Nachdem ich während des Wintersemesters 2019/2020 Kurse an einer Uni in Bordeaux besucht hatte wollte ich meinen ERASMUS-Aufenthalt gerne durch zwei Forschungspraktika komplettieren: eines ab Januar 2020 und ein weiteres ab April. Ein Labor für diese Praktika war schnell gefunden. Ich habe einfach einen meiner Professoren, dessen Forschung mich interessierte, nach einem Kurs angesprochen. Er fand die Idee super und hatte außerdem ein Projekt im Sinn, dass sehr gut zu meinen Studien- und Forschungszielen passte. Das erste Praktikum verlief wie geplant und ich konnte bis März meine bioinformatischen Untersuchungen abschließen. Zwar gab es schon beunruhigende Corona-Nachrichten aus Italien aber in Frankreich schien zunächst alles in Ordnung. Vor allem im Südwesten rund um Bordeaux. Dann ging plötzlich alles sehr schnell, ab April befand sich ganz Frankreich im Lockdown und das Labor war zunächst bis auf weiteres geschlossen. Ich hatte unheimliches Glück, dass ich mich zu diesem Zeitpunkt schon seit über einem halben Jahr in Bordeaux befand und ein recht gutes soziales Netz aufgebaut hatte. Ich hatte einen privaten Vermieter, sodass ich meine Wohnung trotz auf Eis liegendem Studium ohne Probleme behalten konnte. Außerdem waren meine französischen Freunde auch in Bordeaux geblieben und das ERASMUS-Büro stand mir immer zur Verfügung. Ich entschied also, dass ich während des Lockdowns in Bordeaux bleiben würde. Dann hieß es warten, warten, warten. Den Sommer verbrachte ich in einer Mischung aus Ferien und Zukunftsangst, aber sicher nicht schlechter als in Deutschland. Im September konnte das zweite Praktikum dann endlich losgehen. Zum Glück war es für alle Beteiligten kein Problem das Projekt zu verschieben und letztendlich habe ich sicher weniger Zeit verloren als bei einer plötzlichen Rückkehr nach Berlin. Dafür danke ich dem ERASMUS-Praktikumsbüro sehr, vor allem weil die Kommunikation anders als mit anderen Stellen an der FU super unkompliziert ablief.
Das vergangene halbe Jahr hat mir weit mehr gezeigt als neue wissenschaftliche Techniken. Ich habe vor allem gelernt nicht so schnell aufzugeben, neue Freundschaften zu hegen und zu pflegen und, dass es sich selbst bei vermeintlich kurzen Auslandaufenthalten lohnt, aus einer internationalen Studentenblase heraus zu treten und weitere Kontakte im Gastland zu suchen. Frankreich ist „dank“ der Pandemie mehr als erhofft, zu einer zweiten Heimat geworden und das Abenteuer geht demnächst mit einer Masterarbeit weiter. Diesmal geht es in die Provence!
Auch wenn während dieses Praktikums wenig Möglichkeiten für Ausgehen und Partys bestanden, bieten Bordeaux und Umgebung in normalen Tagen natürlich auch genau das. Aber nicht nur. Auch die Natur und Architektur sind absolut sehenswert und ich persönlich kann, Pandemie oder nicht, einen Aufenthalt hier uneingeschränkt empfehlen. Darüber Hinaus entschädigt ein Institut mit eigenen Weinbergen auf dem Gelände für vieles ?.
Tipps für andere Praktikanten
Vorbereitung
Am besten ist es, wenn man vorher oder während des Praktikums an der Uni Kurse belegt. Die naturwissenschaftliche Fakultät gibt sich extrem viel Mühe bei der Integration ausländischer Studenten, was eine echte Hilfe ist.
Praktikumssuche
Praktika an der Uni organisieren sich wie in Deutschland auch über persönliche Kontakte zu den Arbeitsgruppen. Man sollte einfach über den eigenen Schatten springen und fragen.
Wohnungssuche
Zunächst ist es relativ einfach eine Wohnung im Wohnheim zu bekommen, dabei hilft das ERASMUS Büro vor Ort. Man sollte allerdings schnell alles rechtzeitig einreichen. Was eine private Wohnungssuche angeht ist es unerlässlich einerseits früh zu beginnen und andererseits französisch zu können. Andernfalls ist es auf dem heiß umkämpften Wohnungsmarkt beinahe unmöglich etwas zu finden.
Versicherung
Eine Auslandsstudentenversicherung mit Kranken- und Haftpflichtversicherung bietet sich an.
Sonstiges
Gute Französischkenntnisse sind meiner Meinung nach unerlässlich. Zwar sprechen im universitären Umfeld viele Englisch, aber im täglichen Leben bei Banken, Versicherungen und der öffentlichen Verwaltung kommt man ohne Französisch mindestens auf B1 Niveau nicht weit.
Formalitäten vor Ort
Telefon-/Internetanschluss
Es gibt viele Telefonanbieter die Verträge, die jederzeit kündbar sind, anbieten. Das sind normale Flatratetarife mit mobilem Internet.
Bank/Kontoeröffnung
Ein eigenes französisches Bankkonto ist für kurze Aufenthalte nicht nötig, sofern man aus der EU kommt und eine Kreditkarte besitzt.
Alltag/Freizeit
Ausgehmöglichkeiten
Im gesamten Stadtzentrum von Bordeaux finden sich Bars, Kinos, Theater und vieles mehr. Ansonsten sind das Bassin d’Arcachon, die Atlantikküste sowie natürlich die ganze Weinbauregion rund um Bordeaux absolut sehenswert.
Sonstiges
In und um Bordeaux gibt es gute Fahhradwege. Besonders als Student in Pandemiezeiten lohnte es sich eines zu kaufen. Der Verein Étu’Recup auf dem Campus bietet gebrauchte Fahrräder an