Ein einfach gestrickter Durchschnittsfranzose teilt die Welt in drei Zonen ein: Paris, Provinz, Ausland. Die „Provinz“, das ist nicht nur ein geographischer Begriff für „ganz Frankreich außer Paris“, sondern damit verbindet man ein ganzes Bündel an Vorurteilen. Die Menschen dort, so behauptet man, seien hinterwäldlerisch, von Modernität und Weltläufigkeit unberührt, aber auch authentisch und erdverbunden. Kurz gesagt: provinziell.
All das sind selbstverständlich unfreundliche Unterstellungen – aber auch eine unfreundliche Unterstellung muss man gelegentlich erklären. Woraufhin ich, um dieses Konzept in niederländische Worte zu fassen, den Neologismus provincieel ersann. Etwas robuster könnte man natürlich behaupten, es war einfach ein Fehler und keine neue Wortschöpfung. Aber es gab dabei einen Hintergedanken.
Meiner Meinung nach war nämlich provincieel keineswegs dasselbe wie provinciaal. Genauso wenig wie provinziell dasselbe sein sollte wie provinzial. In meinem individuellen Lexikon gab es zwei ganz klar unterscheidbare Kategorien: provinzial bzw. provinciaal sollte ein neutraler Begriff sein für „mit Bezug zu einer Provinz“ – also mit administrativer, politischer oder geographischer Bedeutung. Das erschien mir schlüssig, wenn man an die Provinciale Staten denkt, also die Parlamente der niederländischen Provinzen. Den Abgeordneten möchte man nicht unbedingt pauschal unterstellen, dass sie alle provinziell denken, aber sie sind Vertreter in einem provinzialen Gremium. Provincieel bzw. provinziell sollte nach meiner Vorstellung eine Geisteshaltung sein, nämlich genau das, was man in Paris der restlichen Republik unterstellt.
Der Haken bei der Sache ist leider: provincieel und provinzial gibt es nicht.
Auf Deutsch existiert die kirchliche Amtsbezeichnung eines Provinzials, der ebenso auf Niederländisch provinciaal heißt. Auch eine deutsche Versicherung nennt sich so. Als Preußen noch in Provinzen eingeteilt war, war dieser Begriff etwas geläufiger, aber heute scheint er in Vergessenheit geraten zu sein. Im Niederländischen ist alles provinciaal, also sowohl die Zuschreibung an das vermeintlich zurückgebliebene Landvolk als auch die höchstoffiziellen Institutionen und Verwaltungsbegriffe der Provinzen.
Mein individuelles Lexikon hat eine Unterscheidung geschaffen, die vermutlich in dieser Eindeutigkeit nur meine eigene Erfindung war. Eine Unterscheidung, die ich weiterhin höchst notwendig finde. Jedenfalls zumindest im Zusammenhang mit den Niederlanden und Belgien, wo es schließlich auch heute noch die Verwaltungsebene der Provinzen gibt. Trägt es nicht bloß zur Politikverdrossenheit bei, dass man keine Möglichkeit hat, zwischen Provinciale Staten und provinciële staten zu differenzieren?
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