Mein Pflichtpraktikum im Rahmen meines Masterstudiums der Politikwissenschaft absolvierte ich im Sozialreferat der Deutschen Botschaft in Paris. Ich hatte das Glück knapp sechs Monate dort zu verbringen und so einen vertieften Einblick in die Arbeit in der Botschaft und im Sozialreferat zu gewinnen.
Die Botschaft in Paris hat ca. 200 Mitarbeiter*innen, da Frankreichs eines der wichtigsten, wenn nicht sogar das wichtigste Partnerland Deutschlands ist. In Paris sitzen auch die ständigen Vertretungen zur UNESCO und zur OECD.
Das Sozialreferat ist Teil der Politischen Abteilung der Auslandsvertretung. Die Sozialreferentin Julia Jauer, die meine Betreuerin war, ist entsandt aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS). Auch in anderen großen Auslandsvertretungen gibt es Sozialreferent*innen, diese können auch aus dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSJ) entsandt sein. Das Sozialreferat arbeitet nicht nur mit dem Auswärtigen Amt (AA) zusammen, sondern vor allem eng mit den drei Sozialministerien und arbeitet ihnen zu. Aufgabe des Sozialreferats ist es die deutschen Ministerien zu den relevanten Themen zu informieren, Netzwerke in Frankreich zu knüpfen und auch den französischen Ministerien wiederrum politische Prozesse in Deutschland nahezubringen.
Zu meinen Aufgaben gehörten das Verfolgen des tagespolitischen Geschehens in Zeitungen, den sozialen Medien und Regierungsveröffentlichungen zu den Themen des Sozialreferats, etwa Gesundheit, Gleichstellung, Arbeit und Soziales. Außerdem war ich an der Organisation von botschaftseigenen Veranstaltungen beteiligt. Des Weiteren recherchierte ich zu verschiedenen Themen, wozu auch die Teilnahme an und die Berichterstattung über Veranstaltungen gehörte und war an dem Verfassen sogenannter „Diplomatische Korrespondenz“ beteiligt. Für die paralympischen Spiele bereitete ich zwei Besuchsreisen vor und begleitete eine Delegation zu ihren Terminen.
Ich kannte das Konzept der Sozialreferate mit den entsandten Referent*innen vorher nicht, aber hatte mich schon in meiner Bachelorarbeit mit sozialpolitischen Themen beschäftigt. Mir kam ebenfalls zu Gute, dass ich bereits drei Jahre in Frankreich gelebt habe. Zum einen habe ich einen deutsch-französischen Freiwilligendienst bei Dijon absolviert, zum anderen habe ich im Bachelor an der französischen Universität Sciences Po in Nancy studiert, und kann dementsprechend sehr gut Französisch sprechen und schreiben und kenne das Land sowie das politische System ziemlich gut.
Ziel des Praktikums war, die Arbeit im AA kennenzulernen, da mich eine Karriere dort interessieren würde. Durch das Sozialreferat habe ich noch mehr als das erreicht, da ich auch Einblicke in andere Ministerien gewann. Ich habe mir erhofft, über das Sozialreferat hinaus auch andere Abteilungen der Botschaft kennenzulernen, was ebenfalls funktioniert hat.
Das Praktikum wurde mit einer Aufwandsentschädigung in Höhe von 450,00 Euro monatlich vergütet. Leider werden diese aus Verwaltungsgründen erst am Ende des Praktikumszeitraums überwiesen. Die Aufwandsentschädigung ist nicht hoch, glücklicherweise habe ich für den Praktikumszeitraum 5596,00 Euro Erasmusförderung erhalten. Außerdem erhalte ich ein Stipendium der Studienstiftung, welches monatlich den individuellen Bafög-Satz und 300 Euro Studienkostenpauschale umfasst. So konnte ich mir das Leben in Paris gut finanzieren.
Struktur der Botschaft
In der Botschaft gibt es verschiedene Abteilungen, mit denen ich teils mehr, teils weniger zu tun hatte. In der obersten Etage sitzt die Leitungsebene, das bedeutet der Botschafter, der Gesandte (das ist der Stellvertreter des Botschafters) und ihre Sekretärinnen. Mit dem Botschafter sprach ich zweimal ausführlicher bei Praktikant*innen-Gesprächen, bei denen er sich Zeit nahm uns kennenzulernen, unsere Fragen zu beantworten und von sich zu erzählen. Über den Gesandten erfuhr ich mehr, als ich seinem Gespräch mit einer Besuchergruppe der German Society Sciences Po beiwohnte. Gleich unter der Leitung befindet sich die politische Abteilung und der Sprachendienst, der offizielle Texte auf französisch prüft oder ggf. in Französische übersetzt. Weitere Abteilungen sind der Militärattachéstab, die Presseabteilung und Öffentlichkeitsarbeit, die Abteilung für Wirtschaft, Finanzen, Landwirtschaft und Wissenschaft, die Kulturabteilung, die Rechts- und Konsularabteilung und die Verwaltung. Die Rechts- und Konsularabteilung befindet sich in einer anderen Liegenschaft.
Die Botschaftsangehörigen kommen nicht unbedingt vom AA, sondern können auch entsandt sein, etwa von der Bundesbank, vom Bundesministerium des Inneren oder der Bundeswehr. Die Bundespolizei verantwortet die Sicherheit der Auslandsvertretung. Außerdem gibt es auch lokale Beschäftigte.
Aufgaben
Im Rahmen meines Praktikums nahm ich an diversen Konferenzen teil und erstattete darüber Bericht, z.B. „Diaspora, Städtediplomatie: Herausforderungen und Chancen“ von der Stadt Paris in Kooperation mit der Vereinigung frankophoner Städte, oder einer Konferenz zum Thema sinkende Geburtenrate von Transitions démographiques, transitions économiques und dem Institut de la Recherche der Caissse des Dépôts, um nur zwei zu nennen.
Ich war an der Organisation zweier Veranstaltungen der Botschaft selbst beteiligt, einmal betreute ich die Veranstaltung des Thinktanks „Institut du Genre en Géopolitique“ zum Thema Feministische Außenpolitik. Dies beinhaltete die inhaltliche Vorbereitung der Veranstaltung, das Verfassen des Grußworts des Gesandten, und das Erstellen eines Vermerks. Auch unterstützte ich die Vorführung des Films Coming Out (1989) im Goethe Institut Paris anlässlich des Pride Month, war an den Vorbereitungen mit den Verantwortlichen im Goethe Institut und Pride House beteiligt und habe Social Media Beiträgen verfasst.
Bei Veranstaltungen in der Botschafterresidenz unterstützte ich etwa beim Einlass und an der Garderobe und hatte so die Ehre anregenden Podiumsdiskussionen beizuwohnen und an Empfängen im altehrwürdigen Palais Beauharnais teilzunehmen.
Eine typische Aufgabe in meinem Praktikum war die Erstellung von Lebensläufen zur Vorbereitung von Gesprächsterminen. Zu meinen Tätigkeiten zählten ausführliche Recherchen zu diversen Themen, im Bereich Jugend Pflichtdienste und Grenzüberschreitende Ausbildung und Auslandsaufenthalte in der Ausbildung, im Bereich Gesundheit Entkriminalisierung von Sterbehilfe und Palliativstrategie, sowie Medikamentenfinanzierung und Lieferengpässe und im Bereich Arbeit und Soziales Produktivitätsrückgang in Frankreich, Reform der Arbeitslosenversicherung, Arbeiten während der Rente, und Algorithmus, der verwendet wird, um Fehler bei Anträgen für Sozialleistungen aufzudecken. Bei diesen Recherchen kam ich auch in Berührung mit anderen Abteilungen der Botschaft, beispielsweise bei dem Thema Sterbehilfe mit der Rechts- und Konsularabteilung, da es sich auch um eine rechtliche Frage handelt. Mit dem Wissenschaftsreferat arbeitete ich zum Thema grenzüberschreitende Ausbildung zusammen und mit dem Finanzreferat zu den Themen Rente und Produktivität. Das Sozialreferat hat ebenfalls Überschneidungen mit dem Militärattachéstab in dem Themenbereich Pflichtdienste.
Über die Politikbeobachtung kam ich dazu meinen eigenen Schwerpunkt zu entwickeln. Ihn setzte ich bei dem Thema LGBTQI+-Rechte, indem ich einen Bericht über die aktuelle Lage in Frankreich anregte, zum ersten wegen konkurrierender Gesetzesvorschläge, die die medizinische Transitionen erleichtern bzw. erschweren sollten, zum zweiten wegen einer öffentlichen Debatte über ein transfeindliches Buch, und zum dritten wegen dem besorgniserregenden Anstieg queerfeindlicher Angriffe in Frankreich. Die deutsche Botschaft in Paris ist Teil eines Botschaftsnetzwerks gleichgesinnter Botschaften namens „Ambassades pour L’égalité“. Diese Botschaften nehmen bereits seit mehreren Jahren gemeinsam am Pariser Pride March (Marche des Fiertés) teil. Ich war an zwei Vorbereitungssitzungen hierfür beteiligt, informierte die Botschaftsangehörigen über die Teilnahme, nahm selbst mit den Botschaftsangehörigen teil und bereitete einen Social Media Post vor.
Das Sozialreferat verfasst jedes Jahr einen Sozialpolitischen Jahresbericht. Während ich den für 2023 lektorierte, verfasste ich für 2024 einen halbseitigen Abschnitt zum Thema Gleichstellung und Olympische Spiele, wobei sich Gleichstellung sowohl auf die Gleichstellung der Geschlechter als auch auf LGBTQI+-Rechte bezieht.
Einen großen Teil meines Praktikums nahm die Vorbereitung und Begleitung von zwei Besuchsreisen während der paralympischen Spiele ein für den Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung Jürgen Dusel und für den Staatssekretär im BMAS Dr. Rolf Schmachtenberg. Ich übernahm die Planung und Anfragen an Gesprächspartner, außerdem führte ich vorbereitende inhaltliche Recherchen durch und verfasste einen Hintergrundsachstand zur Inklusion behinderter Arbeitnehmender. Auch nahm ich an Vorbereitungstreffen mit dem Deutschen Behindertensportbund und den Büromitarbeiter*innen teil. Da die Besuche zeitgleich erfolgten übernahm ich die Begleitung der Delegation des Behindertenbeauftragen zu diversen Terminen; mit der für Menschen mit Behinderung zuständigen Behörde, einem Behindertenverband, Museen, der Pariser Oper, einem Start-up, der Bahngesellschaft SNCF, mit der ältesten Blindenschule Frankreichs, um nur ein paar zu nennen. Bei den Terminen ging es um Barrierefreiheit von Verkehr und Kultur, Zugang zum regulären Arbeitsmarkt, Inklusion und Diskriminierung aufgrund von Behinderung. Sowohl bei der Vorbereitung als auch bei den Gesprächen lernte ich sehr viel dazu.
Für die Presseabteilung übernahm ich zwei Wochen lang die für das AA typische Aufgabe des Presseberichts. Bei dieser Aufgabe liest man täglich französische Tageszeitungen und fasst bis zu fünf wichtige Themen zusammen und sucht Artikel mit interessanten Analysen heraus. Dabei arbeitet man, wenn die Zeitungen veröffentlicht werden, also nachts.
Die Einarbeitung in neue Themen, welche ich im Studium geübt habe, war mir für Recherchen nützlich. Meine Kenntnisse über Frankreich und das französische politische System, die ich noch aus dem Bachelor hatte, waren ebenfalls hilfreich. Den Fokus aus meinem Studium auf (queer-)feministische Themen begleitete mich auch in meinem Praktikum. Bei der Organisation von Veranstaltungen half mir in besonderem Maße meine Arbeitserfahrung im Referat Nahost und Nordafrika der Heinrich-Böll-Stiftung. Auch hatte ich dort schon Erfahrungen mit der feministischen Außenpolitik sammeln können.
Im Rahmen meines Praktikums habe ich mir vor allem neue Kenntnisse in den o.g. Themen angeeignet, zu denen ich intensiv recherchiert habe. Die Öffentlichkeitsarbeit in Form der Erstellung von Posts für Social Media war ein Bereich in dem ich vorher noch nicht so viel Erfahrung hatte.
Zusammenarbeit und Betreuungssituation
Die politische Abteilung, bestehend aus neun Personen, neben den Hospitanten, traf sich montagmorgens für eine halbe Stunde und donnerstagnachmittags, für bis zu eine Stunde, um wichtige politische Themen und aktuelle Aufgaben zu sprechen. Dabei wurde die Zeit sehr effizient genutzt, also nur das Nötigste geteilt. Ich teilte mir mein Büro erst mit einem und später mit zwei Hospitanten der politischen Abteilung.
In meinem Praktikum arbeitete ich sowohl in Teams von zwei bis drei Personen als auch eigenständig. Ich arbeitete ich hauptsächlich eng mit der Sozialreferentin zusammen, aber auch mit anderen aus der Politischen Abteilung und an den Schnittstellen des Sozialreferats mit anderen Abteilungen. Die Sozialreferentin schirmte mich dankenswerterweise weitgehend von unnötigem Stress ab. Dennoch erlebte ich die Aufregung in der politischen Abteilung um wichtige politische Ereignisse, bei denen die ganze Abteilung sich diesem widmet, wie die Sorbonne II Rede des Staatspräsidenten Macrons, die Europawahlen und die vorgezogenen Parlamentswahlen. Ich fühlte mich von der Sozialreferentin sehr gut betreut, und freute mich über Feedback, da ich bei anderen Hospitant*innen sah, dass dies keine Selbstverständlichkeit ist. Mit der Sozialreferentin sprach ich in der Regel zweimal wöchentlich in Ruhe, montags, um zu besprechen was in einer Woche ansteht und freitags, um die Woche nach zu besprechen. Einmal monatlich aßen wir zusammen Mittag, um ausführlich zu sprechen.
Fazit
Das Praktikum hat einen sehr positiven Eindruck vom auswärtigen Dienst bei mir hinterlassen. Da ich vielseitig interessiert bin, finde ich eine Karriere im höheren Dienst des AA weiterhin reizvoll, da alle Generalist*innen sind und zu verschiedensten Ländern, Regionen und Themengebieten arbeiten. Das heißt im Umkehrschluss, dass die Beamten im höheren Dienst weniger spezialisiert sind, als es für manche Themen angemessen wäre. Dennoch ist es möglich sich viel Fachwissen anzueignen. In einem solchen Arbeitskontext ist es nötig sich seine Neugierde und sein Durchhaltevermögen zu erhalten, um sich immer wieder neu einzuarbeiten. Ich denke, dieser Lebensentwurf passt zu meinem Naturell.
Nach meinem Master möchte ich mich sowohl für das Carlo-Schmid-Programm für ein Praktikum bei einer internationalen Organisation als auch für das Bluebook-Traineeship bei der EU-Kommission bewerben. Dazu wurde ich in meinem Praktikum ausdrücklich ermutigt. Sowohl Erfahrungen im multilateralen Bereich, als auch vertiefte Kenntnis der Europäischen Union sind ein weiterer Baustein für eine berufliche Laufbahn im AA.
Neue Perspektiven hat mir das Praktikum insofern eingebracht, als dass ich auch das BMAS kennengelernt habe und als möglichen Arbeitgeber in Betracht ziehe. Auch die Begleitung des Behindertenbeauftragten hat mir neue Einblicke verschafft. Bisher hatte ich im Studium zu Menschenrechten gearbeitet – da Behindertenrechte auch Menschenrechte sind, hatte ich hier Anknüpfungspunkte und gleichzeitig hat sich ein neues Feld für mich eröffnet. Der Behindertenbeauftragte hat vorgeschlagen, dass ich auch einmal bei ihm ein Praktikum absolvieren könnte, und das kann ich mir gut vorstellen.
Insgesamt fand ich das Praktikum großartig. Die Kommunikation mit meiner Betreuerin war ausgezeichnet, meine Aufgaben interessant und auch mit den anderen Mitarbeitenden, Hospitant*innen und Referendar*innen an der Botschaft habe ich mich gut verstanden. Ich würde ein Praktikum an der deutschen Botschaft in Paris ausdrücklich weiterempfehlen.
Tipps für andere Praktikant:innen
Praktikumssuche
Beworben für das Praktikum habe ich mich regulär über das Bewerbungsportal des AA. Dabei kann man verschiedene Auslandsvertretungen angeben, die einen interessieren. Daraufhin wurde ich von der Sozialreferentin per E-Mail kontaktiert. In einem anschließenden Telefonat hat sie mir die Aufgaben des Sozialreferats geschildert, ich habe ihr meine Interessen und meinen Werdegang beschrieben, und am Ende des Telefonats hat sie mir einen Praktikumsplatz angeboten.
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