Erfahrungsbericht Praktisches Jahr in der Chirurgie in Marseille
Zum Bewerbungsprozess
Ich habe mein Chirurgie-Tertial im Sommer 2023 in Marseille am Universitätskrankenhaus La Timone absolviert. Ich habe mich etwa 9 Monate vorher direkt bei den Chefärzten der einzelnen chirurgischen Fachrichtungen mit einem Bewerbungsschreiben und meinem Lebenslauf beworben. Die Emailadressen findet man auf der Website des Krankenhauses. Die Chefs haben mir dann relativ zügig zugesagt und ich habe mich für zwei chirurgische Fachrichtungen entschieden: Viszeralchirurgie mit Schwerpunkt Leberchirurgie bei Prof. Hardwigsen und Unfallchirurgie bei Prof. Argenson. Ich war 8 Wochen in jeder Fachrichtung. Theoretisch wäre es auch möglich, das gesamte Tertial nur in einem Bereich zu absolvieren, aber ich hatte Lust, verschiedene Fachrichtungen kennenzulernen. Anschließend habe ich mit Sandrine Kilman von der Universität Marseille Kontakt aufgenommen – da ich jedoch eher spät dran war mit meiner Bewerbung, konnte ich nicht mehr im Rahmen des ERASMUS-Programms in Marseille immatrikuliert werden. (Nicht einschüchtern lassen: Sandrine Kilman antwortet nicht immer sofort, öfter muss man mehrfach nachhaken!) Daher habe ich dann die Formalitäten mit Patrick Immormino vom Krankenhaus geregelt und mit ihm den Praktikumsvertrag unterschrieben. Anschließend habe ich mich bei der FU für die ERASMUS+ Förderung beworben.
Zur Anerkennung des Praktikums:
Es gibt einen Vordruck für das PJ vom Lageso. Diesen Vordruck haben mir die Chefärzte sowie einer weiteren Person unterschrieben. Die weitere Person musste bestätigen, dass ich zwar nicht in Marseille immatrikuliert war, jedoch die gleichen Rechte und Pflichten während des Praktikums wie andere Studierende hatte. Nur mit dieser Unterschrift wird das Praktikum vom Lageso in Berlin anerkannt.
Zur Vorbereitung
Ich habe zur Vorbereitung einen Französisch-Sprachkurs für Mediziner:innen an der Charité besucht. Das kann ich sehr empfehlen!
Zum Praktikum im Krankenhaus
Vom Praktikum im Krankenhaus war ich insgesamt etwas enttäuscht. In den ersten 8 Wochen war ich auf einer allgemein-/viszeralchirurgischen Station mit einem Schwerpunkt auf Leberchirurgie. Wir waren gleichzeitig drei Erasmus-Studis und sechs französische Studis auf der Station. Unsere offizielle Aufgabe sollte es sein, die Assistenzärztinnen zu unterstützen – es war immer eine Assistenzärztin im OP, die andere auf Station. Auf Station hat die Ärztin morgens zwischen 07:00-08:00 alle Patient:innen einmal ganz kurz visitiert und war danach fast die ganze Zeit am Schreibtisch, um Arztbriefe zu schreiben, Konsile und Bildgebungen anzumelden sowie sich um das Entlassmanagement zu kümmern. Die Aufgaben, die für uns auf Station anfielen, waren somit auch eher bürokratisch (CT anmelden, Krankentransport organisieren etc.). Insgesamt waren wir auch einfach zu viele Studierende gleichzeitig – und selbstverständlich konnten die französischen Studis die bürokratischen Dinge besser ausführen, sodass wir als Erasmus-Studis auch nicht so viele Aufgaben zugeteilt bekommen haben. Manchmal konnten wir einzelne Patient:innen auch untersuchen, aber insgesamt habe ich klinisch leider nicht so viel auf der Station gelernt.
Zwei bis drei Studis durften außerdem bei den Operationen zugucken – bzw. teilweise auch assistieren, aber auch hier hatten die französischen Studis oft den Vorrang. Insgesamt habe ich aber einige spannende OPs gesehen (Gastrektomien, Hepatektomien, Cholezystektomien, Briden-Lösungen bei Ileus, Operationen mit dem Da-Vinci-Roboter etc.). Das Team der Station ist zudem zuständig für die Entnahme von Lebern bei (toten) Organspender:innen in der Region. Ich hatte einmal die Möglichkeit, mit nach Avignon zu kommen und dort bei einer Organentnahme zu assistieren. Für mich war das das absolute Highlight des Praktikums!
Den zweiten Teil des Praktikums habe ich dann auf einer unfallchirurgischen Station absolviert. Hier wurde mir schon zu Beginn mitgeteilt, dass auf Station nichts Spannendes stattfinde, ich mir aber alle Operationen anschauen könne, ab und zu durfte ich auch assistieren. Mit der Zeit haben sich die OPs aber sehr wiederholt (Radiusfraktur, Hüft-TEPs, Gamma-Nagel, Sprunggelenksfrakturen), sodass ich mit der Zeit nicht mehr viel Neues dazu gelernt habe. Ich habe daher eine Woche auch in anderen chirurgischen Fachrichtungen hospitiert, besonders in der Plastische Chirurgie konnte ich bei der Versorgung von Polytrauma-Patient:innen sehr spannende Dinge sehen. Schließlich habe ich dann noch zwei Wochen im Krankenhaus Sainte-Marguerite bei den ambulanten unfallchirurgischen/orthopädischen Konsultationen hospitiert. Das kann ich sehr empfehlen!
Insgesamt bedarf es wirklich viel Eigeninitiative, um Aufgaben zu bekommen und Dinge zu lernen und das macht es oft sehr anstrengend.
Zum Leben in Marseille
Mir hat das Leben in Marseille sehr gut gefallen – obwohl ich bei einem nächsten Aufenthalt lieber zu einem anderen Zeitpunkt kommen würde. Zwischen Juli bis Mitte September ist die Stadt sehr touristisch geprägt und viele andere kulturellen / politischen Orte und Gruppen sind geschlossen. Viele Orte, die ich mir vorher rausgesucht habe, konnte ich dann erst in den letzten Wochen meines Aufenthaltes kennenlernen, was etwas schade war. Ich glaube, dass ich zu einem anderen Zeitpunkt daher auch schneller und einfacher Kontakte zu Locals hätte knüpfen können. Ein paar Orte, an denen ich gerne Zeit verbracht habe sind La Friche la Belle de Mai, Coco Velten, Extreme Jonglerie und natürlich immer gerne an den Küsten von Malmousque und auf dem Platz La Plaine. Gerne habe ich auch am Wochenende Ausflüge in die Calanques unternommen (siehe Foto). Auch die Strände von Niolon sind wunderschön.