Equal pay 4.0 – gerechte Bezahlung in der digitalen Arbeitswelt

17. März 2020 – 10. März 2021 – 7. März 2022 – das sind die letzten Equal Pay Days, also die Tage, bis zu denen Frauen in Deutschland (verglichen mit Männern bei gleicher Leistung) unentgeltlich arbeiten. Der Unterschied beträgt 18 %!! Allgemeine Infos dazu finden Sie hier.

Zu diesem Thema gibt es im Frauenförderplan 2022/23 zum ersten Mal differenziertere Informationen: Zum einen werden auch Daten für WiMis differenzierter betrachtet, zum anderen wurde der Gender Pay Gap bei Professuren betrachtet.

Frauenquoten im wissenschaftlichen Mittelbau:
Wer „sitzt“ auf den relevanten Stellen für die Nachwuchsqualifizierung?

Beim wissenschaftlichen Mittelbau sind die Löhne pro Besoldungsgruppe zwar unabhängig vom Geschlecht; es wurde jedoch der Frauenanteil mit Blick auf verschiedene Stellentypen betrachtet, da diese Stellentypen als unterschiedlich attraktiv gelten und – wissenschaftlich gesehen – mit unterschiedlichen Entwicklungsmöglichkeiten assoziiert sind. Für den aktuellen Beitrag bin ich zudem den Fragen nachgegangen, ob Frauen vergleichsweise eher Teilzeitstellen innehaben und ob ihr Anteil in Abhängigkeit von der Finanzierung schwankt (Haushaltsmittel vs. Drittmittel).

Abb. 1: Frauenanteile in verschiedenen Stellenkategorien des Mittelbaus (gesamter Fachbereich)

Wie Abbildung 1 verdeutlicht, liegt die Frauenquote der Studienabschlüsse in unserem Fachbereich bei über 80%, während die Frauenquoten im Mittelbau deutlich darunter liegen, abgesehen von der Stellenkategorie „Lehrkraft für besondere Aufgaben“ (diese gehören zu den sog. Hochdeputatsstellen, d.h. sie sind mit hohen Anforderungen an die Lehre verbunden, so dass eine weitere wissenschaftliche Qualifizierung quasi unmöglich ist). Dabei unterscheiden sich die Frauenquoten in den letzten beiden Jahren nicht hinsichtlich der Finanzierung von unbefristeten Prädoc-Stellen (Haushalt vs. Drittmittel).

Am deutlichsten liegen die unbefristeten WiMi-Stellen und noch deutlicher die befristeten Postdocstellen unter der zu erwartenden Frauenquote (die Promovend*innenquote der vorhergehenden Jahre lag über 70%!). Demzufolge sind gerade die Stellen, auf denen der Nachwuchs sich für Professuren qualifiziert, in unverhältnismäßigem Ausmaß von Männern besetzt.

Wenn Frauen Postdoc-Stellen besetzen, nehmen sie diese in unserem Fachbereich übrigens in höherem Ausmaß als Männer in Teilzeit wahr (während alle Männer auf diesen Stellen im Jahr 2021 volle Stellen bekleideten, hatten Frauen im Durchschnitt eine 75%-Stelle inne).

Und bei den Professuren?

Bei den Professuren können einerseits die Gehaltsgruppen verglichen werden; andererseits ihre Leistungszulagen und damit ein direkter Gender Pay Gap. Die Frauenquote mit Blick auf die Besoldungsgruppe unterscheidet sich mit 53% in W2 und 46% in W3 (2021) in der vermuteten Richtung.

Im Dezember 2020 ermittelte der Deutsche Hochschulverband (DHV) die monatliche Bruttobesoldung der Professor*innen in Deutschland für Juni 2019 auf der Basis der Daten des Statistischen Bundesamtes (https://www.forschung-und-lehre.de/karriere/professur/differenz-bei-realer-w-besoldung-steigt-3338). Bundesweit berechnete der DHV dabei einen Lohnunterschied von 720 Euro (W3) beziehungsweise von 320 Euro (W2) zu Ungunsten der Frauen. Dabei wird betont, dass sich die geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede im Vergleich zu den Vorjahren weiterhin verstärkt haben.

Eine anonymisierte Analyse der Gehälter der Professuren am Fachbereich nach dem Muster der Auswertungen des Deutschen Hochschulverbandes ergab folgendes Bild: Im Jahr 2021 kann für den Fachbereich festgehalten werden, dass die mittlere geschlechtsspezifische Gehaltsdifferenz bei den W3-Professuren 2021 ziemlich genau dem berichteten bundesweiten Unterschied 2019 zu Ungunsten der Frauen (720 €) entspricht; bei den W2-Professuren hingegen konnte eine durchschnittliche Lohndifferenz von 110 € zugunsten [sic!] der Frauen konstatiert werden.

Grund zum Feiern? Auf der Ebene W2: Klar, kann nicht schaden ;-).
Grund zum Ausruhen? Ganz sicher nicht!

Equal Pay Day 2021 gestern: Ab heute verdient frau wieder …

Im vergangenen Jahr haben Frauen insgesamt in Deutschland bis zum 17. März gleichsam unentgeltlich gearbeitet, dieses Jahr ist es immerhin schon der 10. März, d.h. Frauen verdienen in Deutschland aktuell 18% weniger als Männer. Ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen gibt es auch an den deutschen Universitäten, und zwar auf der Ebene der Professor:innen (hierzu auch ein Blogbeitrag im März 2020).

Weitere konkrete aktuelle Daten und Fakten, zusammengestellt von Business and Professional Women – Germany e.V., finden Sie auch hier.

17. März 2020

Im Jahr 2020 fällt der Equal Pay Day in Deutschland zum ersten Mal auf den 17. März; im vergangenen Jahr war es der 18. März, vor zehn Jahren fiel er auf den 26. März – ein Fortschritt? Was bedeutet dieser Tag? Er markiert deutlich die Verdienstlücke zwischen Männern und Frauen in Deutschland: Bis zu diesem Tag arbeiten Frauen hier im Durchschnitt seit Jahresbeginn zusätzlich zum vergangenen Jahr (also quasi unentgeltlich), um genauso viel Geld verdient zu haben wie die Männer allein im Vorjahr. Das heißt in Zahlen: Frauen verdienen faktisch hierzulande im Durchschnitt 21% weniger als Männer, und damit gehört Deutschland gemeinsam mit Estland und der Tschechischen Republik europaweit zu den Schlusslichtern (eurostat). Dieser Umstand führt zum sogenannten Gender Pension Gap: Deutsche Rentnerinnen erhalten im Durchschnitt nur etwa 53% dessen, was Männer als Rente beziehen (Drucksache 18/13119 des Deutschen Bundestages).

Gründe für den Gender Pay Gap

Ein Teil dieses Unterschieds ist darauf zurückzuführen, dass Frauen …

  • häufiger Teilzeit arbeiten,
  • häufiger (unbezahlte) Pflege-/Sorgeaufgaben übernehmen und
  • häufiger Berufe ergreifen, die trotz gleicher Qualifikationsstufe schlechter bezahlt werden (z.B. Krankenpflege vs. Handwerk).

Aber auch dann, wenn man diese Faktoren berücksichtigt und einen sogenannten bereinigten Gender Pay Gap berechnet, zeigt sich, dass Frauen für dieselbe Arbeit im Mittel 6% weniger verdienen. Das heißt, Frauen werden systematisch benachteiligt!

Gender Pay Gap überall –  in der Wissenschaft …

„Das kann aber nicht im Öffentlichen Dienst und daher auch nicht an der Universität passieren!“ Glauben Sie? Leider ein Irrtum! Sicher: Bei den wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen gibt es keinen Spielraum; hier verdienen Frauen in der Regel genauso viel wie Männer. Sobald es aber an die Besoldungen der Professor*innen geht, bei denen Leistungsbezüge zum Grundgehalt dazukommen, tut sich wieder einmal ein Abgrund auf, wie Hubert Detmer (2020) unter Rückgriff auf Daten des Statistischen Bundesamtes für die Jahre 2018 aufzeigt.

Quelle: eigene Abbildung [unter Rückgriff auf Angaben des Statistischen Bundesamts nach Detmer (2020)]
Der Gender Pay Gap ist besonders eklatant in der höchsten Besoldungsstufe: Während er 2018 immerhin 3,3 % bei W1 und 4,3% bei W2-Professuren beträgt, steigt er bei W3-Professuren auf 7,8%!

Gender Pay Gap überall – … und in den Köpfen

Zwei in letzter Zeit häufiger zitierte Studien mit bundesdeutschen repräsentativen Daten von Katrin Auspurg und Kolleg*innen (2017) sowie Jule Adriaans und Kolleg*innen (2020) kommen zu dem Ergebnis, dass Männer wie Frauen es als gerecht bewerten, wenn Männer mehr verdienen (der Unterschied liegt – je nach Studie – zwischen 3 und 8 %). Gleichzeitig heißt es, dass fast alle Befragten eingangs die Meinung vertreten hätten, dass unabhängig vom Geschlecht gleiche Arbeit auch gleich bezahlt werden sollte.  Ist das nicht widersprüchlich?

Die Erklärung dafür liegt in der Art, wie gefragt wurde:

  1. Wurden Personen gebeten, grundsätzlich zu beurteilen, ob Männer und Frauen für die gleiche Arbeit auch gleich viel Geld bekommen sollten, also im direkten Vergleich, waren sie sich einig: JA!
  2. Wurden sie hingegen einzeln gefragt, ob es gerecht wäre, wenn Person XY (das Geschlecht war erkennbar) in einer bestimmten Situation ein bestimmtes Gehalt erhält, also im indirekten Vergleich, zeigte sich, dass die Befragten den fiktiven Frauen für die gleiche Arbeit weniger Geld zusprachen als den fiktiven Männern. Hier waren sie sich also auch einig: NEIN! Offenbar sind hier nach wie vor geschlechterstereotype Zuschreibungen zu beobachten, und zwar gleichermaßen bei Männern wie Frauen.

Was können wir tun?

  1. Wir müssen strukturelle Maßnahmen weiter vorantreiben. Hindernisse für eine Vollzeitstelle müssen weiter abgebaut werden (etwa in Form ausreichender Betreuung von Menschen, die diese brauchen); gleichzeitig sollten Männer weiterhin ermuntert werden, diese Formen von Arbeit mit den Frauen gerecht zu teilen (Equal Care) und auch wertzuschätzen. Karriereperspektiven von Frauen sollten weiterhin gefördert werden. Die diskriminierungsfreie Bewertung aller Berufe muss weiter vorangetrieben werden; ein Beispiel ist hier die Kampagne zur Neudefinition der Hochschulsekretariate: FairNetztEuch.
  2. Gehälter müssen transparent sein. Das Entgelttransparenzgesetz soll Arbeitnehmende dabei unterstützen, ihren Anspruch auf Gleichbezahlung durchsetzen zu können. Zwar erfahren sie dadurch u.U. lediglich, wie viel Kolleg*innen verdienen, die eine vergleichbare Tätigkeit ausüben; dennoch ist das eine wichtige Information, um z.B. als angehende Professorin besser verhandeln zu können.
  3. Und nicht zuletzt sollten wir uns auch an die eigene Nase fassen und an unseren eigenen Stereotypen arbeiten. Was wir aus der Forschung wissen, ist: Je mehr geschlechtsneutrale Vorbilder wir haben, desto mehr wandeln sich auch unsere Stereotype. War es vor 30 Jahren noch „Wahnsinn“, wenn ein Mann mit seinem Kind tagsüber auf  dem Spielplatz war, ist das heute normal. Künftig sollte es keine Meldung mehr sein, dass die erste Vorstandsvorsitzende der BVG  wirklich eine Frau war und fünf Kinder hat …
Quellen

Adriaans, J., Sauer, C., & Wrohlich, K. (2020). Gender Pay Gap in den Köpfen: Männer und Frauen bewerten niedrigere Löhne für Frauen als gerecht. DIW Wochenbericht, 10/2020, 147-152.

Auspurg, K.,  Hinz, T., & Sauer, C. (2017). Why should women get less? Evidence on the Gender Pay Gap from multifactorial survey experiments. American Sociological Review, 82 (1), 179–210.

Detmer, H. (2020). Welche W-Besoldungen zahlen die Bundesländer wirklich? Forschung & Lehre, 27, 32-34.