Zu unpolitisch, zu träge, zu leidenschaftslos – dies und mehr hört man oft über die heutige Generation der jungen Menschen, die an unseren Unis studieren. Stimmt natürlich nicht, wie man zum Beispiel an den vielen Initiativen für Geflüchtete sieht, die unsere Studierenden in kürzester Zeit auf die Beine gestellt haben. (Nur zur Erinnerung: Das Programm Welcome@FUBerlin, mit dem sich die FU rühmt, funktioniert in erster Linie durch das freiwillige Engagement von Studierenden.)
Was wir im Augenblick selten erleben, sind Streiks, Kundgebungen oder Proteste. Nicht so in Südafrika. Dort geht es für viele Studierende immer noch um die nackte Existenz: Kann ich mir ein Studium überhaupt leisten? Wie soll ich das bezahlen?
An der Witwatersrand-Universität und anderen Hochschulen entladen sich diese grundlegenden Fragen jetzt in Protesten und leider auch in Gewalt. Die Regierung wollte eine Anhebung der Studiengebühren durchsetzen, wodurch für junge Menschen aus weniger wohlhabenden Familien der Zugang zu einer Universitätsausbildung schwierigier würde. Höhere Bildung wäre dann künftig noch mehr als ohnehin schon ein Privileg für wohlhabende Weiße. Grund genug für einige Protestler, gleich den Namen der renommierten Universität zu ändern, nämlich in University-of-the-Whites-With-Rands.
Der Rand ist die südafrikanische Währung. Die hat ihre Namen wiederum selbst vom Witwatersrand, einer geologischen Formation in der Umgebung von Johannesburg. An einer langen Felsenkante entlang stürzen zahlreiche schäumende Wasserfälle hinab – so schnell kommt man zur Bezeichnung: Weiße Wasserkante. Und weil in diesen Felsen ziemlich viel Gold gefunden wurde, aus dem man Münzen prägen konnte, hieß also auch das Geld kurz und knapp Rand. Die aktuellen Geldscheine tragen auf der Vorderseite eine Beschriftung auf Englisch, auf der Rückseite immer in zwei anderen der vielen offiziellen Sprachen des Landes. Afrikaans ist am wenigsten wert: Es steht auf der 10-Rand-Note.
Wer an der Witwatersrand-Universität studieren will, braucht nicht nur Rand ohne Ende, sondern idealerweise auch ein bisschen Köpfchen – auf Englisch wits. Fertig ist ein afrikaans-englisches Wortspiel, nämlich der Kurzname der Universität: Wits. Die Uni hat den Namen Wits verständlicherweise längst zum Markenzeichen gemacht, wie schon die Webseite und die URL dazu verraten. Obwohl das Toponym afrikaans ist, wie so viele in Südafrika, ist die Wits traditionell eine englischsprachige Hochschule, an der man inzwischen aber auch einige der lokalen Sprachen studieren kann. In der gesamten Debatte und bei den Protesten ist Afrikaans mehr oder weniger außen vor. Zu sehr wird die Sprache an sich schon mit weißen Privilegien assoziiert, so dass es für viele absurd wirken würde, Empörung gegen die Ungleichheit auf Afrikaans zu artikulieren. Unter dem quasi-offiziellen Hashtag der Bewegung #feesmustfall findet man auf Twitter praktisch nur englischsprachige Tweets, aber auch eine weitere sehr deutliche Geste. Studierende singen eine „dekolonisierte Nationalhymne“, also ohne die Textteile in den Kolonialsprachen Afrikaans und Englisch:
"The decolonized national anthem." || #Wits #Fees2017 #FeesMustFall pic.twitter.com/86lClvftRd
— Lindokuhle Xulu (@LindokuhlXulu1) October 7, 2016
Den weniger betuchten Studierenden in Südafrika ist jedenfalls zu wünschen, dass sie durch die Bildungspolitik nicht noch weiter an den Rand gedrängt werden.
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