Gender Planning an der FU?

Was verbindet Schneeräumdienst und Gender Planning? Und was hat das nun mit Gleichstellung an der FU zu tun?

Fangen wir beim Schneeräumdienst an. Er ist eines der ersten Beispiele im Buch von Caroline Criado Perez über den Gender Data Gap, anhand dessen sie verdeutlicht, dass viele Regelungen des öffentlichen Lebens de facto für die Hälfte der Menschen diskriminierend sind. Das lässt sich auch sehr leicht an Berliner Verhältnissen illustrieren: Viele waren im Februar 2021 eher froh, angesichts des gefallenen Schnees im Home-Office zu sein und sich nicht an die Uni begeben zu müssen. Wer es dennoch tat, stellte fest, dass (a) die Straßen für die Autos säuberlich geräumt waren, und zwar als erstes, dass (b) die Gehwege in sehr unterschiedlichem Zustand waren und dass (c) Radwege teilweise gar nicht geräumt wurden, mit der Folge, dass Radfahrende in doppelter Hinsicht gefährdet waren, da sie einerseits „ihre Wege“ nicht sicher benutzen konnten und andererseits von Autofahrenden z.T. gefährlich überholt wurden. Die gesamte Situation war sicherlich keine Absicht, aber auch kein Zufall, denn die BSR verfolgt hier eine Priorisierungsstrategie, die in Deutschland sicherlich nicht einzigartig ist.1

Da nun Männer aber mehr Wege mit dem Auto zurücklegen als Frauen, während Frauen ihre Wege in höherem Maße zu Fuß oder per Rad zurücklegen, z.B. weil sie häufiger die Kinder im Kiez zur Schule oder in die Kita bringen bzw. mit zu Pflegenden spazieren gehen, werden Frauen durch eben diese Prioritätensetzung diskriminiert. Zufußgehende haben darüber hinaus bei Eis und Schnee faktisch ein erhöhtes Unfallrisiko.
Das unterschiedliche Wegenutzungsverhalten von Männern und Frauen wurde bislang möglicherweise auch deswegen nicht berücksichtigt, weil dazu kaum Zahlen vorliegen, trotz regelmäßiger Erhebungen zu diesem Thema (Studie Mobilität in Deutschland); ob das Bundesverkehrsministerium wohl bald „aufwacht“, um hier Abhilfe zu schaffen? Vermutlich sollten wir es als Wähler:innen in diesem Jahr vorsichtshalber mal wecken 🙂.

Die Idee, die Bedürfnisse der Nutzer:innen bei Planungen zu berücksichtigen, führt mich nun zum Gender Planning in der Umgebungsgestaltung an der FU.
Nicht immer hat es Eltern-Kind-Zimmer an der FU gegeben. Diese „Nachbesserung“ ist ein gutes Beispiel dafür, dass Nutzer:innen sich einen Raum in gewisser Hinsicht aneignen und die Gestaltung zumindest nach ihren Bedürfnissen erfolgt. Dies war allerdings keineswegs selbstverständlich, sondern wurde vielfach von den Frauenbeauftragten initiiert und teilweise sogar mit Frauenfördergeldern finanziert, obschon dem entgegengehalten werden könnte, dass das ja nicht nur Frauen betrifft und eigentlich Frauenklischees bestätigt und bedient. – Stimmt. Und gleichzeitig ist es auch ein Fakt, dass Frauen wesentlich (!) mehr Care-Arbeit übernehmen. Deswegen wissen sie auch (mehrheitlich) besser, was diesbezüglich gebraucht wird, und sollten gefragt werden, wenn es an der FU um Um- und Neugestaltung von Gebäuden und Umgebung geht. Es sollte bei der Nutzungsanalyse und bei der letztendlichen Gestaltung explizit darauf geachtet werden, was Frauen brauchen (die Bedürfnisse der Männer – das zeigt sich immer wieder – werden sowieso berücksichtigt und sind eh Bestandteil der 0815-Lösungen).

Gender Planning in COVID-Zeiten, in denen wir überwiegend im Home-Office sind? Wer sich in letzter Zeit mal ins Büro an der FU begeben hat, fand vermutlich überwiegend leere Gänge vor; Serviceleistungen und Laborabläufe finden unter Berücksichtigung von Hygienekonzepten statt, die v.a. die Abstandsregeln sicherstellen sollen, oft, indem Mitarbeitende alleine arbeiten – durchaus nachvollziehbar. Nicht allen ist allerdings wohl dabei (und raten Sie mal, ob es eher Frauen oder Männer sind …). Und damit sind wir auch hier wieder bei der Gleichstellung angelangt. Denn auch dieser Realität sollten wir uns bei der Beurteilung von Hygienekonzepten stellen und berücksichtigen, dass das Bedürfnis, sich sicher zu fühlen, nicht nur heißen darf, eine Covid-Erkrankung zu verhindern.

Literatur

Criado Perez, Caroline (2020). Unsichtbare Frauen: Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert. München: btb.


1 https://www.bsr.de/winter-21924.php: „Oberste Priorität beim BSR-Winterdienst haben Stadtautobahnen, Hauptverkehrsstraßen und Straßen mit öffentlichem Personennahverkehr. Erst wenn diese Straßen abgearbeitet sind, kommen Nebenstraßen an die Reihe. Auch Fußgängerüberwege werden vorrangig bearbeitet.“


Weiterführende Literatur

Kern, Leslie (2021). Feminist city: Wie Frauen die Stadt erleben. Münster: Unrast.