Insekten sind fiese Viecher. Nicht nur weil sie stechen oder Krankheiten übertragen, sondern weil sie einen völlig in die Irre führen können. Angeregt durch die Erwähnung des Marienkäfers am Rande eines Blogbeitrags geriet ich auf einen Wikipedia-Spaziergang durch die vielsprachige Insektenwelt. Dort begegnete mir bald die luxemburgische Heemelmaus (dt. wörtl. Streichelmaus), die ich nicht sofort kannte. Ich sah daneben ein Insekt mit langen Sprungbeinen und stieß vor der deutschen zuerst auf die niederländische Bezeichnung: huiskrekel.
Hier schlug das geballte Unwissen zu. Ich hatte das Insekt nämlich auf dem Bild schon als Heuschrecke identifiziert und las entsprechend hui-skrekel. Nun ist es erstens peinlich, dass ich von der Systematik dieser Insekten keinen blassen Schimmer hatte (ndl. geen flauw idee hebben): Das Tier, um das es geht, war in Wahrheit die Hausgrille. Grillen gehören zu den Heuschrecken, aber ich hatte mich offenbar zwischen Ordnung, Familie, Gattung und Art vollkommen verlaufen. Zweitens ist es ein linguistisch lustiger Lapsus, dass durch meine zoologische Ignoranz das Verstehen von huiskrekel verrutschte. Denn es gibt natürlich weder eine *skrekel, die mit –schrecke etwas zu tun haben könnte, noch heißt Heu auf Niederländisch *hui (sondern hooi). Ein Licht ging mir auf, als ich las, dass dieses Insekt zu den krekels (dt. Grillen) gehört. Dadurch war dann geklärt, dass das s ganz profan zu huis gehörte.
Ein kurzes Gespräch mit meinem Vater hätte mir viele Irrtümer ersparen können. Wie ich später erfuhr, ist in unserem saarländischen Dialekt und den angrenzenden Regionen offenbar der Begriff Krickermaus oder auch Krickelmaus für die Grille gebräuchlich. Mir war der Begriff nicht geläufig, aber von Krickel- zu krekel wäre es nicht mehr weit gewesen. Nebenan auf Luxemburgisch hilft nun auch das Verb kréckelen weiter, auf Deutsch knistern, knarren oder knarzen. Mit etwas gutem Willen erkennt man darin das Zirpen der Grille wieder. Genau daher soll die niederländische krekel auch ihren Namen bekommen haben.
Auf Deutsch nennt man die Hausgrille häufig auch Heimchen, besonders bekannt im Ausdruck Heimchen am Herd. Geringschätzig bezeichnet man damit eine Frau, die – freiwillig oder nicht – Haushalt und Kinder betreut und daher als nicht besonders weltläufig gilt. Der van Dale übersetzt dies auf Niederländisch als huismus (wörtl. Hausspatz), was aber im Prinzip auf jeden häuslichen, nicht gerade abenteuerlustigen Menschen angewandt werden kann: Neben dem Hausmütterchen also auch der Stubenhocker. Zumindest hier kann ich mir jedenfalls völlig sicher sein: Im Insektenreich befinden wir uns mit dem huismus als Sperling nicht mehr. Aus der Vogelwelt zurück zu den hüpfenden Krabbeltieren führt uns aber der sprinkhaan, der im Deutschen als Heupferd so tut, als sei er ein Säugetier. Das hat er dann wiederum mit der luxemburgischen Heemelmaus gemein. Hahn, Pferd und Maus sind hier also allesamt Insekten. Im Deutschen und den westlichen Nachbarsprachen neigen wir offenbar sehr dazu, Tiere auf eher absurde Weise nach anderen Tieren zu benennen.
Das Heimchen am Herde ist übrigens der Titel eines Werks von Charles Dickens (im Original The Cricket on the Hearth, in ndl. Übersetzung De krekel bij den haard). Das Buch ist eines der weniger bekannten von Dickens‘ Weihnachtsbüchern, zu denen auch A Christmas Carol zählt. Eine schöne Einstimmung auf die baldigen Feiertage bieten diese Geschichten, besonders wenn im Hintergrund gemütlich ein Kaminfeuer kréckelt. Damit hätten wir die Grillen und Insekten sogar noch in die Festsaison eingebunden und wünschen allen Lesenden einen frohen 4. Advent.
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