Heute wird in den Niederlanden gewählt und wir erleben wieder ein Beispiel für die Realitäten in einer Frustdemokratie: Kaum jemand geht noch leichtfüßig zum Wahllokal und freut sich, am demokratischen Prozess teilhaben zu dürfen. Die einen stimmen aus Protest für zweifelhafte Krawallmacher. Die anderen ärgern sich, dass dadurch die Aufmerksamkeit vom demokratischen Spektrum abgelenkt ist und ihre Stimme kaum wahrgenommen wird. Manch einer fühlt sich missbraucht als Stimmvieh, das nur brav die „richtige“ Partei wählen und ansonsten den Mund halten soll.
Wem das zu dröge ist, der könnte versucht sein, sich den Wahlvorgang ein bisschen schön zu trinken. Das ist noch nicht einmal komplett verboten, solange man den Ablauf im Wahllokal nicht stört. Was sonst noch erlaubt oder untersagt ist am Wahltag, darüber klärt eine Übersicht im NRC auf.
Die Anleitung zum Wählen zeigt nicht nur ein paar Besonderheiten des niederländischen Wahlsystems, sondern ist auch ein hervorragender Einstieg in den Spezialwortschatz der Wahlen.
Stempas
Alle Wahlberechtigten in den Niederlanden bekommen einen Stimmpass, also ein Dokument, das sie bei Wahlen vorzeigen um zu belegen, dass sie tatsächlich abstimmen dürfen. In Frankreich gibt es etwas Ähnliches, die carte électorale. In Deutschland kennen wir so etwas nicht – man ist automatisch ins Wählerverzeichnis eingetragen oder muss sich nach einem Umzug rechtzeitig darum kümmern. Dafür bekommt man vor der Wahl eine Wahlbenachrichtigung. Das belgische Pendant dazu ist der oproepingsbrief. Aus dem französischen Begriff convocation geht noch deutlicher hervor, dass es sich dabei eher um eine Einbestellung handelt – Wahlpflicht, wir erinnern uns.
Stembiljet
Auch wenn es schön klingt, mit diesem Billett kann man weder Zug noch U-Bahn fahren. Der Stimmzettel sieht ungefähr so aus wie in Deutschland, kann aber noch deutlich unhandlicher sein, siehe Parteienvielfalt. Besonders wichtig: Der Wahlzettel muss mit einem roten Stift ausgefüllt werden.
Machtiging
Wer seine Stimme nicht selbst abgeben kann, darf jemanden damit beauftragen in seinem Namen zu stimmen. Der muss dann eine Vollmacht vorweisen, um mehr als einen Stimmzettel ausfüllen zu dürfen.
Stemhokje
Das Wörtchen hok hat eine etwas unklare Herkunft, bezeichnet jedenfalls einen kleinen, abgegrenzten Raum. Hier also die Wahlkabine. Hokjes trifft man sonst eher in der Landwirtschaft an: ein kleiner Stall für Schafe oder Schweine. Ein Schelm, wer dabei wieder ans Stimmvieh denkt.
Stemfie
Natürlich nicht die niederländische Übersetzung von Stimmvieh, und auch kein Teil der offiziellen Wahlterminologie. Das stemfie ist eine Wortneuschöpfung auf Basis von selfie: Immer mehr Wahlberechtigte finden es toll, in der Wahlkabine ein Foto mit ihrem ausgefüllten Stimmzettel zu machen und irgendwo in sozialen Netzwerken zu veröffentlichen. Erlaubt ist das, solange man nicht das Wahlgeheimnis anderer verletzt oder den Wahlvorgang stört. Ob man den Trend gut findet oder nicht – begeistert im Internet zu zeigen, dass man an der Demokratie teilgenommen hat, ist vielleicht sogar ein Zeichen dafür, dass längst nicht alle mit Frust und langem Gesicht zum Wahllokal trotten.
Tags: Auf Deutsch, Politik, Wahl 2017
Am 15. März 2017 um 19:40 Uhr
VIDEO. Zo ziet het stembiljet van de Nederlanders eruit.