Forschungspraktikum im Bereich Meeresbiologie in Norwegen

1.Warum Norwegen?
Während meiner Bachelorarbeit  im Sommer 2019, hatte ich die Möglichkeit einen Master-Studenten bei seiner zwei wöchigen Feldarbeit zu begleiten. Dabei sind wir mit einem Instituts Bus die Westküste Norwegens entlang gefahren, um marine dreistachlige Stichlinge zu fangen. Auf dieser Expedition habe ich Norwegen und seine beeindruckende Natur zum ersten Mal erleben können. Die Erfahrungen haben mich nachhaltig geprägt und waren Motivation für mein Auslandspraktikum im Jahr 2021.


2. Recherche und Vorbereitung

Während meines Bachelors an der Freien-Universität-Berlin hatte ich nicht die Möglichkeit ergriffen mithilfe von Erasmus ins Ausland zu gehen. Umso mehr wollte ich es unbedingt im Master machen und fing Ende 2020 mit meiner Recherche an. Mir war schnell klar, nicht einen Direktaustausch zu machen und an einer anderen Hochschule zu studieren, sondern eher mit ERASMUS+ als Trainee direkt in einer Arbeitsgruppe (AG) in der Forschung zu arbeiten.

Als Recherche -Tool dienten mir Websites jeweiliger Universitäten oder Hochschulen in Norwegen auf welchen ich explizit nach Personen/AGs in meinem „field of interest“ gesucht habe. Dabei habe ich mir aktuelle Projekte und vergangene Forschungspublikationen durchgelesen. (Ohne Gewähr: Ich empfehle eher mit PhDs oder Post-Docs in den „Erst-Kontakt“ zu treten. Erstens ist die Antwortrate auf diese Weise um einiges höher als wenn man direkt Professoren anschreibt und zweitens bekommt man schon mal einen Eindruck wie in der AG gearbeitet und geforscht wird.) Bezüglich der bürokratischen Angelegenheiten hatte ich mit dem ERASMUS-Office an der Freien-Universität einen sehr guten Ansprechpartner und mit Hilfe der Sachbearbeiterinnen-arbeiter konnten alle meine Fragen beantwortet werden. Ebenso gab es an der Gastuni eine Ansprechperson bezüglich jeglicher Bürokratie, wobei mir aber auch meine Supervisorin zur Seite stand.

In Norwegen werden offiziell zwei Varianten norwegisch gesprochen: „Nynorsk“ und „Bokmål“. Wobei Nynorsk vor allem an der Westküste rund um Bergen geschrieben wird, ist Bokmål die ganz offizielle Landessprache auf der im Fernsehen und Medien kommuniziert wird. Aufgrund der Geographie Norwegens und der daraus folgenden Abgeschiedenheit verschiedener Gemeinden, haben sich über die Zeit extreme Dialekte geformt welche gesprochen stark vom geschriebenem abweichen. An sich ist Norwegisch oder Bokmål sehr ähnlich zum Deutschen und macht es somit für deutschsprachige leichter zu erlernen. Aufgrund der extremen Dialekte unterscheidet sich aber das Lernen von geschriebenem oder lesen vom Sprechen, da man sich gesprochen am lokalen Dialekt orientiert. Anders als in Deutschland, gibt es nämlich kein Hoch-Norwegisch wie Hoch-Deutsch, auf welches sich alle einigen können und jeder spricht seinen Dialekt ohne Rücksicht. Mir haben Norweger erzählt das es auch ihnen manchmal untereinander schwer fällt Worte aus anderen Dialekten zu verstehen. Ein Vergleich zwischen Deutsch und den schweitzerdeutschen Dialekten scheint mir hier sehr passend.

Aber sollte es doch zu Verständnis Problemen kommen, spricht zum Glück ein sehr großer Teil der Bevölkerung fließend Englisch. Dennoch sind Norweger eher schüchtern/unsicher und bevorzugen es in ihrer Muttersprache zu kommunizieren. Somit kam es vor, dass wenn ich nur mit Norwegern unterwegs war, ich dann doch teilweise auf Englisch nachfragen musste was denn gerade genau besprochen wurde.

3. Unterkunft im Gastland

An sich können Studenten über den staatlichen Träger „sammen“ (Übersetzt: beisammen) in Studentenwohnheimen untergebracht werden. Da ich aber Mitte Januar anreiste, was schon mitten im norwegischen Semester war, gab es für mich keine Unterbringung über „sammen“.
So habe ich mithilfe der Immobilien-Website: „hybel.no“ meine WG und Zimmer eines privaten Vermieters gefunden. Ebenfalls kann man auf „finn.no“ Wohnungen/Zimmer suchen. Finn.no ist sowas wie das norwegische „ebay“ aber staatlich und wird nicht nur für „Resales“ verwendet, sondern ist auch Anzeigen Portal für Immobilien, Flüge, Autos, Jobs, etc. Meine Miete betrug Anfangs 6500nok/Monat. (~650€ je nach Kurs, die Umrechnung in Euro ist gut fürs Kopfrechnen geeignet, da ein simples verschieben der Kommastelle eine Position nach links für einen groben Umrechnungskurs ausreicht) hierbei war auch eine Parkgebühr für mein Auto inbegriffen. Bergen ist sehr teuer was Parkmöglichkeiten angeht und so hatte ich Glück auf dem Grundstück meiner Vermieterin nur 500nok pro Monat zu Zahlen statt üblichen 1500-2000nok.

4. Praktikum an der Gasthochschule

Ich habe nicht an Kursen der lokalen Lehre teilgenommen, sondern primär an meinem eigenen Forschungsprojekt gearbeitet, welches in ein größeres 4 jähriges Projekt über „deoxygenation of norwegian fjords basins“ integriert war. Somit war meine Interaktion mit anderen Austauschstudenten oder generell anderen Studenten recht gering, umso intensiver war aber mein Kontakt innerhalb der Arbeitsgruppe und anderen Forschern, welchen man bei der täglichen Mittagspause in der Küche getroffen hat. Die Gebäude des biologischen Instituts sind recht modern und auch die Labore in der Lage auf internationalem Niveau zu arbeiten. Durch ein breites naturwissenschaftliches Forschungsfeld, ergeben sich auch gute Kollaborationen vor Ort und Labore unterstützen sich gegenseitig bezüglich fachübergreifender Nutzung von Instrumenten und Analysegeräten. Der gesamte Campus der Universität ist recht zentral gelegen und viele Gebäude sind zu Fuß untereinander zu erreichen.

5. Kompetenz und Lernerfolge

Durch meine sehr enge Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe habe ich auf jeden Fall mehr über naturwissenschaftliche Forschungsablaufe, institutionelle Abläufe und auch Planung und Durchführung von Lehrveranstaltungen gelernt. Ich konnte sogar meine ersten Stunden auf einem Forschungsschiff verbringen als wir für eine Woche Proben in 4 Fjords nördlich von Bergen gesammelt haben. Bezüglich meiner eigenen Forschung habe ich große Fortschritte im Arbeiten mit „R“ zu verzeichnen wobei ich besonders durch Austausch eines Post-Docs sehr viel über „Data-Visualization“ gelernt habe. Wöchentliche Gruppenmeetings haben mein orale und schriftliche Vorstellung von wissenschaftlichen Ergebnissen verbessert und nachdem Corona-Maßnahmen gelockert wurden, konnten auch Arbeitsgruppen übergreifende Seminar-Serien stattfinden. Dadurch konnte ich auch näheres über Arbeitsfortschritte außerhalb meiner Arbeitsgruppe erfahren. Letztendlich hat mich mein neun monatiger Aufenthalt in Norwegen motiviert nochmals nach Bergen zu gehen um dort mein PhD zu absolvieren oder erstmal 1-2 Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter weitere praktische Erfahrungen zu machen.

6. Alltag und Freizeit

In Bergen kann man sehr gut Indoor-Klettern oder Bouldern. Hierfür bieten sich mehrere Hallen vom Bergen Klatreklubb an oder auch von privaten Anbietern. Sehr Old School und mit weniger Besuchern ist die Boulderhalle „Bryggeriet“. Moderner und mit mehreren Besuchern kann man im „Bergen Klatresenter“ bouldern. Der „Bergen Klatreklubb“ hat in Åsane
Anfang des 2021 die modernste und größte Boulder/Kletterhalle in Europa eröffnet. Durch die Lage im Tal ist Bergen von kleineren Bergen umgeben welche alle mit ihren Trails für Bergläufe oder mehrstündige Wanderungen einladen. Der höchste von ihnen ist Ulriken mit 643m von welchem man auf einen 15km Wanderweg über Fjell Landschaft zu „Fløyen“ gelangt.
Aufgrund von Corona hatte ich nicht die Möglichkeit Bars auszukundschaften, aber ich weiß dennoch, das Ausgehen in Restaurants oder eben Bars sehr kostspielig ist. Ein Bier von 0,5 kann schnell bei über > 100nok (10€) kosten.

Im Winter bietet es sich an nördlich oder östlich von Bergen in höher gelegene Regionen Ski oder Snowboard zu fahren. An sich kann in Winter fast jeder Berg für Skitouren genutzt werden (Bild 3). Am nächsten liegt das Skigebiet von Voss welches direkt mit dem Zug von Bergen angefahren werden kann. Für Studenten gibt es gute Angebote welche Hin/-Rückfahrt und ein Tagesticket beinhalten. Bei „BSI Friluft“ kann Outdoor-Equipment für umsonst ausgeliehen werden. Also vom Zelt, Schlafsack, Ski oder Snowboard bis zum Fahrrad oder Campingkocher kann man sich dort ausrüsten.

Um in der Stadt von A nach B zu kommen, gibt es ein Bus System sowie eine Straßenbahnlinie. Zusätzlich können aber auch Scooter oder Leihräder zur individuellen Fortbewegung genutzt werden. Autofahren in Bergen bietet sich eher weniger an da zum einen die Wege recht kurz sind, aber auch die gesamte Stadt von Einbahnstraßen nur so strotzt und es teilweise länger dauert zu fahren als zu laufen. Dazu kommt noch der beschränkte Parkraum, welcher bei Benutzung auch sehr teuer ist.

7. Zusätzliche Kosten / Finanzierung des Auslandsaufenthalts

Norwegen ist mit eines der Länder, wo der alltägliche Lebensunterhalt am höchsten in Europa ist. Wenn man also mit einer monatlichen Miete von 4000-6000nok rechnet, kann man gut und gerne nochmal das Äquivalent davon für Ausgaben von Lebensmitteln dazu rechnen. Ich habe in Summe 10000-12000nok im Monat ausgegeben. Finanziert habe ich das mit Ersparnissen aus Jobs neben meinem Studium vor meinem Auslandsaufenthalt und mit finanzieller Unterstützung meiner Familie. Als ausländischer Student hat man das Recht auch in Norwegen zu arbeiten, aber da hierfür oft fließend norwegisch sprechen als Kriterium ermessen wird, ist es eher unwahrscheinlich als ERASMUS-Student in Norwegen zusätzlich zu jobben.

8. Interkulturelle Erfahrungen/ europäische Erfahrung

Ich habe nicht viele internationale Studenten kennengelernt, aber durch ein paar Mitbewohner welche einen ERASMUS Direktaustausch gemacht haben, konnte ich dennoch dahingehend interessante Gespräche führen, dass wir alle sehr froh sind Europäer zu sein. Besonders zu Corona-Zeiten auf einmal damit innerhalb Europas mit geschlossenen Grenzen konfrontiert zu sein, war für all von uns eine sehr seltsame Erfahrung. Wir alle waren auch sehr davon überrascht und betroffen wie krass Norwegen für 5 Monate ihre Grenzen geschlossen hat. So konnte niemand von uns besucht werden, wodurch einem nochmals sehr gut vor Augen geführt wurde welche Vorteile damit einhergehen Teil der Europäischen Union zu sein, wenn man im normal Zustand Ländergrenzen meist ohne Aufwand überwinden kann.

9. Sonstiges

Ganz allgemein kann ich auf jeden Fall Empfehlen alle möglichen Ausrüstungsgegenstände mitzuführen und keine größeren Anschaffungen in Norwegen zu tätigen. Einfach weil Neuanschaffungen nochmals teurer sind, als wenn man sie in Deutschland kaufen würde. Empfehlen kann ich auch, einfach bevor man nach Norwegen geht für ein paar Wochen täglich mit Duolingo ein paar norwegische Grundlagen zu schaffen.
Es war eine persönliche Bereicherung in die Norwegische Gesellschaft einzutauchen und zu erfahren wie es einfach bestimmte Probleme, welche in Deutschland täglich auffallen, einfach nicht mehr existieren. Ganz krass ist der Stand der Digitalisierung in Norwegen verglichen zu Deutschland. Als ich, zurück in Deutschland, zur Termin-Vereinbarung persönlich ins Bürgeramt gehen musste, haben mich meine norwegischen Freunde schon sehr komisch angeschaut.

10. Fazit

Schlussendlich bin ich einfach unendlich Dankbar diese Erfahrungen sammeln zu können und würde ganz klar jedem eine solche Erfahrung selber wünschen und somit auch empfehlen aktiv ins Ausland zu gehen.
Also wohin auch immer DU deinen Auslandaufenthalt geplant hast, mach es einfach !

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