Zum Abschluss meines Masterstudiums in der Biochemie wollte ich im Rahmen eines freiwilligen Praktikums ins Ausland gehen und mich dabei fachlich, persönlich, aber auch sprachlich weiter zu entwickeln. Dadurch, dass Englisch in den Naturwissenschaften die Wissenschaftssprache ist, war es mir wichtig eine Arbeitsgruppe im englischsprachigen Ausland zu finden. Meine Mentorin, die mich unter anderem während der Zeit der Praktikumssuche begleitet hat, schlug mir dann vor mich bei einer Arbeitsgruppe an einem Institut der University of Cambridge zu bewerben – denn diese Arbeitsgruppe arbeitet genau an einem derjenigen Themen, mit denen ich mich am liebsten beschäftigen wollte.
Nachdem ich meine Bewerbungsunterlagen etliche Male umgeschrieben und überarbeitet hatte, habe ich sie nach einigen Wochen endlich abgeschickt und sehr schnell die Antwort bekommen, dass sie angeschaut werden würden. Die nächste Mail, die ich danach diesbezüglich erhielt, kam allerdings nicht vom Labor in Cambridge, sondern von einem der Professoren, die ich in meinem CV als Referenz angegeben hatte. Er teilte mir mit, dass ein Arbeitsgruppenleiter aus England sich bei ihm nach mir und meiner Arbeit bei ihm erkundigt hatte. Das war für mich das erste Mal, dass ich selbst mitbekam, dass sich jemand an die angegebenen Referenzen wendet. Bis dahin hatte ich diese Angabe für reine Formalität gehalten. Einige Tage später erhielt ich dann eine Einladung zu einem Skype-Interview. In diesem wurde ich nach meiner Motivation für das Praktikum und meinen Gründen für die Wahl dieser Arbeitsgruppe gefragt. Dabei wurde mir auch erklärt, welche Aufgaben ich in meinem Praktikum übernehmen könnte. Nach dem erfolgreichen Gespräch folgte dann der gesamte organisatorische Teil der Praktikumsvorbereitung, der wegen der damals in der Schwebe hängenden Brexit-Verhandlungen leider nicht ganz geradlinig verlief.
Letztendlich ließ sich aber für alles eine Lösung finden und ich konnte mich Anfang Februar 2020 auf nach England machen. Ich bin einige Tage vor dem offiziellen Start des Praktikums angereist, um ein bisschen Puffer und Zeit zur Eingewöhnung zu haben. Da ich aber ein Zimmer bei einer wunderbaren und sehr herzlichen Landlady gemietet hatte, ging das mit der Eingewöhnung sehr schnell.
Kurz vor Beginn meines ersten Tages im Labor hatte meine Betreuerin mir noch gesagt, dass wir an diesem Tag vermutlich hauptsächlich Organisatorisches zu tun haben werden. Doch es kam etwas anders und ich bin abends etwas müde, aber sehr zufrieden und mit dem Wissen, eine Menge geschafft zu haben, zurück zu meiner Landlady geradelt. Dieser Tag, der mir als kürzester angekündigt wurde, sollte der längste meines gesamten Praktikums werden. Danach verliefen die Tage so, wie man sie aus einem normalen biochemischen Labor kennt: morgens wird der Plan für den Tag durchgegangen, dann alles nacheinander abgearbeitet, zwischendurch wird mit der gesamten Gruppe zu Mittag gegessen und bevor man am Ende des Tages geht, wird der Plan für den nächsten festgelegt.
Im Rahmen des Praktikums habe ich nicht nur methodisch und fachlich viel dazu gelernt, sondern auch mein Mindset weiterentwickeln können. Zwei Dinge waren dabei besonders prägend:
- Man lernt mit Misserfolgen umzugehen. Ein erklärtes didaktisches Ziel des Arbeitsgruppenleiters war es, dass ich den Umgang mit Misserfolgen und vor allem das anschließende Finden eines Lösungsansatzes lerne. Und ich bin ausgesprochen dankbar dafür, dass im Praktikum Wert darauf gelegt wurde, dass ich den Umgang mit Misserfolgen übe. Natürlich hatte ich Ähnliches schon aus meinen vorherigen Universitäts- und Forschungspraktika mitgenommen, aber so deutlich und effektiv wie bei diesem Mal habe ich es selten lernen können.
- Der „Cambridge Spirit“. Keine Ahnung, ob ich mehr dazu sagen muss. ? Er hat mich auf jeden Fall, was Motivation und Arbeitseinstellung angeht, stark beeinflusst und ich hoffe sehr, mir das beibehalten zu können.
Zusammengefasst waren es unfassbar großartige, wenn auch arbeitsintensive, sechs Wochen. Das Letztgenannte ist tatsächlich auch die einzige Schattenseite an meinem Praktikum; denn ursprünglich waren 2,5 Monate geplant gewesen. Doch wegen der Ausbreitung des Coronavirus wurde das Institut geschlossen und mein Praktikum damit vorzeitig beendet. Ich habe mir allerdings –in Absprache mit dem Arbeitsgruppenleiter, meiner Betreuerin und meiner Landlady – fest vorgenommen wiederzukommen, sobald die Situation es erlaubt. Auch wenn das vermutlich noch eine ganze Weile dauern wird, freue ich mich schon jetzt sehr darauf und kann es kaum erwarten, diesen nächsten Aufenthalt zu planen.
Tipps für andere Praktikant/inn/en
Vorbereitung
Mit der Vorbereitung des Praktikums sollte früh genug begonnen werden – eine zeitliche Faustregel gibt es da aber vermutlich nicht. Denn vor allem bei Praktika in der Forschung steht ein halbes Jahr vorher oftmals noch gar nicht fest, ob es zu dem geplanten Zeitpunkt ein interessantes und machbares Projekt zum Bearbeiten gibt. Früh genug Nachfragen sollte man aber natürlich trotzdem.
Zudem ist es hilfreich mit anderen Studierenden zu sprechen, die bereits in dem Wunsch-Labor gearbeitet haben oder sogar noch arbeiten, um einen besseren Eindruck davon zu gewinnen, was einen erwartet und wie man sich am besten auf das Praktikum vorbereiten kann.
Praktikumssuche
Ich habe mir im Internet Arbeitsgruppen rausgesucht, die an für mich interessanten Forschungsthemen arbeiten und mich dann bei der damals interessantesten initiativ beworben. Bevor ich die Bewerbungsunterlagen abgeschickt habe, habe ich aber mehrmals mit einem Mitglied des Labors gesprochen, um zu erfahren, wie der Alltag in dem Labor aussieht und was dort von Praktikant*innen erwartet wird.
Wohnungssuche
In Cambridge ist es vor allem bei kürzeren Aufenthalten (also nur einige Monate) üblich bei Landladies/-lords zu wohnen. Das bedeutet, dass man sich für die Dauer des Aufenthaltes ein Zimmer im Haus einer dort lebenden Familie mietet. Es gibt extra Internetseiten auf denen Landladies und -lords ihre freien Zimmer anbieten können. Ich persönlich hatte das Glück, dass ein Mitglied des Labors mir den Kontakt mit meiner Landlady vermittelt hat und ich bin mir sicher, dass ich es nicht hätte besser haben können ?
Versicherung
Ich hatte die vom DAAD angebotene Versicherung für Praktikant*innen.
Sonstiges
Die University of Cambridge hat ein unfassbar riesiges Angebot an Talks mit den unterschiedlichsten Themen. Auch sportlich und freizeittechnisch hat Cambridge eine ganze Menge zu bieten. Neben dem Angebot durch die Universität, welches man teilweise auch als nicht-Angehörige*r nutzen kann, gibt es viele andere Angebote wie z. B. den „Cambridge Community Circus“ oder den „Knitting lunch“. Wenn man sich ein bisschen auf den schwarzen Brettern der Institute oder einfach in den sozialen Medien umschaut, findet man im verhältnismäßig kleinen Cambridge eine Menge Aktivitäten jeder erdenklicher Art.