„Es dauert nicht einmal eine Minute und die gesamte Klasse schweigt wie ein Grab.“

Ein Beitrag von Alexander T.

Schon relativ früh während meines Praktikums habe ich den Unterricht eines Lehrers beobachtet, bei dem ich schon nach der ersten Minute zu dem Schluss gekommen bin, dass er zumindest nach meiner Erfahrung pädagogisch beispiellos ist. Er macht im Privaten einen recht unscheinbaren Eindruck, hat aber die Klassen, die er unterrichtet, so gut im Griff wie keine andere Lehrkraft. Wann immer er einen Raum betritt, muss er sich nur vorne an die Tafel stellen und, ohne etwas zu sagen, in die Runde gucken. Es dauert nicht einmal eine Minute und die gesamte Klasse schweigt wie ein Grab.

Erst dann folgt ein wechselseitiges kurzes „Guten Morgen“ und der Unterricht geht ruhig weiter. Dieselbe Methode zieht sich durch die gesamte Stunde durch: Natürlich gab es auch Momente, in denen es zu leichter Unruhe kommt oder vereinzelte Schüler*innen miteinander quatschen. Doch auch da sagt der Lehrer nichts, sondern hört einfach auf zu reden bzw. unterbricht gerade einen Schüler, der etwas vorträgt. Dann stellt er einen Blickkontakt mit dem Schüler / der Schülerin her, der bzw. die für die Unruhe verantwortlich ist und innerhalb von Sekunden ist es wieder ruhig. Es überrascht mich vor allem deswegen, weil es auch bei jüngeren Schülern*innen klappt und bei Klassen, die teils dafür bekannt sind, dass sich bei ihnen Unruhe entwickelt. Es scheint, als umgebe den Lehrer einfach eine Aura, mit welcher er für eine optimale Lernatmosphäre sorgt, in der man nichts als seinen eigenen Atem hört.

Meine Einsichten

Besonders aufgefallen ist mir, dass vor allem auch leistungsschwächere Schüler*innen profitieren, die zumindest bei der sonstigen Mitarbeit zurückbleiben. Dadurch, dass der Lehrer für eine solche Stille sorgt und keiner die Gelegenheit hat, sich mit dem Sitznachbarn zu unterhalten, bleibt die gesamte Aufmerksamkeit auf den Unterricht erhalten. Beispielsweise habe ich bei einem Schüler, der sich für gewöhnlich selten oder gar nicht meldet, gesehen, dass er die Geschehnisse im Unterricht konsequent verfolgt und seinen Blick auf seine Mitschüler*innen richtet, wenn sie gerade das Wort haben.

Meine Folgerungen

Daraus nehme ich vor allem mit, dass es unterschiedliche Methoden gibt, um mit Störungen im Klassenraum umzugehen. Für gewöhnlich setzen Lehrer und Lehrerinnen einfach einen strengen Ton an, weisen einzelne Schüler*innen explizit zurecht, drohen Strafen an usw. Bei diesem Lehrer habe ich allerdings die wertvolle Erfahrung gemacht, dass man seine Autorität als Lehrperson auch ohne Androhungen ausstrahlen kann. Es ist nämlich keine Furcht, die die Schüler*innen motiviert, diesen Umgang zu pflegen, sondern Respekt vor dem Menschen, der an der Tafel steht.

Meine Anschlussfragen

In erster Linie ist meine Frage, was ist das Geheimnis? Bisher bin ich noch nicht dazu gekommen, diese Methode selber „auszuprobieren“, da ich noch keinen vollständigen Unterricht geleitet habe. Deshalb wundere ich mich, ob das wirklich so einfach funktioniert oder man dafür eine Persönlichkeit mitbringen muss, die nicht jeder einfach so erlernen kann. Außerdem frage ich mich auch, was tun im Extremfall? Es ist bisher noch nie vorgekommen, aber ich wüsste nicht, wie man mit der Situation umgehen sollte, wenn das Abwarten einfach nicht funktioniert und beispielsweise ein/e Schüler/in wiederholt auffällt. Muss man dann wieder auf Strafandrohungen zurückgreifen, die ja gerade das Besondere an dieser Herangehensweise unterminieren würde?

Ein Gedanke zu „„Es dauert nicht einmal eine Minute und die gesamte Klasse schweigt wie ein Grab.““

  1. Das Phänomen dieser „Aura“ finde ich sehr interessant. Wie Alexander bereits erwähnt, ist ein strenger und lauter Ton die „Norm“, wenn es um den Umgang mit Unterrichtsstörungen geht. Hier sieht man eine völlig gegensätzliche Richtung, welche sehr gut funktioniert. Der Lehrer macht den SuS deutlich, dass sie den Unterrichtsfluss stören, indem er schweigt. Die SuS merken direkt, dass sie die Verantwortung für den weiteren Verlauf tragen. Lautes Reden und ein unnötig strenger Ton, sorgen für noch mehr Anspannung und führen meist zu einem „unfairen“ Gefühl. Während des Schweigens, kann nicht die Frage aufkommen; „Warum denn ich?!“ In diesem Falle merken die SuS dass der Unterrichtsfluss gestört ist und erst weiter gehen kann, wenn Ruhe herrscht. Hier werden keine einzelnen SuS angeschrien. Alexander befürchtet jedoch, dass einfaches Schweigen im Extremfall nicht wirken wird. Es macht den Anschein, als würde es in dieser Konstellation zu keinem Extremfall kommen können. Es herrscht ein Vertrauen und ein gutes gegenseitiges Verständnis im Klassenzimmer. Man sollte generell den SuS mehr zutrauen und nicht schon präventiv für den Extremfall, angespannte und laute Methoden etablieren. Sonst wird aus Prävention eine tatsächliche Situation. Die SuS fühlen sich in diesem Arbeitsbüdnis fair behandelt und so kommt es, dass sie dem Unterricht des Lehrers auch fair gegenüberstehen,. Eine sehr gelungene Methode, die viel Vertrauen der Lehrkraft in die SuS erfordert.

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