Museumspraktikum in Tansania

Ich studiere ein Fach mit Bezug zum afrikanischen Kontinent – war aber noch nie in einem afrikanischen Land. Für mich war das untragbar, wie kann ich mich akademisch und abstrakt mit Thematiken auseinandersetzten, zu denen ich keinerlei Berührungspunkte außerhalb des Studiums hatte. Deshalb war ich froh, als sich mir die Möglichkeit eines Praktikums in einer kulturellen Institution in einer kleinen Stadt im südlichen Tansania eröffnete. Das nächste Problem war, dass mich die Institution nicht finanziell unterstützen konnte. Zum Glück fand ich das Angebot von Erasmus+, mit dessen Hilfe ich sogar mein kleines Kind mitnehmen konnte.

Die Reise war lang, wir fuhren zunächst fünf Stunden nach Frankfurt, dann flogen wir sieben Stunden nach Addis Abeba und nach drei Stunden Wartezeit flogen wir nochmal drei Stunden nach Dar es salaam. Von dort aus mussten wir nach einer zweitägigen Pause noch zehn Stunden mit dem Bus fahren. Das hat ganz schön geschlaucht, unser Ankunfts- und – für zwei Monate – Lebensort war die Reise absolut wert! Mein erster Arbeitstag war dann auch schon zwei Tage nach unserer Ankunft, aber direkt in den Alltag einzutauchen war mir sehr recht. Ich wusste schon, dass die zwei Monat viel zu schnell vorbei gehen würden. Durch den Beitrag zur Betreuung von Erasmus+ konnten wir auch eine großartige Nanny einstellen und unser Kind einen Tag in der Woche in eine Preschool schicken, wo es mit anderen Kindern spielen konnte. So konnte ich mich ganz auf mein Praktikum konzentrieren und mich jeden Tag darauf freuen, mein Kind nachmittags zu sehen und mit ihm die Stadt und die Umgebung zu erkunden.

Ich war viel zu Fuß unterwegs, was in der Stadt untypisch ist. Normalerweise nehmen die Leute Bodabodas (Motorräder mit Fahrer, man setzt sich dann hinter diese) oder Bajajis (Tuktuks). Aber ich hatte das Gefühl, ich kann die Stadt besser kennenlernen, wenn ich laufe und eigentlich braucht man zu den wichtigen Orten in der Stadt nie länger als 30 Minuten Fußweg. Dadurch bin ich auch auf der Straße mit vielen Menschen ins Gespräch gekommen und konnte viel über die Leute, die Kultur und die Politik in Tansania lernen.

Meine Aufgaben während meines Praktikums waren ebenfalls sehr bereichernd für mich. Meine Kolleg*innen bestanden größtenteils aus Studierenden der ortsansässigen Universität. Durch den geringen Altersunterschied konnte ich Freundschaften aufbauen, die mich nachhaltig bewegt haben und die ich über meinen Aufenthalt hinaus aufrechterhalten möchte. Meine Kolleg*innen haben mir viel über ihre Kultur beigebracht, aber auch geholfen, Swahili zu lernen. Ich konnte im Gegenzug ihnen viel über Datenbanknutzung, Digitalisierung und digitales Arbeiten beibringen. Einige hatten auch Interesse an Deutschland oder waren schon in Deutschland gewesen, weswegen wir auch Deutsch geübt haben.
Meine Vorgesetzten haben mir alle Möglichkeiten gegeben, meine Ideen umzusetzen und mich zu Konferenzen, kulturellen Planungsveranstaltungen und Freizeitmöglichkeiten, wie einem Nationalpark, mitgenommen und mir somit viele Chancen zu Vernetzung, professionellen Weiterentwicklung und für Auszeiten gegeben. Ich hatte immer das Gefühl, dass meine Meinung und mein Input wertgeschätzt werden. Gleichzeitig musste ich mich auch mit meiner eigenen Identität und der damit verknüpften Historie in Tansania auseinandersetzen. Ich habe deutlich gemerkt, welche Auswirkungen der Kolonialismus des 20. Jahrhunderts, also auch der deutsche Kolonialismus, auf die tansanische Gesellschaft hat, die bis heute nachwirken. Ich habe zum Beispiel wahrgenommen, dass allein dadurch, dass ich eine weiße Person bin, mir andere Möglichkeiten offenstehen und ich Zugang zu anderen Persönlichkeiten hatte als Schwarze Personen im selben Alter mit einem ähnlichen akademischen Hintergrund. Diese Erfahrung hat mich nachhaltig geprägt und war mit einer der wichtigsten Erfahrungen, die ich in Tansania gemacht habe. Sie hat mir gezeigt, dass sowohl in Tansania als auch in Deutschland die Kolonialzeit deutlich tiefgründiger aufgearbeitet werden muss. Dass ich als Person unweigerlich mit der Vergangenheit und ihren Auswirkungen verknüpft bin und ich aus meiner Sicht eine Verantwortung dafür trage, mich diesen Auswirkungen zu stellen und die Macht, die ich in Tansania habe, die ich bekommen habe, ohne etwas dafür zu tun, nutzen kann, um eben diese Macht abzugeben. Für mich bedeutet das, nach dem Praktikum politische Arbeit und Aufklärung in Deutschland zu leisten, um ein Bewusstsein für unsere europäische Verantwortung zu schaffen, eine echte Kollaboration mit afrikanischen Ländern zu etablieren und aktiv zu reflektieren, um nicht historische Machtgefüge auszunutzen oder innerhalb dieser Kollaborationen zu patronisieren.

Der Abschied aus der Stadt in Tansania ist mir unheimlich schwergefallen. Ich habe so viel Wärme und Freundlichkeit erfahren, so viel gelernt auf verschiedensten Ebenen und mental vom entspannten Rhythmus der Stadt profitiert. Ich habe mich so aufgenommen gefühlt von den Menschen, die mich kennengelernt habe, dass mein Ziel ist, nach meinem Masterabschluss dorthin zurückzukehren und zu arbeiten und mehr Möglichkeiten der Vernetzung zwischen Tansania und Deutschland zu schaffen.


Vorbereitung
Es lohnt sich im Vorfeld Swahili zu lernen, zu mindestens die grundsätzlichen Floskeln. Die Menschen in Tansania sind davon positiv überrascht und helfen dann um so lieber bei Problemen.
Außerdem unbedingt über das Wetter in der spezifischen Region in spezifischen Jahreszeiten informieren. Es kann in Tansania an einigen Orten ziemlich kalt werden.

Beantragung Visum
Das Visum für Tansania kann jederzeit beantragt werden, nicht erst kurz vor dem Flug. Es bietet sich das Student-Visa an.

Praktikumssuche
Mit Institutionen oder Einrichtungen in Tansania in Kontakt zu kommen ist eher schwierig. Vieles läuft einfach über Kontakte. Viele Einrichtungen haben aber einen Instagram Account, dort kann man also besser suchen, als bei Google.

Wohnungssuche
Wohnungssuche funktioniert auch nur über Kontakte. Deswegen kann man sich der Einfachheit halber an Backpackerhostels halten oder bei der Universität über Unterkünfte für Studierende informieren, falls es eine in der Stadt gibt, wo man hinmöchte.

Versicherung
Die medizinische Versorgung für Alltagskrankheiten und -probleme in Tansania ist für europäische Verhältnisse extrem günstig. Trotzdem sollte man eine Auslandskrankenversicherung abschließen, da darin auch zum Beispiel Transport nach Hause eingeschlossen ist, falls es sich um etwas ernsteres handelt. Es ist allerdings nicht immer leicht, einen Rechnungsbeleg zu bekommen vom Arzt, der von der Krankenversicherung anerkannt wird.

Telefon-/Internetanschluss
Das Internet in den Städten ist sehr gut, auf dem Land gibt es oft keine mobilen Daten. Um mobile Daten zu bekommen, braucht man eine tansanische SIM-Karte. Diese bekommt man in den Anbeitershops, zum Beispiel Vodacom. Vodacom hat in den meisten Gegenden Tansanias eine gute Abdeckung. Das Kaufen einer SIM-Karte dauert gerne mal eine Stunde oder länger. Das Einrichten erledigt der Wala, also der Vodacom-Angestellte im Laden. Dafür braucht man den Ausweis bzw. den Reisepass.

Bank/Kontoeröffnung
Geldabheben ist meistens recht teuer, es fallen bei der billigsten Bank CRDB mit den meisten VISA-Karten ca. 5 € Gebühren an. Mit N26 kann an Geld kostenlos abheben, da gibt es nur eine Gebühr von N26 aus.

Ausgehmöglichkeiten
Tansanier*innen feiern gerne und es gibt in jeder größeren Stadt mindestens einen Nachtclub. Sonst gibt es auch viele Pubs, die sind aber fast immer mit sehr lauter Musik beschallt. Es lohnen sich aber Straßenlokale, bei denen man draußen sitzt, oder Straßencafés, die zum Sonnenuntergang aufgebaut werden (da sitzen immer nur tansanische Männer, aber es beschwert sich niemand, wenn man sich als Frau dazusetzt). Ansonsten immer die ortsansässigen Leute fragen, die kennen immer einen guten Spot.

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