NGO in Istanbul

Ich habe über den Sommer für zwei Monate ein Praktikum bei einer Nichtregierungsorganisation (NGO) absolviert. Diese NGO hat ihren Sitz in Istanbul. Die NGO ist ein Gemeindezentrum für primär syrische Geflüchtete, die in Istanbul leben und deren Integration in die türkische Gesellschaft mithilfe von Angeboten der NGO vereinfacht werden soll. Während des Schuljahres gibt es verschiedene Angebote für die Kinder und Jugendlichen, die diese nach der Schule zusätzlich in Anspruch nehmen können. In der Sommerzeit ist die Schule für drei Monate geschlossen, sodass die NGO für diesen Zeitraum eine Art Sommercamp mit zahlreichen Angeboten für Menschen der Gemeinde anbietet.
Mit zwei anderen Praktikant*innen habe ich während des Sommers die Planung, Durchführung und Gestaltung des Sommercamps mitkoordiniert und an der reibungslosen Durchführung mitgearbeitet. Hierbei habe ich mich sowohl im organisatorischen als auch im praktischen Teil eingebracht. Von der organisatorischen Seite aus gehörte zu einer meiner Aufgaben die Vorbereitung und Planung des Programms. Deshalb stand ich konstant in Kontakt mit allen Freiwilligen, die an der Durchführung des Sommercamps beteiligt waren, um Feedback einzuholen und aber auch Zuständigkeiten zu regeln. Des Weiteren habe ich kleinere „Vorstellungsgespräche“ mit interessierten Freiwilligen geführt, um das Programm vorzustellen und um Zuständigkeiten, Aufgaben und Pflichten zu klären und zu erläutern. Ich habe zur besseren Kommunikation mit den Freiwilligen und für Zwecke des besseren Managements zahlreiche Google Drive-Umfragen, Doodle-Abstimmungen und Evaluierungsumfragen erstellt und Events für das Zusammenkommen aller Freiwilligen organisiert. Zur besseren Durchführung des Sommercamps habe ich mithilfe der über das Google Drive-Programm zur Verfügung gestellten Werkzeuge, Registrierungsformulare, Umfragen zu bestimmten Aktivitäten und Anwesenheitslisten für die Gemeinde erstellt. Für die wöchentliche Ankündigung auf Arabisch, die einen Überblick über alle angebotenen Aktivitäten gibt, habe ich mit den anderen Praktikant*innen andere Programme gegengecheckt, um so sicher zu gehen, dass die Ankündigung alle wichtigen Information enthält. Neben der Verwaltung des Mailprogramms für Freiwilligenarbeit und dem sich um die Aktualisierung der verschiedensten Zeitpläne kümmern, war ich zudem für das Übersetzen und Aktualisieren des wöchentlichen Zeitplans auf Türkisch zuständig. Weitere Präsentationen und Dokumente bezüglich der allgemeinen Arbeit der NGO habe ich überarbeitet, neuere Dokumente für das Feedback von Aktivitäten erstellt und neue Bewerbungen gesichtet. Zudem stand ich in direktem Kontakt mit Menschen, die zu Gast waren und oder potenzielle Spender*innen sein könnten. Während offizieller Veranstaltungen habe ich Fotos gemacht und Besucher*innen durch die Einrichtung geführt. Des Weiteren habe ich an der ersten Version des Berichtes über das Sommercamp gearbeitet und an einem vierstündigen Training zum Thema Trauma teilgenommen.

Der praktische Teil meiner Arbeit bestand nicht nur darin zu verfolgen, ob alle angebotenen Aktivitäten reibungslos verlaufen, sondern auch darin, dass ich die verschiedensten Aktivitäten begleitete, wenn vereinzelte Freiwillige abgesprungen waren. Zusätzlich habe ich eigene Aktivitäten angeboten und anderen Aktivitäten regelmäßig beigewohnt und diese mitgestaltet. Einmal pro Woche habe ich für die Altersgruppe von 10-15 Jahren auf Türkisch eine Yogastunde angeboten. Mit einer anderen Praktikant*in habe ich eine „Fit&Fun“-Aktivität für die Frauen der Gemeinde angeboten. Zweimal in der Woche haben wir eine Mischung aus Zumba, Pilates und Workout-Übungen angeboten. Zusätzlich habe ich an der einmal in der Woche angebotenen Sportaktivität für Mädchen teilgenommen und in der zweiten Hälfte des Praktikums im Bereich des Kindergartens assistiert. Auch habe ich eine Gruppe der Altersklasse 8-11 für eine Exkursion außerhalb der Einrichtung der NGO begleitet.

Im Allgemeinen stand ich immer in Austausch mit allen anderen Teammitglieder*innen. Es gab immer Dinge, die gemeinsam koordiniert werden mussten, sodass ich regelmäßig an Treffen teilnahm. Besonders habe ich mich mit den anderen Praktikant*innen und der koordinierenden Person für den Bereich des Ehrenamtes abstimmen müssen. Durch die Tatsache, dass ich während der ganzen Zeit an verschiedensten Planungs- und Durchführungsprozessen beteiligt war, habe ich viel Neues im Bereich des Organisatorischen gelernt und meine Organisationsfähigkeiten verbessert. Ich habe zudem gelernt, welchen Fähigkeiten es in stressigen Situationen bedarf und gelernt mit Schwierigkeiten und aufkommenden Problemen selbstbewusster umzugeben, um Lösungswege zu finden. Zudem bin ich nun viel vertrauter mit den Möglichkeiten des Google-Drive-Programmes. Doch auch sprachlich habe ich einiges gelernt. Die Arbeitssprache war Englisch und trotzdem habe ich mit den Kindern und Jugendlichen Türkisch gesprochen, meine Aktivitäten auf Türkisch durchgeführt und bin auf der Arbeit auch mit dem Arabischen wieder näher in Kontakt getreten.

Ganz besonders habe ich durch mein Praktikum die Möglichkeit erhalten einen Überblick und Einblick in die Arbeit einer NGO im Allgemeinen und die Arbeit einer NGO in der Türkei zu erhalten, um so für mich selbst auch zu merken, dass ich mich in dem Bereich wohl fühle und aber mit den Aufgaben gut zurechtkomme und mir für die Zukunft in diesem Bereich auch vorstellen könnte zu arbeiten. Des Weiteren hat mir das Praktikum die Möglichkeit eröffnet meinen Interessensschwerpunkt Migration im Praktischen näher kennenzulernen. Ich habe über die zwei Monate hinweg besonders viel über die Situation von Geflüchteten in der Türkei erfahren und auf diese Weise einen viel besseren Überblick über die Situation erhalten und zusätzlich unglaublich viel gelernt.

Tipps für andere Praktikant*inn*en
Vorbereitung
Durch die Tatsache, dass ich zu Beginn meines Praktikums bereits zehn Monate in Istanbul gelebt habe, musste ich mich um einige Dinge nicht mehr kümmern. Glücklicherweise hatte ich meine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr erhalten, sodass ich mich zum Beispiel im Vorhinein auch nicht um weitere Visumsangelegenheiten habe kümmern müssen.

Praktikumssuche
Ich habe ungefähr fünf Monate vor Beginn meines Praktikums die Suche um einen Platz begonnen. Mir war im Vorhinein bewusst, dass sich die Suche womöglich als schwierig erweisen würde und dass es auch sein könnte, dass ich keinen Praktikumsplatz finden werde. Das hängt primär mit den politischen Umständen in der Türkei zusammen, sodass bekannte Stiftungen, Institutionen und aber auch Nichtregierungsorganisationen sowohl auf ihren Webseiten schreiben, dass sie auf unbestimmte Zeit keine Praktikumsplätze vergeben und dann aber auf Nachfrage dies auch noch einmal bestätigt haben. Hinzu kam die Tatsache, dass ich zum Zeitpunkt meines Praktikums ein solides Türkisch A2/B1 beherrschte, andere Praktikumsstellen womöglich aber nach erweiterten Türkischkenntnissen fragen würden. Ich habe mich schlussendlich bei ungefähr sechs potenziellen Praktikumsgeber*innen beworben und teilweise gar keine Antwort oder eine Absage erhalten, da ich mich noch in meinem Bachelor befinde. Auf die NGO, bei der ich nun letzten Endes mein Praktikum absolviert habe, bin ich durch Recherche im Internet gefunden und weil mir Freund*innen aus Istanbul von der NGO erzählt haben. Demnach kann ich zusammenfassen, dass sich die Praktikumssuche als zäher und langwieriger herausgestellt hat, als ich erwartet hatte. Ich habe zudem auch von anderen Praktikant*innen, die mit mir Praktikum gemacht habe, gehört, dass diese ähnliche Schwierigkeiten hatten. Und auch andere Studierende, die ich kenne, sind gar nicht fündig geworden, weil teilweise gar keine Rückmeldung erfolgte und aber auch Türkischkenntnisse nicht ausreichend vorhanden gewesen sind.

Wohnungssuche
Das WG-Zimmer, in dem ich bereits während meines Studienaufenthaltes wohnte, konnte ich ohne Umstände für zwei weitere Monate bewohnen. Es gibt ansonsten aber über Facebook verschiedene Gruppen, denen jede Person beitreten kann, um Informationen über freie WG-Zimmer zu erhalten. Ich habe letzten Endes mein Zimmer auch über Facebook gefunden.

Versicherung
Da die Türkei nicht Teil der Europäischen Union ist, hat jede Krankenkasse andere Abkommen mit der Türkei. Meine Krankenkasse hat mir verschiedenste Unterlagen zur Verfügung gestellt, die ich dann vor Ort in Istanbul in einer sozialversicherungsähnlichen Institution habe einreichen müssen, damit ich im Falle eines Aufenthaltes im Krankenhaus oder des Aufsuchens einer Arztpraxis versichert bin. Nichtsdestotrotz habe ich eine weitere Zusatzversicherung abgeschlossen, da das Abkommen meiner Krankenkasse mit der Türkei wichtige Zusatzleistungen nicht abdeckt. Diese musste ich aber für meinen Visumsantrag vorlegen und auch für mein Praktikum war eine Zusatzversicherung notwendig, damit ich im Falle eines Falles ausreichend abgesichert bin.

Formalitäten vor Ort
Telefon-/Internetanschluss

Überall in der Türkei ist WLAN frei verfügbar und zugängig. Der Kauf einer türkischen Sim-Karte ist trotzdem von Vorteil. Es ist möglich zwischen drei verschiedenen Telefonanbieter*innen zu wählen, die jeweils unterschiedliche Pakete mit unterschiedlichen Konditionen anbieten. Bei einem Aufenthalt in der Türkei, der über die drei Monate des Tourismus-Visums hinausgeht, ist es wichtig sich darüber im Klaren zu sein, dass die Sim-Karte womöglich direkt oder sonst verspätet gesperrt werden kann, wenn keine Steuern bezahlt werden. Die Beträge hierfür wurden innerhalb des letzten Jahres drastisch erhöht, sodass in Erwägung gezogen werden könnte ein Ersatzhandy mitzunehmen, um den Geldbetrag nicht zahlen zu müssen.

Bank/Kontoeröffnung
Ich habe in Istanbul kein Konto eröffnet, da ich über mein deutsches Konto gebührenfrei Geld habe abheben können. Auch ist es üblich überall in der Türkei mit Kreditkarte zahlen zu können. Auch verschiedenste Wechselstuben ermöglichen es einem zu guten Konditionen Euro in türkische Lira umzutauschen. Bei einem vergüteten Praktikum ist es aber soweit ich informiert bin notwendig bei einem der Banken vor Ort ein Konto zu eröffnen.

Sonstiges
Je nachdem, ob die Praktikumsstelle Anfahrtskosten übernimmt oder nicht, müssen hierfür Gelder einkalkuliert werden. Die Auswahl an öffentlichen Verkehrsmitteln in Istanbul ist immens, sodass es trotz des großen Verkehrsaufkommens möglich ist recht schnell voran zu kommen. Im Vergleich zu Kosten für öffentliche Verkehrsmittel in Deutschland, sind die Kosten für Transport beispielsweise in Istanbul relativ preiswert.

Ausgehmöglichkeiten
Istanbul ist eine sehr große Stadt, die in vielerlei Hinsichten einiges zu bieten. Neben zahlreichen historischen und kulturellen Angeboten ist es möglich entlang des Bosporus Sport zu treiben oder das Leben in den Stadtteilen, in denen primär junge Menschen leben, zu genießen. Dort wimmelt es nur an zahlreichen schönen Cafés und Bars. Zudem gibt es in den verschiedensten Stadtteilen Fitnesscenter, die gute Preise und Konditionen anbieten. Des Weiteren ist es jedes Mal aufs Neue ein Abenteuer auf den zahlreichen Wochenmärkten den Wocheneinkauf zu erledigen. Das Gemüse und Obst sind tendenziell viel frischer und auch günstiger als in normalen Supermärken.

Sonstiges
Einziges Manko ist die Tatsache, dass es sich als schwierig herausgestellt hat an Literatur heranzukommen. Es gibt ein paar wenige Buchhandlungen, die deutsche und englischsprachige Bücher anbieten, diese aber zu recht hohen Preisen verkaufen, da die Bücher meist importiert wurden. Auch der Zugang zu öffentlichen Bibliotheken ist schwierig, da es erstens nicht so viele gibt und diese zweitens von den Studierenden vor Ort überfüllt sind. Demnach wäre es von Vorteil genügend Vorrat mitzubringen oder sich Alternativen zu suchen.

Bildquelle: Privat

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