Praktikum bei einem Kultursender in Frankreich

Ich habe mein Praktikum bei einer der Tochtergesellschaften eines großen französischen Kultursenders absolviert. Genauer gesagt habe ich an einem Standort gearbeitet, bei dem unterschiedliche Formate und Reportagen produziert werden.

Ich habe meine Stelle vor allem durch einen persönlichen Kontakt gefunden, durch welchen ich weiterempfohlen wurde. Trotzdem musste ich mich natürlich „normal“ bewerben. Für das Bewerbungsgespräch bin ich extra nach Paris gefahren (kurz vor der Corona-Pandemie), das hat ungemein geholfen, einen ersten Bezug zum Team aufzubauen. Den gewünschten Zeitraum für mein Praktikum habe ich nicht bekommen, es hat sich aber gelohnt meine Prioritäten bezüglich des Zeitpunkts hintenanzustellen und es zum vorgeschlagenen Zeitpunkt zu absolvieren. Mein Praktikum war vor allem im Bereich der Produktion, ich habe aber auch einige redaktionelle Aufgaben übernommen. Ich habe vor allem dem Produktionsleiter, der alle Etappen der Produktion koordiniert, assistiert und war somit fester Bestandteil des Teams, mit eigenen Tätigkeitsbereichen. Zu meinen Aufgaben gehörten die Vorbereitung von Dokumenten, die die Untertitelung ermöglicht, Dokumenten für die Presse, für den Abspann am Ende der Sendung, die Instandhaltung der verschiedenen Datenbanken und der Upload von Sendungsbeiträgen auf unterschiedliche soziale Netzwerke. Außerdem habe ich die Zuschauerpost gemanagt und die Gewinner des wöchentlichen Rätsels ausgelost und die Geschenke verschickt. Eine wichtige Aufgabe war die letzte Überprüfung der Sendung vor der Ausstrahlung. Hierbei habe ich mehrmals Fehler gefunden, welche im langen Produktionsprozess übersehen wurden und somit noch korrigiert werden konnten. Eine Aufgabe, die einen großen Teil meiner Arbeit eingenommen hat, war die Recherche nach Archivmaterial und die Klärung der Bildrechte für dieses Material. Als
Beispiel: Wir haben Mitte Mai einen Beitrag über den Eurovision Song Contest ausgestrahlt in welchem wir Ausschnitte aus ein paar ESC-Performances zeigen wollten. Ich war dafür zuständig, die von der Chefredakteurin gewünschten Ausschnitte zu recherchieren bzw. herauszusuchen, herauszufinden wer die Bildrechte dafür hat und uns das Videomaterial liefern kann. In Rücksprache mit der Chefredakteurin und der Produzentin, welche die Budgets managt, habe ich Bildrechte verhandelt und erworben. Zu den Bildrechts- und Archivrecherchen gehörte aber auch manchmal, in „physischen“ Bibliotheken und Zeitungsarchiven nach bestimmten Zeitungsseiten oder Fotos zu suchen, um sie in Sendungsbeiträgen zeigen zu können.

Auch Übersetzungsarbeiten gehörten zu meinem Tätigkeitsbereich – da die Mitarbeiterin, die sich um die sozialen Medien kümmert, Französin ist und nur ein wenig Deutsch spricht und versteht, habe ich Posts für Social Media vom Französischen ins Deutsche übersetzt. Dieser habe ich auch geholfen, dass Facebook-Sommerspiel für die Sendungspause zu gestalten. Zu redaktionellen Aufgaben haben viele inhaltliche Recherchen gehört. Die Texte, auf welchen die Beiträge basieren und zum Teil von der internen Redaktion, aber auch von Freelance-Autor_innen geschrieben werden, müssen des Öfteren auf ihre inhaltliche Richtigkeit überprüft werden. So habe ich vor allem für geschichtliche und politische Texte Recherchen getätigt, aber nicht ausschließlich. Allgemein war ich in mehr oder weniger den gesamten Produktionsprozess, also von der Idee zum Text, über die Sprachaufnahme und Animation und die verschiedenen Überprüfungsetappen, mit einbezogen. Es gab wöchentliche Meetings, in welchen wir potenzielle Themen für Beiträge besprochen haben, vorgeschlagene Texte diskutiert haben und in Rohform fertig produzierte Beiträge besprochen haben. Daran konnte ich mich als Praktikantin genauso beteiligen wie alle anderen, was natürlich eine riesige Chance war. Das Team braucht eine_n Praktikant_in, die_r „frisch“ aus Deutschland kommt, um insbesondere zu den deutschen Inhalten ein Input geben zu können. Ein Teil der Redaktion kommt zwar aus Deutschland, lebt aber schon lange in Frankreich – deshalb wurde ich oft gefragt, ob bestimmte Gegenstände, Traditionen, politische Gegebenheiten etc. in Deutschland noch von Relevanz/aktuell sind. Diese Meetings waren auch für mich als angehende Politikwissenschaftlerin eine Gelegenheit, Texte auf ihre politische Relevanz und Richtigkeit zu überprüfen. Da ich mich in meinem Studium vor allem auf Systeme der Diskriminierung und Machtverhältnisse konzentriere, konnte ich bei vielen Fragen zu political correctness behilflich sein und habe hierzu produktive Diskussionen anstoßen können. Das Team hat mich mit offenen Armen aufgenommen – so auch meine Vorschläge, Ideen und Diskussionsbeiträge. Das hat mir nicht nur die Arbeit (vor allem in Corona-Zeiten voller Home-Office Phasen) um einiges angenehmer gemacht, sondern hat mir auch erlaubt, zu lernen, alle meine Gedanken und Ideen zu kommunizieren und in Meetings zu verteidigen. Eine besondere Veranstaltung hat mein Praktikum geprägt: zum ersten Mal in der Geschichte der Sendung wurde auf dem offiziellen, deutschen  YouTube-Kanal ein Live-Treffen mit dem Produktionsteam organisiert. Ich war maßgeblich an der Organisierung dieses Events beteiligt. Dazu gehörte die Kommunikation mit dem für diesen YouTube-Kanal zuständige Team – dieses arbeitet in der Hauptabteilung in Straßburg – die Teilnahme an den Meetings, um den Inhalt und das Format dieser Online-Veranstaltungen festzulegen, die Koordinierung des Veranstaltungsleitfaden und der Sammlung an Bildmaterial, welches während der Veranstaltung gezeigt werden sollte. Relevant war aber allen voran meine Aufgabe in der Regie am Zeitpunkt der Veranstaltung selbst und der Proben. Da das Regie-Team kein Deutsch spricht und die Veranstaltung auf Deutsch stattgefunden hat, habe ich eine Art Co-Regie übernommen und musste die Kollegen anweisen, wann welche Person gezeigt wird, wann welches Material eingeblendet wird usw. Ich habe über diese Veranstaltung viel gelernt: den Umgang mit Stresssituationen in der kurzfristigen Planung der Veranstaltung und in der Regie während der Live-Veranstaltung selbst, das Jonglieren verschiedener Aufgaben während der Veranstaltung selbst (Anweisungen an die Regie, Kommunikation mit der Moderatorin und der Ansprechpartnerinnen in Straßburg, die das Management des Live-Chats übernommen haben) und das schnelle und spontane Treffen von Entscheidungen bei Live-Formaten. Das alles war kombiniert mit der Challenge, der Regie an bestimmten Stellen spontan aus dem Deutschen ins Französische zu übersetzen zu müssen. Mein Arbeitsalltag hatte also nie den gleichen Ablauf. Mit unterschiedlichen Phasen der Produktion waren manche Phasen auch arbeitslastiger, andere weniger. Manche Arbeitstage waren vor allem von Recherchen geprägt, manche vom Schreiben und Beantworten von E-Mails und von Telefonaten, an manchen Arbeitstagen habe ich viel Zeit im Schnittraum verbracht, um Beiträge oder Beitragsausschnitte zu überprüfen, oder bei der Assistenz bei Sprachaufnahmen oder ein paar wenigen Drehs.

Neben der Sendung habe ich noch Aufgaben für andere Formate übernommen. Bei diesen Sendungen war ich vor allem dafür da, die deutschen Untertitel in der schon fertigen Sendung zu überprüfen, zum Teil im Schnittraum, zum Teil über bestimmte Softwares. Insgesamt bin ich mit meiner Praktikumserfahrung sehr zufrieden. Zwar war die Zeit aufgrund der Corona-Pandemie nicht immer einfach – zu bestimmten Lockdown-Phasen war ich oft im Homeoffice, damit habe ich das Team nur langsam richtig kennengelernt und ist meine Arbeit schwerer gewesen. Trotzdem habe ich Anschluss finden können und hatte vor allem in meinen letzten Wochen den Eindruck, wirklich zum Team zu gehören. Da die Praktikumsstelle mit vielen Aufgaben und Verantwortlichkeiten verbunden ist, musste meine Einarbeitung recht rasch vonstattengehen. Meine Vorgängerin hat mir einen Nachmittag gezeigt, wie das meiste im Groben funktioniert und ansonsten bin ich über schriftliche Leitfäden und die Anleitung meiner Vorgesetzten nach und nach im „learning by doing“ eingearbeitet worden. Der Produktionsleiter und die Chefredakteurin waren bei Fragen und Sorgen immer zur Verfügung und haben immer darauf geachtet, dass ich mit meiner Arbeit (vor allem am Anfang) nicht überfordert bin. Einen eigenen Aufgabenbereich und damit verbundene Verantwortlichkeiten zu haben war zwar zum Anfang manchmal einschüchternd, hat mir aber unglaublich viel beigebracht. Ich musste meinen Arbeitsalltag größtenteils selbst strukturieren je nach den Anfragen, die an mich gestellt wurden und ihrer Dringlichkeit. In stressigen Produktionsphasen war die Priorisierung manchmal nicht einfach, aber ich habe dennoch gelernt, meine Arbeit zufriedenstellend zu Ende zu bringen. Das deutsch-französische Arbeitsfeld war für mich als bilingual aufgewachsene Person zwar recht gewohnt, trotzdem habe ich neu gelernt, die beiden Sprachen auf einer professionellen Ebene zusammenzubringen. Meine Aufgaben in der Recherche haben einerseits davon profitiert, was ich bereits in meinem Studium gelernt habe, andererseits werden meine Studienrecherchen bestimmt davon profitieren, was ich in diesem Sinne in meinem Praktikum dazugelernt habe. Ich habe im Praktikum außerdem gelernt, mich schnell in ein sehr ungewohntes Arbeitsumfeld einzudenken und mich schnell an ein Arbeitsteam anzupassen. Das hat meinen Teamgeist gestärkt und meine sozialen Kompetenzen geschult.
Vor allem hat mir das Praktikum einen eindrücklichen Einblick in die Welt der Fernsehproduktion gegeben. Die audiovisuelle Welt hat mich schon lange fasziniert. Bevor ich überlege, tatsächlich eine Karriere in diesem Bereich anzustreben (zum Beispiel in der Produktion politischer Dokumentarformate) war es mir wichtig, ihn in der Praxis erlebt zu haben. Meiner Selbsteinschätzung und auch dem Feedback der Chefredakteurin und des Produktionsleiters habe ich mich sehr nützlich machen können und meine Arbeit sehr gut gemeistert. Ich bin in meiner Aufgabe aufgegangen und habe es genossen, ein Teil der Sendung zu sein. Mir wurde durch das Praktikum außerdem die Möglichkeit eröffnet, in Zukunft eventuell auf Honorarbasis Texte für die Sendung zu schreiben und/oder Kameraaufnahmen für das Rätsel in der Sendung zu machen. Da ich jetzt gut weiß, was die Sendung ausmacht und was dabei wichtig ist, habe ich dafür nach dem Praktikum ein besseres Auge als Menschen, die die internen Abläufe nicht kennen. Weiterhin für die Sendung tätig sein zu können ist eine große Chance und bietet mir die Möglichkeit, mich an der Kreation der Sendung in Arten zu beteiligen, für die ich während des Praktikums keine Zeit hatte. Mir standen aufgrund der Pandemiezeiten einige Hürden im Weg. So war es schwer, in Paris Anschluss zu finden und außerhalb der Arbeit ein Sozialleben aufzubauen. Ich habe es aber trotzdem irgendwie geschafft und würde es jederzeit wieder so machen. Für die Praktikumserfahrung bin ich unheimlich dankbar und ich bin gespannt, welche Türen mir diese Zeit für die Zukunft öffnet.

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