Ein Beitrag von Kristina
Die Situation ereignete sich nach der großen Pause in einer SaPh-Klasse. „SaPh“ steht hierbei für Schulanfangsphase, in der Erst- und Zweitklässler gemeinsam lernen. Die ersten Kinder betraten den Klassenraum und waren sichtlich aufgebracht. Sie berichteten mir davon, dass in der Hofpause ein Junge aus der Klasse mit Steinen nach ihnen geworfen hat. Das eine Mädchen hielt sich den Arm fest, an dem sie getroffen wurde und ich versuchte, sie zu trösten. Nach und nach kam auch der Rest der Kinder und es wurde noch lauter als es vorher bereits war. Einige der Mädchen fingen an, zwei Jungen anzuschreien und immer wieder einzufordern, dass sie sich entschuldigen sollten. Daraufhin betrat die Lehrkraft den Klassenraum und fragte sofort, was geschehen sei.
Die Klasse war allgemein in einer recht aufgebrachten Stimmung. Die Lehrkraft statuierte, dass sie schockiert sei über das Verhalten der beiden Jungen und sie solch ein Verhalten in keiner Weise duldet. Plötzlich fing einer der beiden Jungen an zu weinen und äußerte, dass sein Bruder gestorben sei. Die Lehrkraft ging auf den Jungen zu, versuchte ihr Mitgefühl zu zeigen und ein wenig Trost zu spenden, indem sie ihre Hand auf seine Schulter legte. Gleichzeitig verfolgte sie eine klare Linie und erklärte der gesamten Klasse, dass jeder Mensch Fehler mache und sie davon auch nicht frei sei. Deshalb sei es umso wichtiger zu lernen, zu seinen Fehlern zu stehen und um Entschuldigung zu bitten. Diese Ansprache führte dazu, dass Ruhe einkehrte. Der Matheunterricht konnte starten. Am Ende der Mathestunde sind die beiden Jungen selbstständig aufgestanden und haben sich bei den Mädchen entschuldigt.
Meine Einsichten
In dieser Situation hatte ich den Eindruck, dass es unmöglich sei, mit dem Unterricht zu starten, da die Klasse sehr aufgebracht war. Doch die einfühlsame und klare Haltung der Lehrkraft sorgte dafür, dass die heftige emotionale Erregung mancher Kinder sich zunehmend legen konnte. Was mir aufgefallen ist, war die ruhige Stimme der Lehrkraft. Trotz großer Unruhen schaffte sie es selbst, Ruhe zu bewahren. Mir ist klargeworden, dass solche Situation natürlich sehr fordernd sein können, aber als Lehrkraft kann man einen starken Einfluss auf die Klasse haben, sodass sich selbst solche hitzigen Streitereien zum Guten wenden können. An der Stelle fehlte es mir an der beruflichen Erfahrung und an Selbstvertrauen, um eingreifen zu können, weshalb ich mich vielmehr nur als stille Beobachterin wiederfand. Doch der Umgang der Lehrkraft mit der Situation hat mir gezeigt, dass es so gut wie immer einen Weg gibt, um die Klasse wieder in den Griff zu bekommen.
Meine Folgerungen
Als zukünftige Lehrerin möchte ich ebenfalls so eine klare Haltung an den Tag legen können und deeskalierend auf die Schülerinnen und Schüler wirken. Dafür ist es aber notwendig, sich von emotional aufgeladenen Situationen und Anmerkungen nicht mitreißen zu lassen. Hierbei kann ich an meinen eigenen Emotionen und ihrer Regulation arbeiten. Außerdem wäre es hilfreich, eine professionelle Distanz zum Geschehen einzunehmen, um selbst nicht zu involviert in die Situation zu sein. Dort, wo viele Menschen aufeinandertreffen, entstehen Spannungsräume und es ist weder den Kindern noch mir selbst dienlich, mich allen Konflikten vollständig hinzugeben und sie von Grund auf lösen zu wollen. Ich habe in der Zeit zwischen der Pause und dem Matheunterricht natürlich versucht, mit den Kindern zu reden. Jedoch schienen die Fronten so verhärtet, dass sie sich stundenlang hätten streiten können. Ich musste den Gedanken loslassen, alles sofort mit Gesprächen klären zu wollen. Manches Mal bedarf es auch ein paar ruhiger Minuten, in denen die Kinder in sich gehen und durchatmen können.
Meine Anschlussfragen
- Wie kann ich in Situationen, die zu eskalieren drohen, deeskalierend wirken?
- Kann ich auch mit wenig Berufserfahrung solche Situationen in den Griff bekommen?
- Wie gehe ich angemessen mit Themen wie Tod oder Krankheit um?
Ich finde, die Lehrkraft in diesem Beitrag hat wirklich hervorragend reagiert. Ihre ruhige, klare Ansprache war genau das, was die Klasse in diesem Moment gebraucht hat, um wieder zur Ruhe kommen zu können. Besonders beeindruckend finde ich, dass sie nicht einfach nur strenge Dominanz gezeigt hat, sondern auch gleichzeitig auf den emotionalen Zustand des Schülers eingegangen ist, dessen Bruder ja gestorben war.. Das zeigt mir, wie wichtig Empathie in diesem Beruf ist, denn die Lehrkraft hat es geschafft Mitgefühl zu zeigen und gleichzeitigt den Konflikt in der Klasse vorzubeugen.
Außerdem glaube ich, dass es echt anspruchsvoll ist eine solche emotional aufgeladene Situation so zu lenken, dass die Kinder von sich aus zur Einsicht kommen, wie es hier bei den Entschuldigungen passiert ist. Ich frage mich, ob ich selbst in so einer schwierigen Situation genauso ruhig und kontrolliert bleiben könnte.