Ich durfte mein fünfmonatiges Praktikum bei einer transatlantischen Nichtregierungsorganisation Humanity in Action in Kopenhagen, Dänemark absolvieren. Humanity in Action besteht aus sechs selbständigen Partnerorganisationen in Bosnien-Herzegowina, Dänemark, Deutschland, den Niederlanden, Polen und den USA. Seit 1999 fördert Humanity in Action junge Erwachsene mit hohem Leadership-Potential in ihrem beruflichen und persönlichen Werdegang mit dem Ziel, das Engagement für Menschen- und Minderheitenrechte in ihrer professionellen Karriere nachhaltig zu verankern. Der Kern der Arbeit von Humanity in Action besteht in der Vorbereitung und Durchführung der jährlich stattfindenden dreiwöchigen Fellowships, die zur Vernetzung junger Erwachsener dient. Das 2022 Copenhagen Fellowship hat die komplexe Geschichte von The Unity of the Realm behandelt.
Für mich war die Vorbereitung und die Teilnahme am Fellowship gerade dahingehend sehr bereichernd, dass ich noch mehr über Dänemark und die Kolonialgeschichte erfahren konnte, welche selbst unter Dänen nicht immer bekannt ist, da in dänischen Schulen wenig bis gar nicht darüber aufgeklärt wird. Obwohl ich bereits ein Semester davor Soziologie mit dem Schwerpunkt Migrations- und Sozialpolitik in Dänemark an der University of Copenhagen studiert habe, war mir der Begriff und die Geschichte von The Unity of the Realm nicht bekannt. In Dänemark bezieht sich The Unity of the Realm auf die Beziehung zwischen Dänemark, den Färöer-Inseln und Grönland. Die Färöer-Inseln gehören seit 1380 zum dänischen Königreich. Grönland wurde 1721 von dem dänisch-norwegischen Hans Egede kolonialisiert. Bereits vor dem Fellowship habe ich durch meinen Supervisor viele Einblicke in die ungleich verteilten Machtsymmetrien zwischen Dänemark, den Färöer-Inseln und Grönland erhalten. Während des Fellowships hat sich das Wissen konkretisiert und es wurde insbesondere der Danification Process in Grönland in den 1950ern-1980er Jahren behandelt, die Frage nach mentaler Dekolonisierung in Grönland, die Rolle der Arktis und die Konsequenzen eines Ölfunds in Grönland für globale Handelsbeziehungen, die Rechte indigener Völker als auch die Werteeinstellungen und Religiosität auf den Färöer-Inseln, die sich sehr stark von den liberalen Werten Dänemarks unterscheidet.
Neben der Wissenserweiterung konnte ich in den fünf Monaten auch einen guten Einblick in die Arbeitsstrukturen einer kleinen NGO erhalten. Dadurch, dass wir ein kleines Team gewesen sind, gab es einen stetigen Austausch und viel Raum für Eigeninitiative. Die Arbeitsatmosphäre im Büro war sehr entspannt und informell, wodurch mir mein Supervisor immer viele interessante Einblicke in aktuelle politische Debatten in Dänemark und auch das dänische nationale Selbstverständnis und die Parteienlandschaft gegeben hat. Da sich die Aufgaben vor und während des Fellowships stark unterschieden haben gehe ich zunächst auf meine Verantwortungsbereiche vor dem Fellowship ein. Zu meinen Hauptaufgaben gehörte der E-Mail-Verkehr mit den Fellows, den Vortragenden und den Gastfamilien. Ich durfte mich ebenfalls an der Programmentwicklung des Fellowships beteiligen. Zum einen habe ich einen Tag des virtuellen Programms des Fellowships mit dem Thema „Colonialism, Memory, Sovereignty and Resistance“ vorbereitet, von der Verschickung der Einladungsmails der Vortragenden vor dem Fellowship bis zu dem virtuellen willkommen heißen und der Vorstellung der Vortragenden während des Fellowships. Zum anderen habe ich selbst im physischen Fellowship einen Vortrag über die Wohlfahrts- und Sozialpolitik in Dänemark gehalten und inwiefern Kinderbetreuungsmaßnahmen und Elternzeit Geschlechtergleichstellung auf dem Arbeitsmarkt beeinflussen. Außerdem gehörte zu der wöchentliche Arbeitsroutine die Teilnahme an den einmal pro Woche stattfindenden internationalen Zoom-Treffen, wo ich die Möglichkeit bekommen habe auch die Mitarbeiter der anderen fünf Büros kennenzulernen. Darüber hinaus bestand meine Arbeit anfangs vor allem aus dem Erstellen von Social-Media Posts auf Facebook und Instagram.
Während des Fellowships habe ich check-ins und check-outs wie z.B. Kennenlernaktivitäten, Reflexionsfragen oder Meditationen durchgeführt, um den Fellows Raum zum Verarbeiten zu geben. Ich hatte ebenfalls die Verantwortung als Vertrauensperson zu agieren und sicherzustellen, dass sich die Fellows in der Gruppendynamik eingebunden, inkludiert und wohl fühlen. Durch persönliche Gespräche mit Fellows durfte ich viele Einblicke in verschiedene Sozialisationen und Lebensrealitäten erhalten und konnte mein interkulturelles Verständnis dadurch noch mehr ausweiten. Zu meinen Erfolgserlebnissen während des Fellowships gehört definitiv mein Vortrag und die anschließende Diskussionsrunde mit den Fellows.
Insgesamt hat das Praktikum meinen Wunsch bestärkt auch weiterhin eine Karriere in einer NGO anzusteuern, die sich für Menschen- und Minderheitenrechte einsetzt. Jedoch habe ich festgestellt, dass ich in der Zukunft gerne in einer größeren NGO arbeiten würde, die enger mit der UN zusammenarbeitet wie z.B. Amnesty International oder Human Rights Watch. Die Ideale in einer kleinen NGO können leider oft aufgrund fehlender Spendengelder nicht umgesetzt werden. Der größte Faktor für mangelnde Nachhaltigkeit in kleinen NGO’s ist die übermäßige Abhängigkeit von externer Finanzierung. Aufgrund fehlender finanzieller Ressourcen ist die Arbeit von Humanity in Action in Dänemark zu einem Großteil von Praktikanten/ Praktikantinnen angewiesen, wodurch viel Wechsel resultiert, nicht allzu viele Personen fest angestellt sind und damit einhergehend immer wieder der Arbeitsaufwand für Einarbeitung betrieben werden muss, was auf Dauer nicht nachhaltig ist. Auf der anderen Seite bietet die Arbeit in einer kleinen NGO auch viele Vorteile wie beispielsweise flache Hierarchien und die schnelle Umsetzung eigenständiger Vorschläge und Entscheidungen ohne erheblichen bürokratischen Aufwand.
Ich bin sehr dankbar über die lehrreiche Praktikumserfahrung und die internationalen Kontakte, die ich schließen konnte. Gerade während des Fellowships war es unglaublich inspirierend mit so viel leidenschaftlichen politischen Aktivisten umgeben zu sein.
Tipps für andere Praktikant*innen
Praktikumssuche
- Falls man Kontakte in dem Land hat, wo man gerne das Praktikum machen möchte, nachfragen, welche NGO’s, Unternehmen oder Organisationen es so gibt und welche Praktikant*innen aufnimmt
- Bei LinkedIn nach Praktika suchen
- Falls einem der konkrete Ort nicht so wichtig ist: Die UN hat Praktikumsplätze an vielen verschiedenen Standorten
Wohnungssuche
- Man muss sich auf sehr viel höhere Mietpreise in Kopenhagen einstellen: Die meisten Zimmer gibt es ab 4000 DKK (ca. 540 Euro) aufwärts
- In Dänemark läuft die ganze Wohnungssuche über Facebookseiten; insbesondere kann ich die Gruppe „Deutsche in Kopenhagen“ sehr empfehlen
- Die Studentenwohnheimkultur ist ebenfalls sehr groß in Kopenhagen, also einfach mal bei Studentenwohnheimen anfragen (ich selbst war im CPH Village)
- Über die Housing Foundation der KU kann man ebenfalls Zimmer bekommen
- Generell sind folgende Bezirke schön zum Wohnen: Vesterbro und Nørrebro sind definitiv die ‚hipsten‘ Bezirke, aber auch das grüne Frederiksberg, das nah am Strand liegende Amager und das schicke Østerbro sind schön
Versicherung
- Da ich davor ein Erasmussemester an der Universität absolviert habe, hatte ich bereits eine Kranken-, Unfall- und Haftpflichtversicherung unabhängig von der Kombi-Versicherung des DAAD gewählt
- Zusätzlich habe ich eine CPR-Nummer (Personenkennzahl) in Dänemark beantragt, da es ohne diese Nummer sehr viel schwieriger ist Termine beim Arzt zu bekommen
Telefon und Internettarif
- Ich habe meinen Handytarif beibehalten, da das Datenroaming in Dänemark genauso viel gekostet hat wie in Deutschland, ebenso auch Anrufe und SMS
- Der einzige Nachteil einer deutschen Telefonnummer: Viele bzw. alle Dänen benutzen MobilePay (vergleichbar mit Paypal), wofür man eine dänische Handynummer braucht
Bank und Kontoeröffnung
- Ich habe kein Konto eröffnet. Falls man jedoch einen richtigen Job mit Bezahlung in Dänemark anfängt, ist es dringend notwendig, da die Arbeitgeber nicht auf ausländische Konten überweisen
- Für eine Kontoeröffnung sollte man auch etwas Zeit einplanen: Erst braucht man die CPR-Nummer, dann die NemID und dann kann man ein dänisches Konto eröffnen
Sonstiges
- Ich empfehle in Kopenhagen definitiv mit dem Fahrrad unterwegs zu sein und sich schnellstmöglich eins zu beschaffen
- Ansonsten kann man sich auch die Rejsekord kaufen für einmalig 70 Kronen und dann kann da immer Geld raufgeladen werden
Ausgehmöglichkeiten
- Im Meat Packing District (Kødbyen) in Vesterbro gibt es zahlreiche Bars und Clubs wie das Jolene oder Bakken (Electro)
- Auf der Blågårdsgade in Norrebro gibt es auch viele Restaurants und Bars
- Im Absalon Folkehuset gibt es jeden Tag Community Dinner, die für Kopenhagener Verhältnisse wahnsinnig günstig sind