17. März 2020

Im Jahr 2020 fällt der Equal Pay Day in Deutschland zum ersten Mal auf den 17. März; im vergangenen Jahr war es der 18. März, vor zehn Jahren fiel er auf den 26. März – ein Fortschritt? Was bedeutet dieser Tag? Er markiert deutlich die Verdienstlücke zwischen Männern und Frauen in Deutschland: Bis zu diesem Tag arbeiten Frauen hier im Durchschnitt seit Jahresbeginn zusätzlich zum vergangenen Jahr (also quasi unentgeltlich), um genauso viel Geld verdient zu haben wie die Männer allein im Vorjahr. Das heißt in Zahlen: Frauen verdienen faktisch hierzulande im Durchschnitt 21% weniger als Männer, und damit gehört Deutschland gemeinsam mit Estland und der Tschechischen Republik europaweit zu den Schlusslichtern (eurostat). Dieser Umstand führt zum sogenannten Gender Pension Gap: Deutsche Rentnerinnen erhalten im Durchschnitt nur etwa 53% dessen, was Männer als Rente beziehen (Drucksache 18/13119 des Deutschen Bundestages).

Gründe für den Gender Pay Gap

Ein Teil dieses Unterschieds ist darauf zurückzuführen, dass Frauen …

  • häufiger Teilzeit arbeiten,
  • häufiger (unbezahlte) Pflege-/Sorgeaufgaben übernehmen und
  • häufiger Berufe ergreifen, die trotz gleicher Qualifikationsstufe schlechter bezahlt werden (z.B. Krankenpflege vs. Handwerk).

Aber auch dann, wenn man diese Faktoren berücksichtigt und einen sogenannten bereinigten Gender Pay Gap berechnet, zeigt sich, dass Frauen für dieselbe Arbeit im Mittel 6% weniger verdienen. Das heißt, Frauen werden systematisch benachteiligt!

Gender Pay Gap überall –  in der Wissenschaft …

„Das kann aber nicht im Öffentlichen Dienst und daher auch nicht an der Universität passieren!“ Glauben Sie? Leider ein Irrtum! Sicher: Bei den wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen gibt es keinen Spielraum; hier verdienen Frauen in der Regel genauso viel wie Männer. Sobald es aber an die Besoldungen der Professor*innen geht, bei denen Leistungsbezüge zum Grundgehalt dazukommen, tut sich wieder einmal ein Abgrund auf, wie Hubert Detmer (2020) unter Rückgriff auf Daten des Statistischen Bundesamtes für die Jahre 2018 aufzeigt.

Quelle: eigene Abbildung [unter Rückgriff auf Angaben des Statistischen Bundesamts nach Detmer (2020)]
Der Gender Pay Gap ist besonders eklatant in der höchsten Besoldungsstufe: Während er 2018 immerhin 3,3 % bei W1 und 4,3% bei W2-Professuren beträgt, steigt er bei W3-Professuren auf 7,8%!

Gender Pay Gap überall – … und in den Köpfen

Zwei in letzter Zeit häufiger zitierte Studien mit bundesdeutschen repräsentativen Daten von Katrin Auspurg und Kolleg*innen (2017) sowie Jule Adriaans und Kolleg*innen (2020) kommen zu dem Ergebnis, dass Männer wie Frauen es als gerecht bewerten, wenn Männer mehr verdienen (der Unterschied liegt – je nach Studie – zwischen 3 und 8 %). Gleichzeitig heißt es, dass fast alle Befragten eingangs die Meinung vertreten hätten, dass unabhängig vom Geschlecht gleiche Arbeit auch gleich bezahlt werden sollte.  Ist das nicht widersprüchlich?

Die Erklärung dafür liegt in der Art, wie gefragt wurde:

  1. Wurden Personen gebeten, grundsätzlich zu beurteilen, ob Männer und Frauen für die gleiche Arbeit auch gleich viel Geld bekommen sollten, also im direkten Vergleich, waren sie sich einig: JA!
  2. Wurden sie hingegen einzeln gefragt, ob es gerecht wäre, wenn Person XY (das Geschlecht war erkennbar) in einer bestimmten Situation ein bestimmtes Gehalt erhält, also im indirekten Vergleich, zeigte sich, dass die Befragten den fiktiven Frauen für die gleiche Arbeit weniger Geld zusprachen als den fiktiven Männern. Hier waren sie sich also auch einig: NEIN! Offenbar sind hier nach wie vor geschlechterstereotype Zuschreibungen zu beobachten, und zwar gleichermaßen bei Männern wie Frauen.

Was können wir tun?

  1. Wir müssen strukturelle Maßnahmen weiter vorantreiben. Hindernisse für eine Vollzeitstelle müssen weiter abgebaut werden (etwa in Form ausreichender Betreuung von Menschen, die diese brauchen); gleichzeitig sollten Männer weiterhin ermuntert werden, diese Formen von Arbeit mit den Frauen gerecht zu teilen (Equal Care) und auch wertzuschätzen. Karriereperspektiven von Frauen sollten weiterhin gefördert werden. Die diskriminierungsfreie Bewertung aller Berufe muss weiter vorangetrieben werden; ein Beispiel ist hier die Kampagne zur Neudefinition der Hochschulsekretariate: FairNetztEuch.
  2. Gehälter müssen transparent sein. Das Entgelttransparenzgesetz soll Arbeitnehmende dabei unterstützen, ihren Anspruch auf Gleichbezahlung durchsetzen zu können. Zwar erfahren sie dadurch u.U. lediglich, wie viel Kolleg*innen verdienen, die eine vergleichbare Tätigkeit ausüben; dennoch ist das eine wichtige Information, um z.B. als angehende Professorin besser verhandeln zu können.
  3. Und nicht zuletzt sollten wir uns auch an die eigene Nase fassen und an unseren eigenen Stereotypen arbeiten. Was wir aus der Forschung wissen, ist: Je mehr geschlechtsneutrale Vorbilder wir haben, desto mehr wandeln sich auch unsere Stereotype. War es vor 30 Jahren noch „Wahnsinn“, wenn ein Mann mit seinem Kind tagsüber auf  dem Spielplatz war, ist das heute normal. Künftig sollte es keine Meldung mehr sein, dass die erste Vorstandsvorsitzende der BVG  wirklich eine Frau war und fünf Kinder hat …
Quellen

Adriaans, J., Sauer, C., & Wrohlich, K. (2020). Gender Pay Gap in den Köpfen: Männer und Frauen bewerten niedrigere Löhne für Frauen als gerecht. DIW Wochenbericht, 10/2020, 147-152.

Auspurg, K.,  Hinz, T., & Sauer, C. (2017). Why should women get less? Evidence on the Gender Pay Gap from multifactorial survey experiments. American Sociological Review, 82 (1), 179–210.

Detmer, H. (2020). Welche W-Besoldungen zahlen die Bundesländer wirklich? Forschung & Lehre, 27, 32-34.

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