Nederlands

Beobachtungen zur niederländischen Sprache

Nur mal so

Geschwindigkeit ist Weg pro Zeit, so haben wir es alle im Physikunterricht gelernt. Was aber wenn Weg und Zeit dasselbe sind? Dann sind wir nicht mehr in der Physik, sondern in der Sprache. Räumliche Metaphern erleichtern das Verständnis von der Abstraktheit der Zeit. Eine Tradition, die weit zurückreicht, greift nicht etwa hinter sich, sondern sie ist alt – das Alter begreifen wir besser, wenn wir es uns räumlich vorstellen. Ähnlich wenn wir in die Zukunft vooruitkijken, denn natürlich liegt die kommende Zeit nicht im Wortsinne räumlich vor uns.

Vor und zurück sind als übertragene Richtungskonzepte einigermaßen transparent und intuitiv fassbar (jedenfalls in unseren Sprachräumen, andere Sprachen gehen mit Raum-Zeit-Verhältnissen anders um). Etwas schwieriger ist es mit Zeitpunkten oder klar abgeschlossenen Zeitabschnitten. Nicht so durchsichtig ist beispielsweise der räumliche Hintergrund von Mal oder keer. Einmal ist keinmal oder één keer is geen keer – was soll daran räumlich sein?

Kehren, wie hier in Südtirol, sind im niederländischen Sprachraum eher selten. (Horemu, CC-BY-SA 2.0)

Das deutsche Mal und auch das niederländische maal sind in einem nebulösen etymologischen Dickicht verstrickt, in dem sich räumliche und zeitliche Bedeutung gegenseitig bedingen. Eine indogermanische Wurzel mit dem Bedeutungskern abschreiten, messen ergab eine Bewegung, die man auch als Zeitabschnitt deuten konnte. Konkurrierende Vorschläge weisen aber auf das Mal im Sinne von Fleck, Punkt  – wie beispielsweise in Wundmal oder Denkmal -, das genauso gut einen Zeitpunkt andeuten kann. So oder so ist jedenfalls das deutsche Mal ein räumlich-zeitlicher Begriff. Damit hängt wohl auch das Mahl zusammen, nämlich als regelmäßig wiederkehrender Zeitpunkt, an dem gegessen wird.

Auf Niederländisch ist anstelle von maal in der Regel das Wörtchen keer geläufiger. Überraschend simpel geht das Wort zurück auf keren, also das Verb mit der Bedeutung von umdrehen, wenden, zurückkommen – auf Deutsch: (um)kehren. Wer twee keer op bezoek komt, der kehrt zweimal um – oder sogar: er kehrt wieder, in etwas veraltetem Deutsch. Wer aber twee keer belt, der kann dabei auch auf dem Sofa sitzen bleiben, das Umdrehen oder Zurückkehren zur Tätigkeit des Anrufens ist dann gänzlich metaphorisch. Das Luxemburgische ist hier übrigens wieder ganz nah beim Niederländischen: eng kéiereen keer – einmal. Und selbst das Italienische schließt sich dem Muster an, mit una volta.

Zurückgekehrt sind inzwischen auch wir alle aus unserem Urlaub, und wir bereiten uns ein weiteres Mal auf ein neues Semester vor, in dem wir bestimmt wieder neue sprachliche Kuriositäten ausgraben.

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Der Beitrag wurde am Dienstag, den 11. Oktober 2016 um 09:26 Uhr von Philipp Krämer veröffentlicht und wurde unter Etymologie, Sprachvergleich abgelegt. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare und Pings sind derzeit nicht erlaubt.

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