Ein Beitrag von Lara K.
Ich saß bereits hinten in der Klasse der 5b auf meinem Platz, als Karl (Name geändert) in den Klassenraum kam. Wenige Sekunden nachdem der Unterricht begann, begann auch Karl unruhig zu werden. Erst kippelte er, einen kurzen Moment später hat er sich schmollend auf den Boden gelegt und seinen Stuhl als Bett umfunktioniert.
Karl hat einen höheren Bedarf an Betreuung und Förderung, daher sagen die Lehrerinnen nicht sofort etwas, wenn Karl nicht dem Unterricht folgt, solange er nicht den Unterrichtsfluss stört. Nach mehrfachem Probieren meinerseits, Karl für die Englischstunde zu motivieren, setzte er sich irgendwann störrisch auf seinen Stuhl. Kurz darauf redete er in den Unterricht rein, ohne sich zu melden und beantwortete zwar teilweise die Fragen der Lehrerin richtig, wurde jedoch nicht aufgefordert zu reden und unterbrach so andere Kinder aus der Klasse. Daher ignorierte die Lehrerin auch Karl und beachtete nicht seine lauthalsen Äußerungen.
Die Lehrerin war gerade an der Tafel, als Karl erneut reinrief, diesmal reagierte die Lehrerin auf seinen Kommentar und antwortete ihm. Daraufhin ging eine Schülerin schnurstracks Richtung Tafel, vor der zwei Große Gläser stehen, eins mit vielen Murmeln drin und ein leeres. Sie öffnete das eine Glas und nahm eine Murmel heraus und legte sie in das andere. Denn jedes Mal, wenn die Lehrerin auf einen unaufgeforderten Kommentar oder Frage eines Kindes eingeht, darf ein anderes Kind eine Murmel wegnehmen, um zu signalisieren, dass die Lehrerin nur Schülerinnen rannehmen darf, die sich melden. Andersherum darf auch die Lehrerin eine Murmel aus dem Glas der Schülerinnen nehmen, wenn sie nach dem Gong noch nicht auf ihrem Platz sitzen oder nicht auf die Aufforderungen der Lehrkraft hören.
Meine Einsichten
Zunächst wusste ich nicht, wie ich damit umgehen sollte, dass die Lehrerin permanent einen Schüler komplett ignoriert und ihn quasi wie Luft behandelt, obwohl man sein Verhalten nicht übersehen und überhören kann. Zudem fiel es mir umso schwerer, nicht in die Situation einzugreifen, da der Schüler nur 10 cm von mir entfernt auf dem Boden lag und pausenlos herumwuselte und sich neue Beschäftigungen suchte. Als die Lehrerin dann „aus Versehen“ doch auf ihn reagierte, wussten die Schüler*innen direkt, was sie machen durften. Dies finde ich eine gute Konsequenz, dass nicht nur die Kinder ermahnt werden, wenn sie „Fehler“ machen, sondern die Schüler*innen auch das Recht haben, die Lehrerin zu korrigieren. Durch das Eingehen der Lehrerin auf den Schüler, der den Unterricht stört, fühlt er sich beachtet und merkt, dass er sich nicht melden muss und trotzdem die Aufmerksamkeit bekommt.
Meine Folgerungen
Wie bereits erwähnt, folgere ich aus meiner Erfahrung, dass es manchmal bestimmte Konsequenzen braucht, auch wenn es auf den ersten Blick nicht fair wirkt, eine/n Schüler*in zu ignorieren, obwohl er/sie direkt die Lehrkraft anspricht. Jedoch bekommt so das Kind, welches den Unterricht stört, nicht genügend Aufmerksamkeit, die es sich durch sein Verhalten erwünscht und wird so nicht weiter dazu motiviert, sein Verhalten fortzusetzen. Außerdem wissen die Kinder in der Klasse, wenn eine Murmel aus dem Glas genommen wird, muss im Endeffekt die gesamte Klasse die Konsequenzen dafür tragen.
Meine Anschlussfragen
Ist es in Ordnung, eine/n Schüler*in zu ignorieren, auch wenn er/sie immer wieder die Lehrkraft anspricht bzw. den Unterricht stört?
Dürfen nur die Lehrer*innen auf das Fehlverhalten von Schüler*innen hinweisen, oder ist es fair, wenn die Schüler*innen auch das Recht haben, die Lehrkraft zu verbessern?