Von Undine Günther
Ich werde nie vergessen, wie ich, auf der Suche nach einer Wohnung in Rotterdam, immer wieder über den Satz stolperte: „In der Nähe von Albert Heijn“ und mich gefragt habe, wo denn dieser Ort sei, in dessen Nähe alle zu wohnen scheinen. Es stellte sich heraus, dass Albert Heijn einer der besten, wenn auch teuersten, To-Go Supermärkte ist, in dem ich je gewesen bin und der Liebling aller Niederländer.
Gewohnt habe ich schlussendlich allerdings nicht in Rotterdam, sondern in Schiedam, eine Stadt, die direkt an Rotterdam grenzt. Daher bin ich jeden Morgen und jeden Nachmittag mit meinem gemieteten Fahrrad 25 Minuten nach Rotterdam rein und wieder rausgefahren. Ich muss allerdings zugeben, dass es mich bei Regen und Kälte in die U-Bahn verschlagen hat, wo ich, zu meiner Verwunderung, fast alleine saß, denn Regen ist kein Grund nicht Fahrrad zu fahren. Es gibt im Grunde keinen Grund nicht Fahrrad zu fahren. Wozu gibt es denn Regenhosen und Jacken und Mützen? Und da man sich des Wetters in den Niederlanden nie sicher sein kann, hat man zudem immer alles dabei, selbst wenn es wolkenlose 30 Grad werden sollen. Dass die Niederländer immer gerne Fahrrad fahren, ist den gut ausgebauten Fahrradwegen und Schnellstraßen zu verdanken. Aber ich glaube, darüber brauche ich hier kaum ein Wort zu verlieren, denn wir wissen alle, dass die Niederländer in der Hinsicht sehr viel weiter sind. Allerdings muss man bemerken, dass dies nicht in allen Städten zutrifft. Amsterdam hat es mit seinen schmalen Gassen etwas schwerer zweispurige Fahrradwege in das Stadtbild zu integrieren. Rotterdam hatte es da nach dem Krieg leichter.
R´dam, wie es auch so schön heißt, setzt sich aber nicht nur dahingehend von Amsterdam ab. Es ähnelt nämlich nur noch an sehr wenigen Stellen einer niederländischen Stadt, so wie sie im Buche steht. Manchmal schien es mir als wäre der Bürgermeister von Rotterdam eines morgens aufgewacht und hätte gesagt: „Wir holen uns jetzt Architekten hierher, die alle einmal machen dürfen, was sie wollen.“ So schießen an jeder Ecke die verrücktesten Gebilde aus der Erde, die grundsätzlich erstmal von den Rotterdamern gehasst und nach einer gewissen Eingewöhnungszeit geliebt werden.
Dass ich hier so viele Vergleiche zwischen Rotterdam und Amsterdam ziehe, liegt wahrscheinlich daran, dass man, wohnt man in einer der beiden Städte, ziemlich schnell mitkriegt: Rotterdam und Amsterdam hassen sich. Und man sollte sich hüten, den einen Städtenamen in der anderen Stadt überhaupt laut auszusprechen. Stattdessen sagt man einfach 020 für Amsterdam und 010 für Rotterdam. Die Zahlen stehen für die Vorwahlen der beiden Städte. Und man bemerke: Rotterdam ist ausnahmsweise Nummer eins!
Was meine Arbeit am Goethe-Institut angeht, habe ich mich gefühlt als hätte ich Deutschland nie verlassen. Alle sprachen Deutsch, aßen Deutsch, beschäftigten sich konstant und konsequent 40 Stunden die Woche mit Deutschland. Dies hat allerdings dazu geführt, dass ich mich mit der Kultur meines eigenen Landes so intensiv auseinandergesetzt habe, wie ich es in Berlin nie getan hätte. Ich habe Lesungen und Filmabende mitorganisiert und durchgeführt, deutsche Literatur recherchiert und die Bibliothek und ihre Besucher betreut. Aber vor allem habe ich unter Anleitung der neuen Bibliotheksleiterin die Social-Media-Präsenz des Institutes auf Vordermann gebracht. Dabei habe ich mir Quizze ausgedacht und gestaltet, Posts zur deutschen und niederländischen Sprache entwickelt und Gifs und Videos für die Sprachabteilung entworfen. Ich durfte unglaublich kreativ sein und meiner Fantasie freien Lauf lassen, solange es Follower und Likes zur Folge hatte, und ich bin mir jetzt sicher, dass der Bereich Social Media auch der sein wird, in dem ich später gerne einmal arbeiten möchte.
Doch trotz der deutschen Kultur, die hier hinter jeder Ecke lauerte, gab es hier und da immer wieder Kleinigkeiten, die mir versicherten, dass ich mich in den Niederlanden befand, wie z.B. das all freitägliche borrelen. Bei diesem wunderbaren niederländischen Brauch sitzt man jeden Freitagnachmittag nach der Arbeit zusammen und trinkt Wein und Bier, isst Chips und lässt die Woche ausklingen. Es gibt meiner Meinung nach keine bessere Art und Weise das Wochenende willkommen zu heißen.
Ein Tag, den es sich lohnt hier noch zu erwähnen, ist der 27. April: Koningsdag! An diesem Feiertag verwandeln sich die Straßen zu Flohmärkten, überall wird Musik gespielt und wer nicht Orange trägt, sollte sich gar nicht erst draußen blicken lassen. Alle Menschen sind gut gelaunt und wenn das Wetter mitspielt, geht man morgens aus dem Haus und kehrt bis abends nicht mehr zurück. Es ist wunderbar.
Eins ist jedenfalls klar: die Niederländer sind ein witziges Volk, mit ihrem Käse und ihrer Fahrradpolizei, wenn sie am Strand uitwaaien (was soviel heißt wie frische Luft schnappen), oder Kroketten aus Automaten ziehen.
Tags: Auf Deutsch, Gastbeitrag, Verkehr
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