„Als Tom seine Hausaufgabe vorlesen sollte, war er nicht einmal mehr in der Lage, einige Sätze ernsthaft und korrekt vor der Klasse vorzutragen …“

Ein Beitrag von Patrice v. G.

Während meiner Hospitation im Unterricht der 6. Klasse saß ich in der letzten Reihe neben Tom (Name geändert) einem aus meiner Sicht sehr leistungsstarken Schüler, der keine Probleme hatte, die gestellten Aufgaben korrekt zu bearbeiten. In der darauffolgenden Stunde saß Tom jedoch neben seinem Freund Luis (Name geändert), der mir schon vorher aufgrund seines albernen Verhaltens als Quelle für Unterrichtsstörungen aufgefallen war und ein nicht so leistungsstarker Schüler war. Tom übernahm dieses Verhalten leider sehr schnell, was sich negativ auf seine Konzentration auswirkte.

Als Tom seine Hausaufgabe vorlesen sollte, war er nicht einmal mehr in der Lage, einige Sätze ernsthaft und korrekt vor der Klasse vorzutragen, obwohl er sie nur hätte ablesen müssen. Frau X hat die Quelle der Störung sehr schnell erkannt, Tom an einen anderen Platz gesetzt und beide Schüler in einem ruhigen Moment persönlich darauf hingewiesen bitte leise zu sein und sich nicht gegenseitig abzulenken. In den folgenden zehn Minuten achtete Frau X besonders darauf, Tom und Luis möglichst oft in den Unterricht miteinzubeziehen und beide beteiligten sich nun deutlich besser am Unterricht. Im zweiten Teil der Stunde sollten die Schülerinnen und Schüler in Gruppenarbeit Sätze bilden. Sie erlaubte Tom und Luis sich wieder nebeneinander zu setzen, da sie gut mitgearbeitet hatten, sagte ihnen vorher aber deutlich, dass sie im Falle einer erneuten Störung wieder auseinandergesetzt werden. Interessanterweise konnten die beiden Schüler für den Rest der Stunde ordentlich und konzentriert miteinander arbeiten.

Meine Einsichten

In diesem Beispiel ist das Monitoring der Lehrperson besonders gut gelaufen. Frau X hat schnell erkannt, dass die Unkonzentriertheit von Tom nicht etwa mit seinem kognitiven Auffassungsvermögen oder seiner emotionalen Stimmung an diesem Tag zusammenhing, sondern lediglich mit dem sozialen Umfeld, in dem sich der Schüler in diesem Moment befand. Als besonders wertvoll empfand ich jedoch die Methode der Lehrkraft, die Schüler für zehn Minuten auseinander zu setzen und sie möglichst oft in den Unterricht miteinzubeziehen, um sie erneut zu aktivieren und für das Unterrichtsgeschehen zu begeistern und ihnen anschließend eine zweite Chance zu geben, unter der Bedingung, dass sich die Schüler nun an die vorgegebenen Klassenregeln hielten. Dies zeigt das Vertrauen, dass die Lehrkraft den Schülern gegenüber zeigt und schafft eine angenehmere Lernatmosphäre im Klassenraum.

Meine Folgerungen

Situationen wie diese sind während meines Praktikums häufiger aufgetreten und zeigen, dass eine fest etablierte, von der Lehrkraft vorgegebene Sitzordnung gerade in den jüngeren Jahrgängen für ein deutlich angenehmeres und förderlicheres Unterrichtsklima sorgt. Es ist also hilfreich, sobald man in eine neue Klasse kommt, zu beobachten, welche Peers innerhalb der Klasse entstehen oder bereits existieren und anhand dessen möglichst früh eine feste Sitzordnung zu erstellen und möglichst einzuhalten.

Ebenfalls nehme ich mit, dass kurze und ruhige Bitten, die direkt, also nicht vor der gesamten Klasse, an Schüler und Schülerinnen gerichtet sind, oft mehr Wirkung erzielen, als eine strenge, öffentliche Ansage, da der Schüler oder die Schülern sonst blockieren könnte.

Meine Anschlussfragen

  • Wie wichtig ist die Klassendynamik?
  • Sollte ich nach bestimmten Intervallen regelmäßig die Sitzordnung ändern?
  • Worauf muss ich beim Erstellen von Sitzordnungen noch achten?
  • Lernen Schülerinnen und Schüler besser mit ihren Freund*innen oder mit anderen Klassenkameraden?
  • Was ist die effektivere Unterrichtsmethode: Ein fester Klassenverband oder einzelne, fachbezogene Kurse?

3 Gedanken zu „„Als Tom seine Hausaufgabe vorlesen sollte, war er nicht einmal mehr in der Lage, einige Sätze ernsthaft und korrekt vor der Klasse vorzutragen …““

  1. Der Blogbeitrag gibt einen sehr interessanten Einblick, wie eine Lehrperson mit Störungen umgehen kann, ohne den Unterricht zu unterbrechen. Zudem kann aus dem Blogbeitrag die Leser_innen lernen, wie eine Lehrperson die Methoden der Bestrafung bzw. Belohnung gut einsetzen kann.
    Denn auf der einen Seite hat die Lehrerin das Verhalten der Schüler für einen kurzen Moment bestraft. Indem die Lehrerin die beiden Schüler getrennt hat. Allen voran hat die Lehrerin, dabei sehr auf den Unterrichtsfluss geachtet. Die Lehrerin hat einfach den richtigen Moment für die Ermahnung abgepasst. Mit diesem Vorgehen hat die Lehrerin keine Unruhe in die Klasse gebracht und gleichzeitig den beiden Schüler Ihr Fehlverhalten erklärt. Wodurch sich höchstwahrscheinlich keiner der beiden Schüler ungerecht behandelt gefühlt hat.
    Auf der anderen Seite hat die Lehrerin, die beiden Schüler auf positive Art und Weise wieder in den Unterricht integriert. Des Weiteren hat die Lehrerin dann, die beiden Schüler für Ihre gute Mitarbeit belohnt. Durch die Belohnung verstärkt die Lehrerin noch einmal den positiven Effekt Ihrer Maßnahme. Zudem fand ich gut, dass die Lehrerin erneut die beiden Schüler auf die Handlungsregeln im Ihren Unterricht hingewiesen hat. Dadurch herrschte für alle Beteiligten Klarheit, wie man sich im Unterricht zu verhalten hat. Im Endeffekt hat die Lehrerin alle Ihre Maßnahmen durchgeführt, ohne dabei eine schlechte Stimmung in der Klasse zu erzeugen. Alle Schüler wurden Fair behandelt.

  2. Der Blogeintrag zeigt, dass Kinder grade in jungen Jahren noch sehr beeinflussbar sind und es hilfreich ist als Pädagoge Störungsquellen schnellstmöglich zu erkennen und diese zu separieren. Sehr gut finde ich auch wie die Lehrkraft es erreicht hat beide Schüler wieder am Unterricht zu interessieren und einzubinden, damit sie keinen Grund haben zu stören. Die Schüler schienen mir sehr gut auf die Aktionen der Lehrerin einzugehen, da sie ihnen danach in der Gruppenarbeit einen Vertrauensvorschuss gewährte und sie wieder zusammenarbeiten lies, dabei haben sie produktiv miteinander gearbeitet um der Lehrerin zu zeigen, dass die beiden Aufmerksam und aktiv am Unterrichtsgeschehen teilnehmen.

  3. Ich finde die Frage, ob man als Lehrkraft eine feste Sitzordnung vorgeben sollte (v.a. in höheren Klassenstufen), schwierig zu beantworten. Man sieht zwar immer wieder, dass die Konzentration von Schüler:innen stark durch die Sitznachbar:innen beeinflusst werden kann, aber festgelegte Sitzordnungen funktionieren auch nicht immer gut. Natürlich wollen Freund:innen gerne zusammensitzen und vielleicht trauen sich z.B. auch schüchterne Schüler:innen in Gruppenarbeiten eher etwas zu sagen, wenn sie mit Freund:innen in einer Gruppe sind. Das kann aber auch zu mehr Störungen führen.
    Eine Methode, die ich oft erlebt habe, ist Folgende: leistungsstarke und „brave“ Schüler:innen werden als eine Art Bollwerk zwischen die Störenden gesetzt. Das kann aber dazu führen, dass sich genau diese „braven“ Schüler:innen bestraft fühlen und dadurch Motivation verlieren. Denn auch sie werden dadurch von ihren Freund:innen weggesetzt, obwohl sie gut mitgearbeitet haben.
    Die hier beschriebene Methode der Lehrerin ist deshalb besonders positiv. Sie sucht das (private) Gespräch mit den Störenden, setzt sie nur für kurze Zeit auseinander und lässt sie im Anschluss (unter der Auflage, dass es nun ruhiger sein muss) wieder zusammen arbeiten. Das Monitoring hat hier sehr gut funktioniert und später möglicherweise entstehende Störungen wurden präventiv verhindert.
    Und das sollte doch auch das Ziel pädagogischen Handelns in Schulen sein: Dass alle Schüler:innen konstruktiv zusammenarbeiten können.

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