Vor kurzem war ich verkältet. Ein Buchstabe zu viel? Im Standarddeutschen schon. Zu der Zeit hatte ich aber Familienbesuch, und in unserem Dialekt sind wir verkältet, genau wie im Niederländischen: Ik was verkouden.
Es gehört nicht viel dazu, sich ein paar Viren einzufangen. Dicht gedrängt mit hustenden und niesenden Menschen in der U-Bahn zu stehen reicht aus. Und doch ist der Prozess sprachlich verwunderlich.
Wir Deutschsprachigen scheinen die Verantwortung eindeutig bei den Erkrankten zu sehen. Man erkältet sich, richtet den Schaden gewissermaßen bei sich selbst an. Man kann sich sogar eine Erkältung einfangen – als wäre jemals jemand auf der Jagd danach. Das Ergreifen in kouvatten kommt dem noch einigermaßen nahe, aber das Niederländische sieht ansonsten die Sache nüchterner. Verkouden worden oder raken ist eine simple Zustandsänderung, man könnte sie sogar eher als passiv deuten.
Das Präfix ver- hat in beiden Sprachen eine nahezu undurchdringliche Geschichte. Es drückt in der Regel einfach nur eine Veränderung aus – oft eine zum Schlechteren (keineswegs immer, siehe verbeteren). Dadurch wirkt aus standarddeutschem Blickwinkel verkouden oder verkälten vielleicht etwas durchdringender als erkälten.
Die Vorsilbe er- ist im Niederländischen nicht produktiv und geht in der Regel auf deutschen Einfluss zurück. Man nutzt an derselben Stelle stattdessen ver-, und manche westmitteldeutschen Dialekte tun es offenbar genauso: Gerät ein Bissen vom Braten in den falschen Hals, können wir daran versticken / verstikken. Pflanzt man im Frühjahr die Blumen zu früh, können sie im Frost verfrieren – auf Niederländisch dagegen bevriezen. Man riskiert dann, dass sie nicht erblühen (nl. opbloeien).
Zum Trost wegen der Erkältung schenkte mir meine Tante übrigens ein Glas selbstgemachte Erdbeermarmelade und gab mir dazu einen Küchentipp: Man kann die Marmelade nach dem Kochen in den Tiefkühler packen, dann schmeckt sie immer wie frisch. Sie nur zu befrieren reicht aber nicht, man muss sie schon einfrieren (nl. invriezen oder diepvriezen). Tatsächlich war die Marmelade so lecker, dass ich sie ganz unverfroren innerhalb weniger Tage aufgegessen habe.
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