Keine drei Wochen ist es nun her, dass ich mein Praktikum in einem Verein in Chile, der Kinder und Jugendliche in schwierigen sozialen Situationen unterstützt, beendet habe und nicht mehr den tagtäglichen Weg von 1,5 Stunden nach Casas Viejas, in eine fast andere Welt, angetreten habe. Nun bin ich unterwegs, in Chile, in Argentinien und genieße die Schönheiten dieser Länder. Und dabei lässt mich kaum der Gedanke los: Habe ich alles gegeben, habe ich genug getan in den drei Monaten?
Alles fängt an am 28. Januar, knapp zwei Wochen nachdem ich in Santiago angekommen bin und gerade angefangen habe, mich in meinem schönen Haus in einer sehr residentiellen Gegend der Stadt wohlzufühlen. Mit den Freiwilligen im Projekt fahre ich gemeinsam in die Arbeit und lerne unsere Chefin vor Ort kennen, eine in der Gegend bekannte und einflussreiche Persönlichkeit, an die sich im Zweifel gewendet wird, wenn es ein Problem gibt. Anstatt mich langsam einzuarbeiten, bin ich sofort bei allen anfallenden Aufgaben eingespannt, von Kochen über Putzen und Abwaschen bis natürlich zur Betreuung der Kinder.
Diese sind zwischen 5 und 15 Jahre alt und gerade die jüngeren sind sehr offen, mich kennen zu lernen. Während ich anfangs angenehm überrascht bin über die lockere Art der Kinder, bemerke ich bald ungewöhnliche Verhaltensweisen oder Stimmungsschwankungen. Manche erzählen nach einiger Zeit bereits sehr offen von Problemen zu Hause, in der Schule oder allgemein im Ort. Besonders als ich die Tätigkeiten im Büro aufnehme und anfange, an dem Portfolio zu arbeiten, das Sozialreportagen über die einzelnen Kinder enthält, eingebettet in Familie und Umfeld, erfahre ich von schlimmen Dingen, die den Kindern widerfahren sind und oft noch widerfahren. Meine chilenischen Kolleg*innen, die auch vor Ort leben, versuchen hierbei zu intervenieren, während ich mich bald entscheide, einen eigenen mir wichtigen Impuls einzubringen, nämlich regelmäßige Gesprächsrunden bezüglich Geschlechtergerechtigkeit. Gemäß des jeweiligen Alters der anwesenden Kinder versuche ich, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass jedes Kind das Recht hat, die Dinge zu tun, die es will. In Anbetracht des stark konservativ geprägten Umfeld scheint mir dies eine wichtige Aufgabe, um ein respektvolles Zusammenleben aller mit voranzutreiben.
Ein weiteres für mich sehr wichtiges Anliegen ist es, die Ernährung gesünder zu gestalten. Da das Projekt sowieso gerade in der Umbruchphase ist, bietet sich ein guter Moment, auch dies anzupacken, sodass ich in meiner Funktion als Praktikantin nach einigen Wochen Erfahrung dafür verantwortlich werde, die Lebensmittel zu bestellen und einen wöchentlichen Ernährungsplan aufzustellen. Dies stellt sich als immer wiederkehrender Konfliktpunkt dar, nachdem verschiedene Ansichten bezüglich gesunder Ernährung aufeinander prallen.
Dies gilt darüber hinaus für verschiedene Bereiche, weshalb für mich die größte Herausforderung, jedoch auch größter persönlicher Fortschritt dieser drei Monate (gewesen) ist, zu sehen, wie mir wichtige Prinzipien mit der Realität konfrontiert werden, was mich auf teilweise schmerzliche Art und Weise gelehrt hat, das Bewusstsein für unterschiedliche Lebensarten zu schärfen und vor allem Kompromisse einzugehen.
Tipps für andere Praktikanten
Vorbereitung
Vertrautmachen mit dem Land, der Stadt, Geschichte; Fotos ansehen, um Vorfreude zu steigern; klassische Werke der hiesigen Literatur anlesen
Praktikumssuche
Rumfragen
Wohnungssuche
AirBnB, in meinem Fall: Freunde über Freunde etc.
Versicherung
ADAC Auslandsversicherung
Telefon-/Internetanschluss
Am besten von Locals erklären lassen; in Chile werden unpersonalisierte Simkarten von WOM oft auf der Straße verschenkt, die sich leicht aktivieren und über Supermärkte etc. wiederaufladen lassen
Bank/Kontoeröffnung
Ggf. nicht notwendig; geringste Abhebegebühr in Chile: bei einigen (nicht allen) Filialen von Scotiabank
Alltag/Freizeit
Ausgehmöglichkeiten
Barrio Lastarria
Sonstiges
Centro Cultural Gabriela Mistral (vielfältiges kulturelles Angebot)
Bildquelle: privat