Der Arbeitsstelle Provenienzforschung an der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin war es bereits im Frühjahr 2023 gelungen, zwei Exemplare aus dem Besitz des Nederlands Israëlietisch Seminarium te Amsterdam an die heutige Rechtnachfolgerin gleichen Names zu restituieren. Nun konnte ein dritter Band am 25. Juli 2023 zurückgegeben werden.
Das Nederlands Israëlietisch Seminarium (NIS) wurde durch einen Königlichen Erlass vom 26. Februar 1814 gegründet. Das NIS befand sich in der Rapenburgerstraat im Jüdischen Viertel von Amsterdam, neben dem niederländischen Israelitischen Mädchenwaisenhaus.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde Joseph Hirsch Dünner (1833-1911) als Rektor des NIS installiert. Er reorganisierte die Schule und modernisierte die Ausbildung in rabbinischer Literatur. An das Seminar war eine Turnhalle angeschlossen, über die die Studenten zur Universität wechseln konnten. Zu Dünners Schülern gehörten u. a. Abraham Samson Onderwijzer (1862-1934) und Tobias Tal (1847-1898), beide spätere Oberrabbiner in den Niederlanden.
Während der nationalsozialistischen Besatzung der Niederlande wurde das Seminar geschlossen und die Bibliotheksbestände konfisziert. 1943 überführten die Nationalsozialisten den Bestand nach Frankfurt am Main. Die meisten der 60 Lehrer und Schüler wurden während des Zweiten Weltkriegs deportiert und ermordet. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gründete sich das Seminar neu. Teile der nach Frankfurt überführten Bücher wurden zurückgegeben und galten dann bis 1999 als verschollen. Ein Student fand jedoch im März 1999 mehr als 9.000 Bücher auf dem Dachboden einer Amsterdamer Synagoge, die zur historischen Seminarbibliothek gehörten.
Nach Rücksprache mit dem NIS konnte die Arbeitsstelle Provenienzforschung erfahren, dass die im Bibliotheksbestand für Judaistik identifizierten Bücher, den ersten Fund seit 1999 darstellen. Es ist davon auszugehen, dass noch weitere Werke aus dem historischen Bestand des NIS auf ihre Entdeckung warten.
Der Weg in den Bestand der Campusbibliothek der FU Berlin erfolgte durch drei zeitlich unabhängige Einkäufe im Amsterdamer Antiquariat „Spinoza“. Somit gelangten Teile des Bibliothekskorpus des NIS wohl nach 1945 auf dem antiquarischen Markt. Ein Nachweis, dass die in der FU Berlin identifizierten Bände ebenfalls von den Nationalsozialisten nach Frankfurt überführt wurden, konnte bis dato nicht recherchiert werden. Ein mögliche Transportliste existiert nach jetzigen Erkenntnissen nicht.
Umso mehr freut sich das Team der Arbeitsstelle Provenienzforschung darüber, dass im Rahmen ihrer Arbeit drei Bücher aus dem NIS im Jahr 2023 wieder nach Amsterdam zurückgekehr sind.
Die Bücher in LCA: