Um mein Interesse an Politik, internationale Beziehungen und der Europäischen Union zu verbinden, habe ich mich für ein Praktikum bei der Vertretung des Landes Baden-Württemberg bei der EU entschieden. Neben der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland, gibt es in Brüssel noch die 16 Vertretungen der deutschen Bundesländer. Baden-Württemberg gehört neben Bayern, Nordrhein-Westfalen und Hessen zu den größten Landesvertretungen bei der EU. Von meinem Praktikum erhoffte ich mir vor allem das Zusammenspiel der europäischen Institutionen zu erleben, aber auch Menschen aus aller Welt kennenzulernen und einmal in die berühmte „EU-Bubble“ eintauchen zu können. Ich kann schon jetzt sagen, dass meine Erwartungen auf jeden Fall erfüllt wurden.
Das Praktikum:
Die Vertretung des Landes Baden-Württemberg bei der EU fungiert als Scharnier zwischen der Landesebene und der europäischen Ebene: Einerseits verschafft sie den Anliegen des Bundeslandes bei der Europäischen Union Gehör. Andererseits fungiert sie als Sprachrohr, um europäische Entwicklungen an die entsprechenden Fachministerien zu übermitteln und dadurch eine frühzeitige Koordination zu ermöglichen. Während meines Praktikums war ich sowohl dem Ministerium für Verkehr als auch dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energie zugeteilt.
Meine Praktikumstätigkeit bestand hauptsächlich darin, für die Ministerien für Umwelt und Verkehr relevante Mitteilungen der Europäischen Kommission, des Rates sowie des Europäischen Parlaments zu filtern. Diese bereitete ich anschließend für die für mich zuständigen Referenten auf, und musste daraufhin Berichte und Dossiers zu den von ihnen ausgewählten Mitteilungen erstellen, die dann an die jeweiligen Ministerien in Baden-Württemberg verschickt wurden. Gerade im Bereich Umwelt, Klima und Energie gibt es unglaublich viele verschiedene Themen auf EU-Ebene, so dass meine Hauptaufgabe darin bestand, die verschiedenen offenen Themen in der Kommission, im Parlament, im Rat oder bei Trilogverhandlungen zu monitoren. Zudem werden einmal in der Woche die sogenannten Drahtberichte der Ständigen Vertretung Deutschlands verschickt, die im Prinzip eine Art Protokoll der aktuellen Verhandlungen im Rat sind. Meine Aufgabe bestand also auch darin, die für das Verkehrs- und Umweltministerium relevanten Drahtberichte herauszufiltern und bei Bedarf zusammenzufassen.
Darüber hinaus werden alle Praktikant:innen für die Protokollierung der relevanten Ausschüsse des Europäischen Parlaments sowie des täglich stattfindenden „Midday Press Briefings“ der Europäischen Kommission eingeteilt. Dies ermöglicht es, auch europäische Themen außerhalb des Praktikumsschwerpunktes zu verfolgen. Außerdem besuchte ich zu aktuellen Themen in der EU unterschiedliche Veranstaltungen von Regionalvertretungen, Nichtregierungsorganisationen oder sonstigen politischen Gruppen und erstellte Vermerke für die Referentinnen und Referenten. Auch die Landesvertretung Baden-Württemberg veranstaltet eine Reihe von internen und externen Veranstaltungen. Zu meinen Aufgaben gehörte daher auch bei der Vor- und Nachbereitung dieser Veranstaltungen zu helfen. Besondere Highlights während meines Praktikums waren das Sommerfest der LV Baden-Württemberg sowie der Strategiedialog Landwirtschaft – zwei große Events, bei denen nicht nur mehrere hundert Gäste und Politiker:innen kamen, sondern auch Landwirt:innen aus Baden-Württemberg, die ihre regionale Erzeugnisse mitbrachten.
Da ich mein Praktikum im Juni und Juli absolvierte, fielen auch viele der sogenannten Fachgesprächsreisen in meine Zeit. Aus eigentlich allen Ministerien in Baden-Württemberg kommen dann ausgewählte Mitarbeiter:innen nach Brüssel, um die verschiedenen Institutionen der EU kennenzulernen und sich mit den für sie relevanten Mitarbeiter:innen der Kommission und des Parlaments auszutauschen. Daher war es auch eine meiner Aufgaben, diese Reisen des Verkehrsministeriums und des Umweltministeriums sowie die jeweiligen Termine für die Reisen zu organisieren. Gleichzeitig haben mir diese Besuche aber auch die Möglichkeit gegeben, die verschiedenen Institutionen der EU (vor allem Rat, Kommission und Parlament) mehrmals selbst zu besuchen und somit einen guten Überblick über die Institutionen und deren Arbeitsweise zu bekommen.
Freizeit/Events:
Besonders empfehlenswert ist es, das Praktikum in den Sommermonaten (insb. Juni und Juli) zu absolvieren. Nicht nur hat man dann die Möglichkeit Brüssel im Sommer zu erleben, sondern auch an den Sommerfesten der Verbände, NGOs und anderen Regionalvertretungen teilzunehmen. In Brüssel fand während meines Praktikums fast jeden Abend eine Veranstaltung statt, bei der man nicht nur interessanten inhaltlichen Input bekam, sondern auch viele neue Leute kennenlernen konnte und nebenbei immer noch kulinarisch versorgt wurde. Daher würde ich auf jeden Fall empfehlen regelmäßig zu diesen Veranstaltungen zu gehen. Außerdem treffen sich jeden Donnerstag ab 18 Uhr viele Leute, die im Europaviertel arbeiten, auf dem Place Luxembourg vor dem Europäischen Parlament, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Auch viele Kolleg:innen aus der Landesvertretung sind dort regelmäßig dabei und es ist eine schöne Gelegenheit, sich mit ihnen, aber auch mit anderen Leuten auszutauschen.
Fazit:
Insgesamt bin ich mit meinem Praktikum bei der Vertretung des Landes Baden-Württemberg bei der EU sehr zufrieden und sehr dankbar für die vielen Eindrücke und Einblicke, die ich bekommen habe. Gerade, wenn man noch nie ein Praktikum in Brüssel gemacht hat, finde ich ein Praktikum bei der LV Baden-Württemberg sehr sinnvoll. Zum einen sind die Hürden für eine Bewerbung sehr niedrig und man muss kein aufwendiges Assessment-Center, wie bei der Kommission absolvieren und auch kürzere Praktika (wie in meinem Fall zwei Monate) sind möglich. Zum anderen empfand ich es als sehr bereichernd, ein Praktikum in einer Institution bei der EU zu absolvieren, die aber gleichzeitig nicht fest im institutionellen Gefüge der EU verankert ist. Anders als bei einem Praktikum in der Kommission, im Parlament oder im Rat habe ich so einen guten Überblick über die Arbeitsweise der gesamten EU und ihr Zusammenwirken bekommen und nicht nur einen sehr tiefen Einblick in die Abläufe einer ausgewählten Institution. Als sehr positiv empfand ich auch, dass es immer viele Praktikant:innen (ca. 12 Plätze) bei der LV gibt. Dadurch lernt man nicht nur viele neue Leute kennen und kann sich gegenseitig bei Problemen und Fragen helfen, sondern der Arbeitsalltag macht auch viel mehr Spaß, wenn man sich beispielsweise ein Büro mit einem:r anderen Praktikant:in teilen kann. Gleichzeitig muss ich aber auch sagen, dass das Praktikum gerade zu Beginn sehr chaotisch und unorganisiert war und der Erfolg des Praktikums sehr davon abhängt, in welchem Resort man eingesetzt wird. Daher würde ich bei der Bewerbung auf jeden Fall angeben, dass man in einem Fachministerium eingesetzt werden möchte (und nicht in der Verwaltung oder Veranstaltungen), da man sonst sehr wenig von der inhaltlichen Arbeit der EU mitbekommt.
Tipps für andere Praktikant:innen
Vorbereitung
Besonders vorbereitet hatte ich mich auf das Praktikum nicht. Wichtig ist, dass man sich rechtzeitig um eine Unterkunft kümmert und rechtzeitig (ca. 4 Wochen vorher) nochmal nachfragt, wann man wo am ersten Praktikumstag genau sein muss.
Beantragung Visum
Da Belgien in der EU liegt, musste ich als EU-Staatsbürgerin kein Visum beantragen.
Praktikumssuche
Praktika bei der Vertretung des Landes Baden-Württemberg bei der EU sind ganzjährig möglich. Es gibt eine dauerhafte Ausschreibung auf der Website der Landesvertretung, über die ich mich beworben hatte. Wichtig ist eine frühzeitige Bewerbung (ca. 9-12 Monate im Voraus), da die Praktikumsplätze oft frühzeitig vergeben sind. Manchmal lohnt sich auch eine kurzfristige Anfrage, da Praktikant:innen auch öfter kurzfristig wieder absagen. Man braucht also auch ein bisschen Glück.
Wohnungssuche
Mit der Zusage meines Praktikumsplatz erhielt ich von der Praktikumsbetreuerin der Landesvertretung eine Liste möglicher Wohnungen, die explizit für Praktikant:innen erstellt wurde. Circa zwei Monate vor Praktikumsbeginn schrieb ich die privaten Vermieter:innen per Mail an und hatte dann nach recht kurzer Zeit die Zusage für ein WG-Zimmer, welches nur circa 10 min vom Europaviertel entfernt war.
Versicherung
Ich hatte keine besondere Versicherung für meinen Auslandsaufenthalt abgedeckt, da meine Krankenversicherung das EU-Ausland sowieso abdeckte. Eine Auslandsversicherung sowie eine private Haftpflichtversicherung sind aber in jedem Fall sinnvoll und notwendig. Für ein Erasmus+-Praktikum ist zudem eine Unfallversicherung notwendig, die in meinem Fall aber von meiner Praktikumsstelle übernommen wurde.
Formalitäten vor Ort
Bank/Kontoeröffnung
Da ich bei einer deutschen Organisation gearbeitet habe, war es nicht nötig, extra ein Bankkonto zu eröffnen.
Sonstiges
Wenn man unter 25 Jahren ist und studiert, kann man sich für 12€ ein Jahresticket für den ÖPNV in Brüssel kaufen. Ein wirklich unschlagbarer Preis, der sich auf jeden Fall lohnt, denn Brüssel ist viel hügeliger als man zunächst denkt. Das Ticket kann man an den großen Bahnhöfen in Brüssel kaufen. Wichtig ist, dass man einen Personalausweis, eine (ausgedruckte!) Immatrikulationsbescheinigung und ein Passfoto mitbringt.
Alltag/Freizeit
Ausgehmöglichkeiten
Siehe geschriebener Text. Ansonsten ist auf jeden Fall noch die Bar „Rooftop 58“ mitten im Stadtzentrum zu empfehlen. Sie befindet sich auf dem neuen Verwaltungsgebäude der Stadt Brüssel und man bekommt leckere Drinks zu recht humanen Preisen mit einem fantastischen Blick über Brüssel.