Studieren und dann (nicht) promovieren?

Frauen studieren in unserem Fachbereich sehr erfolgreich: 84% der Absolvent*innen sind weiblich; damit liegt die Abschlussquote seit Jahren stabil ca. 2% über der Studentinnenquote. Seltsamerweise liegt der Frauenanteil unter den Promotionsstudierenden mit aktuell 68% deutlich darunter.

Ganz konkret bedeutet das:
2020 haben 453 Frauen und 87 Männer ihr Studium am FB abgeschlossen, also mehr als 5x so viel Frauen wie Männer; 2021/22 sind 17 Frauen und 10 Männer eingeschrieben im ersten Promotionsjahr, noch nicht einmal doppelt so viel Frauen wie Männer.

eigene Berechnungen

Die Gründe für diesen „Verlust“ sind aktuell unbekannt; eine Auswertung der letzten beiden Masterbefragungen in der Psychologie durch die Arbeitsstelle Lehr- und Studienqualität der FU ergab keine Hinweise auf (binäre) Geschlechtsunterschiede im fachlichen Selbstkonzept oder bzgl. der Relevanz von Berufswahlmotiven, die diesen Abfall im Frauenanteil erklären könnten (Anna-Lena Grimm und Susann Bergann, 2022): Psychologieabsolventinnen schätzten ihr Fachwissen genauso hoch ein wie ihre Studienkollegen; ebenso scheint beiden Gruppen die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben gleichermaßen wichtig zu sein, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Wenn Frauen an unserem FB promovieren, dann scheinen sie in vergleichbarem Ausmaß (etwa 1/4) über Verträge an der Universität finanziert zu werden wie Männer; für alle Promotionsstudierenden gilt entsprechend, dass ca. 74% sich anderweitig finanzieren. Diese Gruppe hat – im Gegensatz zu Universitätsbeschäftigten – weitaus weniger Möglichkeiten, Mittel für ihre Forschungsvorhaben zu beantragen. Vor diesem Hintergrund wurde nun ein Fonds mit Anreizmitteln aufgesetzt, um einerseits Frauen in ihren Promotionsvorhaben zu unterstützen, andererseits aber auch die Beforschung von genderbezogenen Themen zu fördern.

Promotionsstudierende des Fachbereichs ohne Arbeitsvertrag in wissenschaftlichen Einrichtungen können daher ab sofort Anreizmittel für Weiterbildungen und ihre eigenen Studien beantragen, wenn sie zur Gruppe der FINTA* gehören und/oder genderbezogene Forschung betreiben. Genaueres finden Sie hier.

FINTA* steht für „Frauen, Inter Menschen, Nichtbinäre Menschen, Trans Menschen und Agender Menschen.

Science is Female: Coaching für junge Wissenschaftler*innen

Im Gespräch mit Dr. Sibylle Detel zur Unterstützung junger Wissenschaftler*innen am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie.

Die Fächer unseres Fachbereichs werden v.a. von Frauen studiert. Ist die erziehungswissenschaftliche und die psychologische Forschung daher v.a. weiblich?

Sibylle Detel: Nun ja, das kommt wohl darauf an, wo man hinschaut:
Ein Studium wird von Frauen tendenziell sogar öfter erfolgreich abgeschlossen als von Männern (Statistisches Bundesamt, 2021). [siehe auch Facts des Monats rechts von diesem Beitrag]
Allerdings geht die Schere im Verlauf akademischer Karrieren weiter auf – zu Ungunsten der Frauen (Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs, 2021). Die Gründe dafür, warum Frauen deutlich seltener eine Professur erreichen, sind sicher vielfältig und reichen von organisationalen bis hin zu individuellen Hindernissen.

„Für mich war die Teilnahme zu Beginn der Praedoc-Phase super hilfreich. Ich konnte durch den Austausch mit anderen sehr profitieren und einen tieferen Einstieg in den Wissenschaftsbetrieb finden. Gleichzeitig konnte ich für mich ganz persönlich reflektieren und ordnen, wie mein Weg in der Wissenschaft aussehen könnte.“

TN 1, WS 21/22

Im Rahmen des Frauenförderplans unseres Fachbereichs wird seit dem WS 2021/22 eine besondere Form der Unterstützung junger Wissenschaftlerinnen angeboten. Wie sieht das aus?

Sibylle Detel: Mit unserem Seminar für Prä- und PostDocs wollten wir ein Format umsetzen, in dem sich Nachwuchswissenschaftlerinnen untereinander über Karriereperspektiven und -optionen austauschen können. An zwei Blockterminen gab es die Möglichkeit für rege Diskussionen, Feedback und Perspektivwechsel, jeweils eingebettet in einen theoretischen Rahmen sowie aktuelle Befunde und auch Statistiken zur Karriereorientierung und -gestaltung. Darüber hinaus wurde allen Teilnehmerinnen eine 1,5 stündige Coaching-Einheit zur individuellen Auseinandersetzung mit einer Perspektive im Wissenschaftssystem angeboten.

„Ich fand die Veranstaltung super, vor allem um sich mit Gleichgesinnten auszutauschen und auch ein breiteres Netzwerk innerhalb der FU aufzubauen. Das Konzept hat mich vor allem auch nochmal dazu angeregt, meine eigenen Vorstellungen und Wünsche etwas zu hinterfragen, was vielleicht nicht immer angenehm, aber sehr wichtig war. Ich habe außerdem total gestaunt, wie sehr mir die einzelne Coaching-Sitzung gefallen und geholfen hat […].“

TN 2, WS 21/22

Gab es auch einen Blick über den Tellerrand?

Sibylle Detel: Definitiv. Ergänzend haben wir zwei weitere Gruppentermine gestaltet, in denen sich die Teilnehmerinnen weiter vernetzen, austauschen und zu selbst gewählten Inhalten vertiefen konnten. Beim 1. Netzwerk-Treffen hatten wir Prof. Dr. Inka Bormann zu Gast, die uns Hintergrund-Informationen zum ProFiL-Programm gegeben hat. Beim 2. Netzwerk-Treffen drehte sich alles um das Thema Vereinbarkeit von Familie und Wissenschaft, begleitet von der Coachin Dr. Ulrike Schneeberg .

„Die Veranstaltung stellt eine ausgezeichnete Möglichkeit dar, im geschützten Rahmen über die eigene berufliche Entwicklung als Frau in der Wissenschaft nachzudenken. Viele Anregungen ermöglichen es, sich mit dem eigenen Karriereweg und frauenspezifischen Stolpersteinen auseinanderzusetzen, sich zu vernetzen und sich über die eigenen Wünsche und Potenziale klarer zu werden. Herzlichen Dank für die vielen Denkanstöße!“

TN 3, WS 21/22

FrauenFörderPlan – wofür?

Am 16. Dezember 2021 hat unser Fachbereichsrat den Frauenförderplan 2022/23 beschlossen. Eigentlich sollte er dann in der letzten Sitzung des Akademischen Senates am 16. Februar gemeinsam mit den anderen Frauenförderplänen der FU beschlossen werden; das wurde dann auf den 2. März und nun erneut auf Ende April verschoben … Naja, scheint nicht als so dringend eingeschätzt zu werden, so dass sich die Frage aufdrängt: Brauchen wir das eigentlich (oder kann das weg …)?

In der Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 19./20 Februar 2022 forderte Nele Pollatschek in einem überaus lesenswerten Artikel: „Schafft die Frauen ab“, eine Forderung, die auf der Erkenntnis basiert, dass die Kategorie „Frau“ gar nicht so leicht, wenn nicht sogar unmöglich zu definieren ist. Da hat Pollatschek natürlich recht. Und – frei nach Pollatschek -:

eine gesellschaft,
in der jobs und anderes unabhängig vom geschlecht vergeben werden,
in der schuhe nach schuhgröße und stil und nicht nach geschlecht sortiert werden,
in der schwimmwettbewerbe sortiert nach körpergröße und nicht nach geschlecht ausgetragen werden,
so eine gesellschaft braucht keine frauenförderung

Für eine solche Gesellschaft setzen wir uns ein; aber um tatsächlich sicherzugehen, dass z.B. Stellen unabhängig vom Geschlecht vergeben werden, dafür wollen wir schon noch Zahlen sehen. Und deswegen ist ein Frauenförderplan zwar nicht perfekt, aber immer noch besser als gar keine Zahlen!

Kommen wir daher abschließend auf eine Erkenntnis zu sprechen, die eben nur deswegen möglich ist, weil seit Jahren bestimmte Zahlen regelhaft bereitgestellt werden. Was wir im gesamten Fachbereich sehen, ist etwa, dass der Frauenanteil unter den Studierenden nicht nur anhaltend hoch ist, sondern auch, dass ihr Anteil an den Studienabschlüssen durchgängig höher ist als die Studentinnenquote. Auch der Anteil an den Promotionen war in den letzten Jahren gestiegen. Dennoch – also obwohl Frauen offenbar zu einem höheren Anteil ihr Studium abschließen und in ausreichendem Ausmaß promovieren – stagniert ihr Anteil im wissenschaftlichen Mittelbau auf einem erstaunlich niedrigen Niveau.

Frauenanteile im Fachbereich: Studierende, Absolvent*innen, Promovend*innen, wissenschaftliche Mitarbeitende

Daher: Sobald Frauen unabhängig von ihrem Geschlecht als Wissenschaftlerinnen anerkannt und eingestellt werden, können wir die Kategorie gern abschaffen und nach geeigneteren suchen. Vorher nicht.

Quellen

Pollatschek, Nele (19./20.02.2022). Schafft die Frauen ab. Süddeutsche Zeitung, 41, 15.