Praktikum in gemeinnützigem Verein in Spanien

Als gemeinnütziger Verein, bietet die Praktiukumsstelle einen Ort der interdisziplinären Weiterbildung mit einem Fokus auf künstlerische Gestaltung. Vor allem Menschen in schwierigen Lebenssituationen besuchen die Einrichtung täglich und können sich unter anderem künstlerisch entfalten oder an dem Angebot von Sprachkursen teilnehmen. Es gibt 7 festangestellte MitarbeiterInnen und eine Zahl an Ehrenamtlichen welche den täglichen Betrieb am Laufen halten. Die Sprachkurse sind den Teilnehmenden angepasst und das Niveau variiert zwischen Anfängern, Fortgeschrittenen und „gut Sprechenden“. Diese Kurse werden vor allem von Geflüchteten in Anspruch genommen, welche sich seit kurzer Zeit in Spanien befinden. Auch eine Unterkunft für Diejenigen die sonst keine Alternative haben ist Teil des Angebots. Neben Ausflügen in Museen, die Umgebung oder an den Strand, bietet der Verein einen Ort des Zusammenseins und der Zugehörigkeit. Um den Menschen eine Perspektive zu ermöglichen wird neben der sprachlichen Weiterbildung versucht, mit bürokratischen Angelegenheiten zu helfen. Auch die Vermittlung von Praktika und Fortbildungen werden koordiniert. Den Gästen ist es möglich sowohl an eigenen Projekten als auch an gemeinschaftlichen Projekten zu arbeiten, wobei sie Unterstützung von den Angestellten oder ehrenamtlich Arbeitenden erhalten. Werden ihre Bilder, oder die von ihnen gestalteten Tassen im vorderen Bereich des Raums verkauft, gehen die Einnahmen zu 100% an die Künstlerinnen. Mein Aufgabenbereich war vor allem die Unterstützung von alltäglichen Abläufen. Des Weiteren wurde mir sehr viel Freiraum geboten, in dem ich Projekte eigenständig durchführen konnte. Der Bewerbungsprozess lief sehr unkompliziert. Nach dem die Leitung des Projekts meine Bewerbung erhielt, verabredeten wir ein kurzes Telefonat, in welchem mir der Praktikumsplatz zugesagt worden ist. Etwas komplizierter gestaltete sich allerdings die Vorbereitung der Bewerbungsdokumente für das Erasmus+ Mobilitätsprogramm. Die von der Praktikumsstelle zu unterschreibenden Dokumente (Learning Agreement) sind nur in englischer Sprache vorhanden, was eine übersetzende Erklärung erforderlich machte.

Mit allen nötigen Unterschriften ausgestattet konnte das Praktikum nun beginnen und ich war gespannt darauf, dass es losgehen würde. Ich erhoffte mir von der bevorstehenden Zeit, dass ich Techniken des kollaborativen Gestaltens und der Arbeit mit traumatisierten Menschen, erlerne. An meinem ersten Tag fühlte ich mich herzlich willkommen geheißen. Die Leitung der Einrichtung führte mich herum, stellte mich allen Personen vor und erklärte mir was aktuell auf dem Programm stand. Da ein Teil meiner Bewerbung aus Beispielen persönlicher künstlerischer Arbeiten bestand, wurde ich als Künstler vorgestellt. Auch wenn ich mich im ersten Augenblick geschmeichelt gefühlt habe, versuchte ich in vielen kleinen Gesprächen zu erklären, dass ich Sozial- und Kulturanthropologie studiere und Kunst nur einen Teil meiner Freizeit ausmacht. In den morgendlichen Sprachkursen wurde ich nicht selten zum Thema der Gesprächsrunde und nach kurzer Zeit kannten alle Beteiligten meinen Vor- und Nachnamen, meine Herkunft, sowie meinen Familienstand. Gleichzeitig erfuhr ich das Selbe über die Anderen und die Basis von Vertrauen war geschaffen.
An den meisten Arbeitstagen war ich gegen 9 Uhr vor Ort und verbrachte die ersten zwei Stunden damit mich mit den Gästen zu unterhalten und ihnen bei ihren Projekten mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Gegen 11 Uhr begann der Sprachunterricht, an welchem ich teilnahm, wenn ich gerade keine andere Aufgabe zu erledigen hatte. Der Unterricht war sehr offen gestaltet und es war nicht selten, dass wir viel gemeinsam lachten. Da einige der Gäste, in der Vergangenheit traumatisches erlebten war der Unterricht so organisiert, dass es vor allem Spaß machte. Während des Unterrichts erfuhr ich auch sehr persönliche Geschichten der Anwesenden, welche mich oft sehr bewegten. Nach dem Unterricht arbeiteten wir weiter an unseren eigenen oder Gemeinschaftsprojekten. Bevor der Großteil der Gäste am Nachmittag zu einer anderen Einrichtung ging, um dort zu essen, wurde der gesamte Arbeitsbereich von einem wechselnden Team aufgeräumt sowie Küche und Badezimmer geputzt. Das Einhalten der zugeteilten Aufgaben war obligatorisch und führte bei Unzuverlässlichkeiten zu Diskussionen. Perspektivisch soll das gesamte Projekt, von den Menschen getragen werden die als Gäste kamen und im Laufe der Zeit mehr Verantwortung auf sich genommen haben. Ein Großteil des täglichen Ablaufs, von Planung der Sprachkurse bis Einkauf der Materialien, wird bereits jetzt von Menschen organisiert, welche vor ca. einem Jahr als Gäste der Einrichtung anfingen. Es war sehr spannend zu beobachten wie gewissenhaft die jeweiligen Aufgaben ausgeführt wurden und wie die Position innerhalb der Einrichtung zu einem gesteigerten Selbstwertgefühl geführt hat.

Da meiner Position innerhalb des Praktikums sehr viel Raum gegeben wurde konnte ich auch an einem eigenen Kunstprojekt arbeiten. Die Idee war, in einem kollaborativen Prozess, die Reise nach Europa, sowie Träume und Gedanken von einzelnen Personen darzustellen. Im Laufe des Projekts habe ich mich viel mit den Menschen unterhalten und so die persönliche Reiseroute und Erinnerungen aus dieser Zeit erfahren. Dieser Prozess erforderte viel Feingefühl, da derartige Erfahrungen oft mit traumatischen Erlebnissen verbunden sind. Sobald ich das Gefühl hatte, dass die Gespräche zu unangenehmen Gefühlen führten, versuchte ich einerseits Verständnis zu zeigen und lenkte die Unterhaltung in eine andere Richtung. Am Ende sind 9 Portrait Bilder entstanden, welche in einer bestimmten Anordnung ein gemeinsames Werk darstellen. Gegen Ende meines Aufenthalts habe ich selbstständig meinen Aufgabenbereich ausgeweitet und mich um die behördliche Kommunikation zwecks eines Praktikumsplatz gekümmert. Für die berufliche Laufbahn einer der Gäste, war es unumgänglich ein Praktikum auf einem Boot zu absolvieren. Da der Gast aus Ghana stammte und sich im Englischen sicherer als im Spanischen fühlte, wurde ich schon nach kurzer Zeit eine Vertrauensperson für Ihn. Da ich seine Situation kannte und Möglichkeiten sah, um ihm zu helfen, organisierte ich ihm ein zwei Monatiges Praktikum auf einem Segelboot. Da diese Aufgaben eigentlich nicht zu meinem Aufgabenbereich gehörten, erforderte es einiges an Kommunikationsvermögen, die dafür zuständigen Personen zu überzeugen. Letztendlich hat es funktioniert und die Person ist ihrer Arbeitserlaubnis einen wesentlichen Schritt nähergekommen. Auch der gemeinsame Besuch von einer Kletterhalle war eine Aufgabe, die ich mir selbstständig zugeteilt habe. Da die finanziellen Mittel beschränkt sind, kommunizierte ich per Mail mit den Betreibenden der Kletterhalle und konnte es so möglich machen, dass wir die Halle umsonst benutzen durften. Eine solche Unternehmung ist leicht zu organisieren und kann dem sonst sehr eintönigen Alltag von Menschen ohne Arbeitserlaubnis etwas Abwechslung und Spaß bieten. Allgemein kann ich sagen, dass die Erwartungen an mich, sehr gering gehalten wurden und ich stets mit Lob und Dankbarkeit überschüttet wurde, habe ich die Initiative ergriffen und selbstständig gearbeitet. Hatte ich Fragen oder fühlte mich unsicher, gab es immer eine Person, die mir zuhörte und mir Rückmeldung geben konnte. Alles in Allem, kann ich ein Praktikum in dieser Einrichtung sehr empfehlen. Die Menschen vor Ort freuen sich sehr über Unterstützung und empfangen dich herzlich.

Vorbereitung
In Vorbereitung zu meinem Praktikumsaufenthalt, habe ich mich mit der Geschichte des Baskenlandes beschäftigt. Ein Grundwissen über die baskische Kultur hat dazu geführt, dass die Menschen, die ich kennengelernt habe, spüren konnten, dass ich mich für sie interessiere und es war sehr förderlich für Gespräche und Kontaktaufnahme.

Praktikumssuche
Ich habe mein Praktikum über Recherche im Internet gefunden. Da ich ungefähr wusste welche Themen mich interessieren, war es ausreichend bestimmte Stichwörter bei Google einzugeben.

Wohnungssuche
Ich persönlich habe mein WG-Zimmer über einen Facebook Aufruf und die Kontakte meiner Freunde gefunden. Es gibt aber auch die Facebook Gruppe „Erasmus Bilbao 2019/2020“, wo es möglich istWohnungen zu finden. Nach meiner Zeit in Bilbao fand ich dort einen Nachmieter für mein Zimmer.

Versicherung
Ich habe eine Daad-Gruppenversicherung (32€ monatlich) abgeschlossen.

Sonstiges
Es bietet sich an, sich bei Bilbobizi (Fahrradsharing) anzumelden. Für 20€ im Jahr ist es möglich elektrische Fahrräder in der ganzen Stadt zu benutzen.

Alltag/Freizeit: Ausgehmöglichkeiten
Die Straße Kalea Somera ist die Bar-Straße von Bilbao und ist Treffpunkt für viele Erasmus Studenten.

Bildquelle: privat

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