Praktikum beim SCM in Paris

1. Planung und Bewerbungsprozess
Ich bin immatrikuliert im Doppelmasterstudiengang der FU mit der Sciences Po Paris, welcher ein sechswöchiges Pflichtpraktikum nach den ersten beiden Semestern (die in Paris stattfinden) beinhaltet. In meinen ersten beiden Semestern in Paris lag mein Fokus auf „Human Rights and Humanitarian Action“, weshalb ich mich auch sehr für ein Praktikum in diesem Bereich interessierte.

In einem meiner Kurse an der Sciences Po Paris war der Leiter des Syrian Center for Media and Freedom (SCM) of Expression als Gastredner eingeladen. Dadurch lernte ich SCM kennen – SCM ist eine syrische unabhängige Nichtregierungsorganisation, welche sich für Meinungs- und Glaubensfreiheit, Menschenrechte und Gerechtigkeit einsetzt und in Paris ihre Zentrale hat.

SCM hat besonderen Beraterstatus bei und damit speziellen Zugang zu den Vereinten Nationen seit 2011. Ich fand die Organisation von Beginn an sehr spannend und interessierte mich für ein Praktikum dort, weshalb ich nach dem Ende meines zweiten Semesters in Paris eine Initiativbewerbung an SCM abschickte. Daraufhin wurde ich relativ bald vom Sekretariat von SCM kontaktiert und gefragt, in welcher Abteilung ich gerne arbeiten würde. Ich entschied mich für das Violations Documentation Center (VDC), welches Menschenrechtsverletzungen dokumentiert um zur Bekämpfung der Straflosigkeit beizutragen, Gerechtigkeit, Achtung der Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit in Syrien zu fördern sowie um Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Nach meiner Entscheidung für die Abteilung musste ich ein Bewerbungsgespräch mit deren Leitung führen, und wurde daraufhin relativ bald für ein Praktikum beim VDC angenommen.

Von einem Praktikum bei SCM erhoffte ich mir das Agieren einer Nichtregierungsorganisation im Bereich Menschenrechte im internationalen Kontext und damit auch das Zusammenspiel der NGO mit den Vereinten Nationen kennenzulernen. Ich fand es insbesondere spannend so spezifisch zum syrischen Kontext zu arbeiten, mit dem ich mich noch nie zu vor so intensiv auseinandergesetzt hatte. Außerdem freute ich mich, Teil eines internationalen aber auch insbesondere syrischen Teams zu sein, und damit interkulturelle Erfahrungen zu sammeln.

2. Unterkunft
Da ich zu Beginn des Praktikums bereits neun Monate in Paris gelebt hatte, gab es keine Notwendigkeit eine neue Unterkunft zu suchen – ich lebte im Maison Heinrich Heine, dem deutschen Haus in der Cité internationale universitaire de Paris (die internationale Studentenstadt). Falls man in Paris eine Unterkunft finden muss, empfehle ich sich auf die Cité internationale universitaire zu bewerben (jeder muss sich auf das Haus seiner Nationalität bewerben). Diese Bewerbung ist zwar recht aufwendig und muss lange im Voraus abgeschickt werden, es lohnt sich jedoch in Anbetracht der günstigen Miete, guten Anbindung und angenehmen Umgebung. Außerdem sind Facebookgruppen manchmal hilfreich um eine Unterkunft in Paris zu finden und ich empfehle die Maklerin Anne Velaska (veparis.av@gmail.com) zu kontaktieren, welche sich darauf spezialisiert hat günstige Zimmer/ Wohnungen für deutsche Studierende in Paris zu finden. Generell wohnen Studierende in Paris eher selten in WGs, sondern eher in sehr kleinen Einzimmerwohnungen, sogenannten „Studios“.

3. Praktikumsverlauf
Zu meinen Hauptaufgaben während des Praktikums gehörte das Verfassen von Beschwerden und Berichten an die verschiedenen Mechanismen der Vereinten Nationen, insbesondere an die Mechanismen des Menschenrechtsrats, wie zum Beispiel den Universal Periodic Review oder die Special Procedures. Die Berichte behandelten beispielsweise die Zwangsrückführungen von syrischen Flüchtlingen (wie bspw. unter anderem die illegalen Pushbacks von Booten im Mittelmeer) durch Griechenland, Zypern oder Bulgarien, die systematischen Wasserkürzungen in Nordostsyrien durch die Türkei oder die Situation von Frauen und Mädchen in Syrien. Die Berichte enthielten meist eine Zusammenfassung von Zeugenaussagen welche SCM selbstständig dokumentiert hatte, Informationen von anderen NGOs oder aus den Medien zu der entsprechenden Situation, und eine Darlegung der relevanten rechtlichen Grundlagen und eventuellen Verletzungen internationalen Rechts.

Zudem unterstützte ich das Data Department, welches Kriegsverbrechen in Syrien dokumentiert und in Datenbanken abspeichert, dabei, Software-Lösungen für die Normalisierung und Bereinigung von Datensätzen zu finden. Außerdem übernahm ich zeitweise Aufgaben für das Advocacy-Team, und protokollierte beispielsweise die Sitzungen des Menschenrechtsrats und der Generalversammlung der Vereinten Nationen zu Syrien, sowie dazugehörige „Side-Events“ und Verhandlungen von verschiedenen Resolutionen.

Ich konnte jeden Tag in Paris ins Büro gehen. Viele der MitarbeiterInnen der Organisation und auch die meisten aus meinem Team lebten allerdings nicht in Paris, sondern in und um Syrien oder in anderen europäischen Ländern. Demnach verlief der Großteil der Kommunikation bezüglich meiner Aufgaben über Zoom oder E-Mail. Ich hatte ungefähr einmal die Woche ein Gespräch mit meinem Supervisor, und wir sprachen jedes Mal spontan, sobald konkrete Fragen, besonders während dem Verfassen der Berichte aufkamen.

Die Arbeitssprachen bei SCM sind Englisch und Arabisch – oft wurde jedoch eher auf Arabisch kommuniziert, Google Übersetzer und das automatische Übersetzungsprogramm von Gmail helfen dabei sehr. Da ich nur sehr rudimentäre Arabischkenntnisse habe, arbeitet ich ausschließlich auf Englisch und kommunizierte auch mit den meisten meiner KollegInnen auf Englisch. Da viele der MitarbeiterInnen vor Ort jedoch eher Französisch sprachen, habe ich auf jeden Fall auch meine Französischkenntnisse verbessert.

4. Alltag und Freizeit
Ich hatte auf jeden Fall ausreichend soziale Kontakte da ich die beiden Semester davor in Paris studiert hatte. Da ich außerdem weiterhin in der Cité universitaire lebte (die Studentenstadt), habe ich auch darüber viele Freunde kennengelernt. Falls man in Paris Leute kennenlernen will, empfehle ich auf jeden Fall jedem am Wochenende oder an Abenden in die Cité internationale universitaire zu fahren (auch wenn man dort nicht lebt), da dort immer Leute picknicken, Sport treiben oder einfach zusammensitzen. In der cité gibt es auch ein Theater, Sprachkurse, eine Bibliothek und viele sonstige Diskussionsangebote.
In Paris generell gibt es sehr viele kulturelle Angebote – man bekommst beispielsweise sehr billige Theaterkarten, Opernkarten oder Kinotickets, und die Filme werden immer im Originalton gezeigt. Beispielsweise bei La Villette im Norden der Stadt gibt es auch ein sehr schönes Open Air Kino.
In Frankreich wird außerdem generell mehr Zeit draußen verbracht als in Deutschland, was ich sehr schön fand. Viele Franzosen und Französinnen sitzen an Abenden mit gutem Wetter am Ufer der Seine und picknicken, oder auf den Terrassen der vielen Bars.

5. Kosten und Finanzierung
Paris ist auf jeden Fall teurer als die meisten deutschen Städte, worauf man sich einstellen muss. Ein Zimmer (die meisten Studierenden wohnen in Studios) kostet normalerweise um die 700-900€. Ein Zimmer in der Studentenstadt ist wie gesagt um einiges günstiger.
Lebenshaltungskosten sind sonst nicht zwingend teurer als in Deutschland. Die meisten Supermärkte sind zwar teurer, es gibt jedoch Lidl und Aldi bei denen man günstig einkaufen kann, auch wenn man dazu manchmal weitere Strecken auf sich nehmen muss. Bars und Restaurants können in Paris zwar viel teurer sein, es kommt jedoch sehr auf den Stadtteil an – im 16. Arrondissement wird man nichts Billiges finden, während man im 13. oder 18.,19.,20. sehr günstig und sehr gut essen und trinken kann.
Gut zu wissen ist außerdem, dass Arbeitgeber in Frankreich für Praktika von mindestens zwei Monaten einen Mindestlohn von 4,05€ die Stunde zahlen müssen, was zwar nicht viel ist, auf jeden Fall aber trotzdem hilft.

6. Fazit
Insgesamt war ich mit meinem Praktikum bei SCM sehr zufrieden und bin dankbar für die Eindrücke und Erfahrungen, die ich sammeln durfte. Ich habe auf jeden Fall sehr viel neues gelernt – ich hatte davor noch nie so speziell zu Syrien gearbeitet und habe mich außerdem noch nie in der Praxis mit internationalem Recht auseinandergesetzt, was ich sehr spannend fand. Ich habe zudem erfahren, wie NGOs in einem internationalen Umfeld agieren und wie sie dabei die Mechanismen der Vereinten Nationen zu ihrem Vorteil nutzen. Ich habe gelernt wie SCM seine Kampagnen gestaltet, um beispielsweise für die Schaffung eines Gremiums zu kämpfen, welches das Schicksal vermisster Menschen in Syrien aufklärt. Dafür arbeitete SCM mit anderen syrischen sowie internationalen NGOs zusammen und versuchte überzeugende Argumente zu finden, um auch Nationalstaaten davon zu überzeugen in der Generalversammlung der Vereinten Nationen für ein solches Gremium zu stimmen.

Ich habe also insgesamt viel über die verschiedenen Taktiken und Aktivitäten einer NGO im Bereich Menschenrechte gelernt, sowie einen guten Überblick über die verschiedenen Mechanismen und Organe der Vereinten Nationen und die relevanten NGOs in diesem Bereich erhalten. Außerdem war ich die einzige Europäerin im Büro, da die meisten meiner KollegInnen ursprünglich aus Syrien kamen. Demnach würde ich sagen, dass ich mir auf jeden Fall viele interkulturelle Kompetenzen angeeignet habe und viel über Syrien, die syrische Kultur sowie Lebens- und Arbeitsweise gelernt habe, was sehr bereichernd war.

Insgesamt war das Praktikum sowie meine Zeit in Frankreich sehr schön. Es braucht eventuell eine Weile sich in Frankreich einzufinden, auch weil man oft die Sprache braucht, um wirklich Kontakte zu knüpfen, aber Paris ist auf jeden Fall eine sehr lebendige und auch internationale Stadt, in der man viel unternehmen kann und spannende Persönlichkeiten kennenlernt.


Tipps für andere Praktikant:innen

Vorbereitung

Ich habe mich nicht besonders auf das Praktikum vorbereitet. Die Wohnungssuche in Paris nimmt sicher viel Zeit in Anspruch (siehe oben), und manchmal braucht es auch ein wenig, bis man alle seine relevanten Papiere für das Praktikum beisammen hat. In Frankreich braucht man für das Praktikum nämlich immer eine sogenannte Convention de Stage, die recht ausführlich ist und von der aufnehmenden Organisation sowie meistens der Universität des Praktikanten/ der Praktikantin unterschrieben wird. Ansonsten schadet es nicht ein wenig Französisch zu lernen da man das schon sehr häufig braucht um sich zurechtzufinden.

Beantragung Visum

Nicht notwendig da Frankreich EU Staat ist.

Praktikumssuche

Ich hatte, während einem meiner Semester in Paris, einen Kurs, in welchen ich die Praktikumsstelle kennengelernt habe. Nach dem Semester habe mich dann initiativ beworben und wurde nach einem Bewerbungsgespräch angenommen. SCM hat keine Ausschreibung für Praktika und man kann sich demnach nur mit Initiativbewerbung bewerben. Die NGO hat allerdings meistens mindestens eine PraktikantIn, es schadet daher nicht sich früh zu bewerben, um sicher einen Platz zu bekommen.

Wohnungssuche

Man kann sich auf das deutsche Haus (Maison Heinrich Heine) in der Cité internationale universitaire bewerben, die Bewerbung muss man allerdings mindestens ein halbes Jahr vorher abschicken. Ich hatte sonst Freunde die über Facebookgruppen und über die Maklerin Anne Valeska (welche sich auf Apartments für Studierende spezialisiert hat – veparis.av@gmail.com) Unterkünfte gefunden haben.

 

Formalitäten vor Ort

Telefon-/Internetanschluss

Man kann sich für sehr wenig Geld einen französischen Handyvertrag mit sehr vielen GIGA-Bites holen, was sehr zu empfehlen ist.

Bank/Kontoeröffnung

Ich musste kein französisches Konto eröffnen, mein Gehalt konnte auf mein deutsches Konto überwiesen werden. Dabei gab es allerdings oft Verzögerung, was eventuell daran lag, dass ich ja zum Thema Syrien arbeitete und dass die Organisation „Syrien“ im Namen hatte.

Alltag/Freizeit

Ausgehmöglichkeiten

Siehe geschriebener Text. Es gibt überall in Paris viele Bars, in jedem Teil der Stadt. Insbesondere bin ich gerne im 13. Arrondissement im Viertel Buttes-aux-Cailles ausgegangen da es dort sehr günstig ist.

 

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