Nachdem ich den Entschluss getroffen hatte, ein freiwilliges Praktikum im Ausland zu machen und mich über die Rahmenbedingungen von Erasmus+ informiert hatte, begann ich entsprechend meiner Interessengebiete und Sprachkenntnisse nach einem psychologischen Praktikum im Kinder- und Jugendbereich im englisch- oder französischsprachigen Ausland zu suchen.
Dies stellte sich als sehr schwierig heraus – einerseits sind psychologische Praktika ebenso wie in Deutschland auch im europäischen Ausland sehr gefragt, andererseits nehmen viele klinische Einrichtungen im Kinder- und Jugendbereich nur Masterstudierende (oder höher Qualifizierte) als Praktikant*innen. Zusätzlich stellte sich mir das Problem, dass viele schulpsychologische Einrichtungen in den Sommermonaten wegen Sommerferien schließen. Zu diesen Punkten kam sicherlich auch die Sprachbarriere, da ich weder Englisch noch Französisch auf Muttersprachniveau spreche. Nach einigen Monaten vergeblicher Suche beschloss ich daher in Absprache mit der Erasmus+-Koordination, ein Praktikum in einer Kita in Frankreich zu machen. Dies schien mir eine gute Alternative, um allgemeine Praxiserfahrung im professionellen Umgang mit Kindern zu sammeln. Als ich die deutsch-französische Kita Hänsel & Gretel in Nantes fand und schnell eine positive Rückmeldung für das Praktikum bekam, fiel so meine Entscheidung auf diese Einrichtung.
Bei der Wohnungssuche hatte ich sehr Glück und fand nach recht kurzer Zeit eine House-sitting Möglichkeit, die sich ungefähr mit dem Zeitraum meines Praktikums deckte und gut gelegen war zwischen meinem Praktikumsort und der Innenstadt. Somit konnte für einen sehr günstigen Mietpreis in dem Haus eines älteren Paares, das für die Sommermonate in den Urlaub fuhr, wohnen und kümmerte mich im Gegenzug um den Garten. Die Absprachen mit meinen Gasteltern und auch das Zusammenleben in der Zeit, in der sie da waren, klappte sehr gut und ich wurde herzlich empfangen.
Ansonsten lassen sich in Nantes je nach Lage (Innenstadt oder etwas weiter draußen) auch gut bezahlbare WG-Zimmer finden. Von anderen Praktikant*innen bekam ich außerdem mit, dass sie für den kürzeren Zeitraum ein Airbnb mieteten.
Nantes als Stadt hat mir sehr gut gefallen. Die Wahl der Stadt für das Erasmus+-Praktikum war in meinem Fall vor allem daran gebunden, dass ich dort einen Praktikumsplatz gefunden hatte, aber auch daran, dass ich mehrfach positive Dinge über die Stadt gehört hatte. Ich wohnte direkt an der Erdre (ein Fluss, der sich in der Stadt mit der Loire kreuzt), an der man sehr schön im Grünen entlang spazieren konnte. Gleichzeitig war ich nicht weit von der Innenstadt, wo sich Bars, Restaurants, Geschäfte und Cafés in den schönen, pittoresken Straßen aneinanderreihen. Die Stadt hat viele schöne Parks, wie z.B. den Jardin des plantes mit Gewächshäusern und Ziegengehege, und bietet viele kulturelle Ausgehmöglichkeiten mit verschiedensten Museen und Ausstellungen. In den Sommermonaten findet z.B. jedes Jahr die Voyage à Nantes statt, bei der in der ganzen Stadt verteilt Kunstinstallationen verschiedener Künstler zu einem bestimmten Thema ausgestellt sind. Im August fand außerdem das jährliche Festival de l’Erdre statt, an dem es eine Woche lang an verschiedenen Orten um die Erdre herum kostenlose live-Auftritte von Jazz-Musiker*innen gab. Zum Feiern gibt es ebenfalls einige Ausgehmöglichkeiten mit ein paar Clubs wie dem Macadam und dem Warehouse sowie vielen Bars, z.B. am Hangar à bananes.
Die öffentlichen Verkehrsmittel in Nantes sind günstig (1,80€/h) und am Wochenende sind sie sogar kostenlos. Für einen längeren Zeitraum lohnt es sich ein Monatsticket zu kaufen, da man damit ordentlich spart. Ich selbst habe mir außerdem ein Fahrrad günstig gebraucht gekauft – damit konnte ich mich sehr gut überall fortbewegen, da die Stadt sehr fahrradfreundlich gemacht ist.
Für Ausflüge in umliegende Städte (z.B. Rennes, La Rochelle, aber auch Paris) ist man von Nantes aus gut mit dem Zug angebunden und im Juli und August gab es sogar den PassRail, der ähnlich wie das Deutschlandticket funktioniert.
Das Praktikum selbst in der Crèche Hänsel & Gretel hat mir insgesamt sehr gut gefallen. Die Mitarbeiterinnen waren alle sehr freundlich und aufgeschlossen und ich wurde schnell in das tägliche Geschehen integriert.
Da es sich um eine deutsch-französische Einrichtung handelte und sie regelmäßig deutsche Praktikant*innen und FSJler*innen empfangen, war meine Rolle als Praktikant*in recht klar, ich wurde gut eingearbeitet und ich hatte sofort ersten Anschluss durch die deutschen Praktikant*innen, die mit mir dort waren. Prinzipiell ist es von der Einrichtung aus sogar möglich, mit so gut wie gar keinen Vorkenntnissen in Französisch ein Praktikum dort zu machen – auch wenn mir meine Französischkenntnisse die alltägliche Kommunikation mit den Mitarbeitenden deutlich erleichtert haben. Mit den Kindern konnte ich sowohl Deutsch als auch Französisch sprechen. Insgesamt konnte ich viel mit den Kindern interagieren und sowohl Aktivitäten anbieten als auch die alltäglichen Pflegeaufgaben mitübernehmen.
Alles in allem war ich sehr zufrieden mit meiner Entscheidung, mein Praktikum dort zu machen und nehme viel an persönlichen und professionellen Erfahrungen mit.
Tipps für andere Praktikant:innen
Vorbereitung
Die Vorbereitung kann viel Zeit in Anspruch nehmen, daher würde ich einige Monate (am besten 1 Jahr) vorher damit beginnen und zeitnah mit der Erasmus+-Koordination in Kontakt treten.
Beantragung Visum
Für Frankreich wird als EU-Bürger*in kein Visum benötigt.
Praktikumssuche
Für ein psychologisches Praktikum bietet sich ein Forschungspraktikum wohl am ehesten an, da diese noch am leichtesten zu finden sind. Für ein Praktikum im klinischen Bereich würde ich empfehlen, am besten 1 Jahr vorher mit der Suche anzufangen und mit ähnlichen Erwartungen wie in Deutschland an die Suche heranzutreten. Außerdem sind sehr gute Sprachkenntnisse vermutlich ein Muss.
Für Praktika im sozialen Bereich in Frankreich ist gut zu wissen, dass Praktika, die länger als 2 Monate dauern, bezahlt werden müssen. Da einige Einrichtungen dafür keine Kapazitäten haben, ist dies evtl. bei der Suche nach längeren Praktika zu berücksichtigen.
Wohnungssuche
Für die Wohnungssuche kann ich die gängige lokale Seite leboncoin.fr empfehlen (etwa wie ebay Kleianzeigen). Darüber habe ich viele Wg-Zimmer und auch das House-sitting, was ich letztendlich gemacht habe, gefunden.
Versicherung
Ich kann die DAAD Gruppenversicherung empfehlen. Diese konnte ich schnell abschließen und bei der Rückerstattung der Kosten eines Arztbesuches gab es keine Probleme.
Telefon-/Internetanschluss
Da die Mobilverträge in Frankreich sehr viel günstiger sind als in Deutschland, kann es sich für längeren Aufenthalt lohnen, einen abzuschließen.
Ausgehmöglichkeiten
Es gibt viele Bars in der Innenstadt und auch ein paar Clubs.