Vor einigen Tagen ging es auf den Kapverden stürmisch zu. Ein tropischer Sturm namens Fred fegte über die Inselgruppe vor der Westküste Afrikas. De Morgen schrieb dazu: Unieke orkaan aan land in Kaapverdië. Als deutschsprachiger Leser fragt man sich: Was ist so einzigartig an einem Orkan auf den Kapverden? Heftige Stürme dürfte es doch in den meisten Regionen der Welt ab und zu geben.
Erst im Artikel erschließt sich der Kern der Geschichte: Es geht nicht um einen Orkan im deutschen Sinne, sondern um einen Wirbelsturm (nl. wervelstorm). Diese meteorologische Erscheinung ist sonst rund um die Karibik anzutreffen und nicht auf der anderen Atlantikseite: Dort entstehen sie und sind anfangs schwach, bewegen sich aber dann nach Westen und kommen im schlimmsten Fall als Katastrophe auf den Antillen oder dem amerikanischen Festland an. Der niederländische Begriff orkaan ist unglücklicherweise zweideutig und bezeichnet, wie Van Dale erklärt, einerseits einen zware storm und andererseits een tropische cycloon. Um von einem Orkan zu sprechen, ist insbesondere die Windstärke bzw. –geschwindigkeit das entscheidende Kriterium. Der niederländische orkaan unterscheidet dabei nicht zwischen einem „gewöhnlichen“ schweren Sturm und einem Wirbelsturm im tropischen Gebiet.
Der deutsche Zyklon ist in der Regel beschränkt auf die Wirbelstürme im Indischen Ozean und im Pazifik, während wir im Atlantik auf die Entlehnung Hurrikan oder Hurricane zurückgreifen – im Niederländischen kein gebräuchlicher Begriff.
Am Klangbild der beiden Wörter kann man aber fast schon erahnen, dass die Etymologie uns bei der strikten Trennung von Orkan und Hurrikan sowieso einen Streich spielt. Beides geht nämlich zurück auf einen Begriff der Taíno, also der karibischen Bevölkerung aus vorkolonialer Zeit. Von dort ging der huracán über das Spanische in die Sprachen Europas ein, hat sich mal mehr verändert und mal weniger. Das Deutsche war besonders gründlich und hat zweimal entlehnt, als Orkan und als Hurrikan. Wenn wir mitten in Europa eine Orkanwarnung hören, dann sprechen wir etymologisch gesehen selbst beim kältesten Wintersturm eigentlich von einem tropischen Wirbelwind.
Vor allzu großen Wortschatzverwirbelungen bewahrt uns die Angewohnheit, den Stürmen menschliche Namen zu geben. Wenn von „Fred“ die Rede ist, dann brauchen wir uns nicht mehr zu entscheiden, ob wir es nun mit einem orkaan, einem cycloon oder einem Hurrikan zu tun haben. Im Nordatlantik vergibt zum Beispiel das National Hurricane Center in den USA die Namen für besonders starke Stürme. Unsere Kollegen vom Institut für Meteorologie der Freien Universität dagegen haben es meist mit weniger dramatischen Phänomenen zu tun: Sie benennen für den deutschen Sprachgebrauch die Hoch- und Tiefdruckgebiete, gegen eine Spende auch mit Wunschnamen. Der letzte Fred in Deutschland war jedenfalls ein friedfertiger Zeitgenosse.
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