zuständig gewesen wäre, aber leider nicht anwesend. Überdies hatte ich den Eindruck, dass allgemein wenig Konfliktlösungsbereitschaft im Haus allgemein bestand und sah somit
wenig Chancen für eine gute ausführliche Klärung ohne etwaige Nachteile für den Rest der Praktikumsdauer. Daher entschied ich mich dafür, meine Arbeitsbereitschaft klar zu signalisieren und Aufgaben gut und zügig zu bearbeiten, mich aber soweit wie möglich emotional vom Stresslevel meiner Vorgesetzten und der etwaigen Ungleichbehandlung meines Praktikumskollegen und mir zu distanzieren.
Insofern lernte ich auch viel über Konfliktlösungsstrategien am Arbeitsplatz, was keine angenehme, aber dennoch eine nützliche Erfahrung war. Viele der Probleme besprach ich mit den anderen Praktikant*innen, die ebenfalls von ähnlichen Problematiken berichteten. Insgesamt hatte ich leider den Eindruck, dass das Arbeitsklima insgesamt eher schlecht war und es sehr viele Spannungen zwischen den Mitarbeiter*innen sowie auch der Führungsetage gab. Ebenfalls zu erwähnen ist, dass die Bezahlung mit 450 Euro recht gering war und der Eindruck entstand, dass die Praktikant*innen vor allem für die Aufgaben während Veranstaltungen gebraucht wurden, aber es nicht genug inhaltliche Aufgaben gab, um diese adäquat auszulasten, mit interessanten Tätigkeiten zu betrauen oder bessere Einblicke in die Prozesse der EU-Politik zu ermöglichen, was ich mir von einem Praktikum erwartete. Stattdessen war mein Eindruck, dass die Praktikant*innen eher als günstige Arbeitskraft eingesetzt wurden und die Praktikumserfahrung stark von der direkt zugordneten vorgesetzten Person abhing. Bei circa 35 Mitarbeiter*innen, davon 15 im Veranstaltungsteam und zeitweise bis zu 12 Praktikant*innen, liegt die Annahme nahe, dass es eigentlich nicht ausreichend inhaltliche Aufgaben gab, um alle mit sinnhaften Tätigkeiten zu betrauen. Manche Aufgaben, vor allem das Protokoll schreiben, erschien vielen von uns eher als „Beschäftigungstherapie“.

Abgesehen davon konnte ich mein Wissen im Bereich der EU-Politik durchaus ausbauen sowie meine Auffassungsgabe und die Fähigkeit, wichtige von unwichtigen Informationen zu trennen, was vor allem beim Protokollschreiben gefordert war. Ich erhielt Einblicke in die fachliche, politische und soziale Konstruktion und informelle Policy-Prozesse, die ich
ohne dieses Praktikum nicht hätte erwerben können. Trotzdem hätte ich mir mehr Einblicke gewünscht und hatte den Eindruck, dass dies mit relativ wenig Aufwand meiner Vorgesetzten gut möglich gewesen wäre. Ebenfalls fand ich besonders die Begegnungen mit hohen Politiker*innen und die Beobachtung von High-Politics-Veranstaltungen, wie die Verbrauchsministerkonferenz in Anwesenheit eines Kommissars, sowie der
alljährliche Neujahrsempfang mit dem baden-württembergischen Ministerpräsident Winfrid Kretschmann, und die Einblicke der komplexen, aufwändigen und kostspieligen Organisation im Voraus äußerst interessant.

Insgesamt hat mich das Praktikum bezogen auf mein zukünftiges Berufsleben leider eher entmutigt, da mich die starren Verwaltungsstrukturen und das angespannte Arbeitsklima eher abgeschreckt haben und wenig zukunftszugewandt sind. Da eine Tätigkeit in der Verwaltung ohnehin nicht meine erste Wahl bezüglich der Berufswahl ist, hat mich das Praktikum eher darin bestätigt, dass diese Tätigkeit, zumindest in der jetzigen Form an dieser Stelle, ungeeignet für mich ist. Überdies hätte ich mir mehr inhaltliche Arbeit gewünscht, die sich kontinuierlicher mit einem bestimmten Gegenstand befasst, da die beobachtende Tätigkeit eines so breiten Themenspektrums sowie die Beobachtung diplomatisch-politisch komplexer Prozesse sehr frustrierend, sprunghaft und unübersichtlich sein kann. Überdies kann ich mir vorstellen, dass ein Praktikum in der Kommission oder dem EU-Parlament dahingehend ergiebiger gewesen wäre, da dort an Gesetzesentwürfen gearbeitet und politische Entscheidungen gefällt werden und die Abgeordneten bzw. Kommissar*innen näher an konkreten Inhalten arbeiten, statt lediglich ein breites Feld an aktuellen Geschehnissen von außen zu beobachten.
Ich würde ich Praktikum eingeschränkt empfehlen. Die Stadt Brüssel hat mir sehr gut gefallen; jedoch würde ich aufgrund der geschilderten Gegebenheiten ein Praktikum in der Landesvertretung Baden-Württemberg nur bei einem hohen Interesse an der EUPolitik empfehlen und wenn der*die potenzielle Praktikant*in eine hohe Bereitschaft der eigenständigen Einarbeitung oder bereits viel Vorwissen mitbringt. In jedem Fall würde ich nicht mehr als drei Monate Praktikum in der Landesvertretung empfehlen, da ich den Eindruck hatte, dass es nach drei Monaten Praktikum für mich in diesem Setting nicht mehr viel Potenzial für neue Lernerfahrungen gab.

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