Bleibt Genderinklusion im digitalen Raum ein Traum?

Halbblind? Online Plattformen „sehen“ überall nur Teilnehmer, Gastgeber, Benutzer, Kandidaten …

Die Pandemie hat eine Reihe von Entwicklungen ausgelöst; wenn wir auch vorher schon regelmäßig mit Online Plattformen wie Blackboard, FU-Wikis, FU-Blogs und FU-Box gearbeitet haben, so finden Sitzungen zwischenzeitlich fast nur noch per Webex statt; mit der Frage „Sollen wir mal kurz webexen?“ hätte Anfang 2020 wohl kaum jemand was anfangen können, heute stört sich wohl kaum eine*r daran, dass „webexen“ als Wort im Duden nicht existiert (skypen hingegen schon).

Eigentlich könnte ich mir vorstellen, dass es Jahrzehnte nach dem Inkrafttreten des Landesgleichstellungsgesetzes selbstverständlich wäre, genderinklusive Bezeichnungen zu wählen. Statt dessen bin ich es – traurigerweise – gewohnt, bei Webex und Blackboard als Benutzer, Teilnehmer, Gastgeber etc. bezeichnet zu werden – gut finde ich es nicht.

Ehrlich gesagt, finde ich es sogar höchst ärgerlich und respektlos, und ich merke, dass mich das zunehmend nervt, weil allmählich doch wirklich genug Zeit ins Land gegangen ist für Updates; offenbar genug Zeit, um (aus meiner Sicht) total unnötige Hasen und Schildkröten und die Option, unsere persönlichen Bitmojis hochzuladen, zu integrieren, aber nicht genug, um genderinklusive Begriffe zu verwenden?! Interessant fand ich, dass der anfängliche Übersetzungsfehler von „me“ in „mich“ bei der Kennzeichnung der eigenen Person durchaus innerhalb von 6 Monaten zugunsten von „ich“ verschwunden ist (wobei ich mich weiterhin frage, warum es als erforderlich angesehen wird, Nutzer*innen hinter ihrem eigenen Namen darauf hinzuweisen, dass sie gemeint sind …).  Warum werden Begriffe, die mindestens die Hälfte der Teilnehmenden ignorieren, nicht genauso ersetzt?

Ich kann nicht nachvollziehen, wie es sein kann, dass Gendervielfalt in angeblich so „hippen“ Plattformen weiterhin nicht berücksichtigt wird; die Schlussfolgerung, dass das mit Absicht (nicht) geschieht, liegt nahe.

Wie heißt das zweite übergeordnete Gleichstellungsziel des aktuellen Gleichstellungskonzepts der FU noch?
„Eine geschlechtergerechte, respektvolle Organisationskultur, die von Gender-Sensibilität und -Kompetenz geprägt ist“

Vielleicht sollten wir uns weigern, mit Plattformen wie Webex oder Blackboard zu arbeiten, und statt dessen Optionen nutzen, deren Macher*innen die anderen Geschlechter mitdenken! Und wir sollten die Möglichkeit, Feedback zu geben, ausgiebig nutzen!

Equal pay 4.0 – gerechte Bezahlung in der digitalen Arbeitswelt

17. März 2020 – 10. März 2021 – 7. März 2022 – das sind die letzten Equal Pay Days, also die Tage, bis zu denen Frauen in Deutschland (verglichen mit Männern bei gleicher Leistung) unentgeltlich arbeiten. Der Unterschied beträgt 18 %!! Allgemeine Infos dazu finden Sie hier.

Zu diesem Thema gibt es im Frauenförderplan 2022/23 zum ersten Mal differenziertere Informationen: Zum einen werden auch Daten für WiMis differenzierter betrachtet, zum anderen wurde der Gender Pay Gap bei Professuren betrachtet.

Frauenquoten im wissenschaftlichen Mittelbau:
Wer „sitzt“ auf den relevanten Stellen für die Nachwuchsqualifizierung?

Beim wissenschaftlichen Mittelbau sind die Löhne pro Besoldungsgruppe zwar unabhängig vom Geschlecht; es wurde jedoch der Frauenanteil mit Blick auf verschiedene Stellentypen betrachtet, da diese Stellentypen als unterschiedlich attraktiv gelten und – wissenschaftlich gesehen – mit unterschiedlichen Entwicklungsmöglichkeiten assoziiert sind. Für den aktuellen Beitrag bin ich zudem den Fragen nachgegangen, ob Frauen vergleichsweise eher Teilzeitstellen innehaben und ob ihr Anteil in Abhängigkeit von der Finanzierung schwankt (Haushaltsmittel vs. Drittmittel).

Abb. 1: Frauenanteile in verschiedenen Stellenkategorien des Mittelbaus (gesamter Fachbereich)

Wie Abbildung 1 verdeutlicht, liegt die Frauenquote der Studienabschlüsse in unserem Fachbereich bei über 80%, während die Frauenquoten im Mittelbau deutlich darunter liegen, abgesehen von der Stellenkategorie „Lehrkraft für besondere Aufgaben“ (diese gehören zu den sog. Hochdeputatsstellen, d.h. sie sind mit hohen Anforderungen an die Lehre verbunden, so dass eine weitere wissenschaftliche Qualifizierung quasi unmöglich ist). Dabei unterscheiden sich die Frauenquoten in den letzten beiden Jahren nicht hinsichtlich der Finanzierung von unbefristeten Prädoc-Stellen (Haushalt vs. Drittmittel).

Am deutlichsten liegen die unbefristeten WiMi-Stellen und noch deutlicher die befristeten Postdocstellen unter der zu erwartenden Frauenquote (die Promovend*innenquote der vorhergehenden Jahre lag über 70%!). Demzufolge sind gerade die Stellen, auf denen der Nachwuchs sich für Professuren qualifiziert, in unverhältnismäßigem Ausmaß von Männern besetzt.

Wenn Frauen Postdoc-Stellen besetzen, nehmen sie diese in unserem Fachbereich übrigens in höherem Ausmaß als Männer in Teilzeit wahr (während alle Männer auf diesen Stellen im Jahr 2021 volle Stellen bekleideten, hatten Frauen im Durchschnitt eine 75%-Stelle inne).

Und bei den Professuren?

Bei den Professuren können einerseits die Gehaltsgruppen verglichen werden; andererseits ihre Leistungszulagen und damit ein direkter Gender Pay Gap. Die Frauenquote mit Blick auf die Besoldungsgruppe unterscheidet sich mit 53% in W2 und 46% in W3 (2021) in der vermuteten Richtung.

Im Dezember 2020 ermittelte der Deutsche Hochschulverband (DHV) die monatliche Bruttobesoldung der Professor*innen in Deutschland für Juni 2019 auf der Basis der Daten des Statistischen Bundesamtes (https://www.forschung-und-lehre.de/karriere/professur/differenz-bei-realer-w-besoldung-steigt-3338). Bundesweit berechnete der DHV dabei einen Lohnunterschied von 720 Euro (W3) beziehungsweise von 320 Euro (W2) zu Ungunsten der Frauen. Dabei wird betont, dass sich die geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede im Vergleich zu den Vorjahren weiterhin verstärkt haben.

Eine anonymisierte Analyse der Gehälter der Professuren am Fachbereich nach dem Muster der Auswertungen des Deutschen Hochschulverbandes ergab folgendes Bild: Im Jahr 2021 kann für den Fachbereich festgehalten werden, dass die mittlere geschlechtsspezifische Gehaltsdifferenz bei den W3-Professuren 2021 ziemlich genau dem berichteten bundesweiten Unterschied 2019 zu Ungunsten der Frauen (720 €) entspricht; bei den W2-Professuren hingegen konnte eine durchschnittliche Lohndifferenz von 110 € zugunsten [sic!] der Frauen konstatiert werden.

Grund zum Feiern? Auf der Ebene W2: Klar, kann nicht schaden ;-).
Grund zum Ausruhen? Ganz sicher nicht!