Forschungspraktikum an der Cambridge University

Als Masterstudent habe ich von Dezember 2023 bis März 2024 ein viermonatiges Forschungspraktikum an der University of Cambridge im Bereich der organischen Synthesechemie durchgeführt.

Cambridge ist eine wunderschöne Universitätsstadt, die akademisch aber auch für das Sozialleben viel zu bieten hat. Ich habe meine Zeit sehr genossen und fand es toll, über Erasmus+ Einblicke in die von außen sehr elitär wirkende Universität zu erlangen.

Den ersten Kontakt zu der Forschungsgruppe habe ich ca. ein Jahr im Voraus per E-Mail zu dem Professor aufgebaut. Ich war von seiner Forschung fasziniert und habe mich gefreut, dass Laborplätze für Visiting Students auf der Website beworben wurden. Die Aufenthaltsdauer habe ich bewusst etwas länger gewählt, als seitens des FU Chemie-Instituts vorgegeben ist (drei Monate sind die Regel). Die Eingewöhnung in einem neuen Land und Labor und die damit verbundenen Einführungen und Trainings, sowie das Knüpfen sozialer Kontakte vor Ort bedürfen viel Zeit. Daher kann ich längere Aufenthaltsdauern nur empfehlen.
Einige Fachbereiche erheben eine monatliche Gebühr, nicht jedoch das Yusuf Hamied Department of Chemistry. Auf der anderen Seite gibt es auch keine finanzielle Entlohnung für die Arbeit vor Ort. Das Chemistry Department fordert bei der Bewerbung einen aktuellen Englisch-Sprachtest (IELTS/TOEFL), wobei in meinem Fall das Testergebnis drei statt der geforderten zwei Jahre alt war. Glücklicherweise konnte ich den Professor telefonisch von meinen Englisch-Kenntnissen überzeugen, sodass mir das erneute Ablegen des Sprachtests erlassen wurde. Weitere administrative Angelegenheiten wie die Erstellung eines E-Mail Kontos und einer Schlüsselkarte wurden kurz vor meiner Ankunft professionell von dem Onboarding-Team organisiert.

Vom Flughafen Stansted gibt es gute Zug- und Busverbindungen direkt nach Cambridge (ca. 45 – 75 Minuten). Ggf. lohnt es sich eine Bahncard zu erwerben, um bei Zugfahrten während des Aufenthaltes Geld zu sparen.

Der Empfehlung des Cambridge Accommodation Services folgend habe ich ein Zimmer in einem privat vermieteten Haus gefunden, das ca. drei Gehminuten vom Chemie Department entfernt ist. Ich war mit meiner Unterkunft sehr zufrieden, allerdings hätte ich gerne im Voraus gewusst, dass es auch für Visiting Students möglich ist, über Colleges ein Zimmer günstiger zu mieten. Hier empfehle ich, sich durch die Websites der Colleges in Cambridge zu klicken und direkt Kontakt mit deren Accommodation Bureaus aufzunehmen. Nicht alle Colleges haben extra Kapazitäten für externe Besucher, manche Colleges bieten aber leerstehende Zimmer an. Dies ist aber mit einer zusätzlichen Bewerbung bei dem jeweiligen College verbunden, wobei die verschiedenen Colleges unterschiedliche (akademische) Anforderungen an die Bewerber stellen. Einmal aufgenommen hat man aber auch die Möglichkeit, leicht ein Sozialleben aufzubauen und günstig in den Dining Halls Mahlzeiten zu kaufen. Ich habe jedoch schnell über meine Laborgruppe Leute kennengelernt, die mich als Gast mit in die Colleges zum Mittag oder am Wochenende zum Brunch genommen haben, allerdings ist der Gästetarif deutlich teurer.
Meine Lebensmitteleinkäufe habe ich bei Tesco, Co-op oder Sainsbury erledigt, wobei man über die jeweilige Kundenkarte viel Geld sparen kann.

Für fast jedes Interessengebiet/Hobby gibt es in Cambridge eine entsprechende Society, über die man schnell neue Leute kennenlernen kann. Ich war der German Society beigetreten und typische Aktivitäten umfassten während meines Aufenthaltes: Spiele-/Pubabende, Ausflüge nach London, Speaker Events mit Journalisten, formale Abendessen oder als mein persönliches Highlight: der March-Ball. Formale Abendessen werden als „Formal“ bezeichnet und werden (unabhängig von der German Society) von fast allen Colleges angeboten. Hierfür muss man aber entweder College-Mitglied sein oder von einem Mitglied eingeladen werden. Daher kann ich nur empfehlen, Kontakt zu vielen Leuten aufzubauen, um an diesen Events teilhaben zu können. Der Dresscode hierfür ist „black tie (suit) / evening dress“, was man beim Kofferpacken berücksichtigen sollte.

Ansonsten gibt es in Cambridge, vor allem im Stadtzentrum, viele Ausgehmöglichkeiten wie Restaurants, Pubs oder Clubs. Außerdem existieren aus naturwissenschaftlicher Sicht viele historisch bedeutsame Orte, an denen spannende Entdeckungen gemacht wurden. Für Tagesausflüge bieten sich London, Ely oder ggf. Oxford an.

Im Labor war die hohe Arbeitsmoral der Gruppe auffällig. Jeder ist bestrebt, sehr gute Ergebnisse zu erzielen, was ich als motivierendes Arbeitsumfeld aufgefasst habe. Allerdings kamen so auch Arbeitszeiten von deutlich über 40 Wochenstunden zustande. Die Laborarbeit hat aber viel Spaß gemacht, da viele Kolleg:innen zu sehr guten Freund:innen wurden und die tolle Ausstattung des Chemie-Departments das Chemiker:in-Herz höher schlagen lässt.

Meine Erfahrungen würde ich gegen nichts eintauschen wollen und meinen Aufenthalt würde ich jederzeit so wiederholen. Eventuell wäre eine längere Aufenthaltsdauer schön gewesen, um im Labor noch mehr Forschungsergebnisse zu sammeln und Cambridge auch bei wärmerem Wetter kennenzulernen. Zusammenfassend kann ich Cambridge wärmstens für Forschungsaufenthalte empfehlen und es ist definitiv ein realisierbares Ziel, wenn man eine Arbeitsgruppe gefunden hat, die einen aufnimmt.


Tipps für andere Praktikant:innen

 

Vorbereitung

Als Vorbereitung meines geplanten Aufenthaltes habe ich ca. 1 Jahr im Voraus Kontakt zu dem Sekretariat des Yusuf Hamied Department’s of Chemistry aufgenommen, um die Durchführbarkeit meines Aufenthaltes abzuklären. Im Anschluss bin ich per E-Mail mit dem Arbeitsgruppenleiter in Kontakt getreten.

 

Beantragung Visum

Ein Visum ist bei Forschungsaufenthalten, die kürzer als 6 Monate sind, nicht notwendig.

 

Praktikumssuche

Den ersten Kontakt zu der Arbeitsgruppe habe ich ca. ein Jahr im Voraus per E-Mail mit dem Professor der Arbeitsgruppe aufgebaut. Fasziniert von seiner Forschung habe ich mich gefreut, dass Laborplätze für Visiting Students auf seiner Website beworben wurden.

 

Wohnungssuche

Nach erfolgreicher Registrierung als Newcomer habe ich ca. neun Monate vor meiner Ankunft auf der Website des Accommodation Services eine Unterkunft gefunden. Alternativ empfehle ich direkt Kontakt mit Colleges aufzunehmen, um eventuell eine günstigere Unterkunft zu finden.

 

Versicherung

Ich habe über die Würzburger Versicherungs-AG das erforderliche Versicherungspaket abgeschlossen.

 

Formalitäten vor Ort

Telefon-/Internetanschluss

Ich habe explizit nach einer Unterkunft gesucht, bei der sämtliche Nebenkosten (wie z.B. Internet) direkt im Mietpreis enthalten sind, um zusätzliche Arbeit vor Ort zu minimieren. Bei kurzen Aufenthalten kann zudem der deutsche Mobilvertrag ohne Preisaufschlag weiter genutzt werden.

 

Bank/Kontoeröffnung

Da ich meine Mietzahlungen sowie alle anderen Zahlungen mit meiner deutschen Kreditkarte abwickeln konnte, war eine Kontoeröffnung vor Ort nicht notwendig. Bargeld wird zwar fast überall akzeptiert, allerdings bin ich ohne Bargeld sehr gut zurechtgekommen.

 

Sonstiges

Ich habe eine Unterkunft in unmittelbarer Nähe zu meinem Arbeitsplatz gesucht und gefunden, was längere Laufwege erspart hat. Wäre dies nicht so gewesen, hätte ich vermutlich ein Fahrrad gekauft, das u.a. auf Facebook Marketplace günstig angeboten wird. Fahrräder und Elektroscooter prägen deutlich das Straßenbild in Cambridge.

 

Ausgehmöglichkeiten

Im Stadtzentrum gibt es viele Ausgehmöglichkeiten wie Restaurants, Pubs oder Clubs. Außerdem bieten Colleges formale Abendessen sowie an Wochenenden ein typisch britisches Brunch-Buffet an.

 

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