Die JGzH wurde im Zuge der Novemberpogrome 1938 liquidiert, ihre Institutionen geplündert und geschändet. Die Neue Synagoge in der Bergstraße brannte in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November komplett aus. Im Anschluss sprengten die Nationalsozialisten das Gebäude und es wurde abgetragen. Für die dabei entstanden Kosten in Höhe von 26.000 RM musste die Jüdische Gemeinde aufkommen. Auch die Gemeindebibliothek schloss zwangsweise ihre Leseräume und die Bibliotheksbestände wurden von den Nationalsozialisten beschlagnahmt.
Viele Gemeindemitglieder verloren in der Shoah ihr Leben, nachdem sie in die Konzentrationslager deportiert wurden. Im Kreis Hannover errichteten die Nationalsozialisten sieben KZ-Außenlager, die dem KZ Neuengamme unterstellt waren.
Im Jahr 1945 gab es nur noch wenige Überlebende. Die Jüdische Gemeinde Hannover gründete sich neu und wählte Norbert Prager (1891-1965) zu ihrem ersten Vorsitzenden. Durch den Zuzug der Überlebenden und nach der Auflösung der DP Camps wuchs das jüdische Leben in Hannover. 1950/1951 zog die Jüdische Gemeinde in die Ellernstraße um, wo die Gemeindeverwaltung, ein Betsaal und eine Religionsschule untergebracht worden waren.
In Hannover gibt es heute vier jüdische Gemeinden, die in Summe etwa 6.200 Mitglieder zählen. Die Jüdische Gemeinde Hannover K.d.ö.R. ist die Rechtsnachfolgerin der 1938 liquidierten JGzH.
Das im Bestand der FU Berlin identifizierte Buch wurde in Israel im Antiquariat „Benjamin“ am 1. Oktober 1971 erworben. Welchen Weg das Buch während der Zeit des Nationalsozialismus genommen hatte, bleibt unbekannt.
Die Arbeitsstelle für Provenienzforschung freut sich, mitteilen zu können, dass am 10. März 2022 zwei Bücher aus dem historischen Bibliotheksbestand des Rabbiner-Seminars zu Berlin an das heutige Rabbinerseminar zu Berlin in der Brunnenstraße 33 als Schenkung übergeben werden konnten. Bereits im Zeitraum von 2014 bis 2017 entschied sich die Universitätsbibliothek der Freien Universität dazu, neun Bücher an das Rabbinerseminar zu Berlin zu übergeben, da man dort bestrebt ist, die geraubte Seminarbibliothek zu rekonstruieren.
Das Rabbinerseminar zu Berlin wurde 1873 als orthodoxe Rabbinerausbildungsstätte gegründet. Die Seminargründung erfolgte auf Initiative Rabbiner Esriel Hildesheimer (1820-1899), der u.a. für die Gemeinde Adass Jisroel wirkte und als Gründervater der modernen Orthodoxie galt. Bis zu seiner Schließung durch die Nationalsozialisten am 10. November 1938 avancierte das Seminar zur bedeutendsten Ausbildungsstätte orthodoxer Rabbiner in Westeuropa. Insgesamt studierten mehr als 600 Studenten am Seminar. Das Studium konzentrierte sich auf die Themen: Talmud, Tanach, Midrasch, Philosophie, Pädagogik und biblische Geschichte.
Zur Seminarbibliothek gibt es nur wenige Quellen. Auf S. 86 der sogenannten Minerva-Handbücher, 1. Abteilung: Deutsches Reich (Band 1, 1927) ging hervor, dass der Bibliothekskorpus 1927 ca. 21.000 Bände umfasste. Im Zuge der Novemberpogrome wurde das Seminar geschlossen und der Gemeindebestand in der Artilleriestraße 31 (heute: Tucholskystraße 40) beschlagnahmt. Bis heute gelten die Bücher als verschollen und nur wenige Exemplare konnten bis dato in deutschen Bibliotheken identifiziert werden.
Im Jahr 2009 und damit mehr als 70 Jahre nach der Liquidierung des Rabbinerseminars beschlossen der Zentralrat der Juden in Deutschland und die Ronald S. Lauder Foundation, die Rabbinerausbildungsstätte wiederzueröffnen. Das Seminar befindet sich heute in der Brunnenstraße und versteht sich als ideeller Nachfolger der historischen Rabbinerlehranstalt. Eine offizielle Rechtsnachfolge besteht nicht.
Die beiden restituierten Bände wurden gemeinsam am 27. Mai 1964 im Zuge des Bibliotheksaufbaus des Instituts für Judaistik an der FU Berlin antiquarisch erworben. Im Zugangsbuch ist als Verkäufer lediglich der Name „Rosenthal, Oxford“ notiert. Damit lässt sich der genaue Weg der Bücher für den Zeitraum von 1938 bis 1964 leider nicht rekonstruieren. Die Bände wurden gemeinsam mit zwei weiteren Exemplaren erworben, wozu auch ein Buch aus der Gemeindebibliothek der Jüdischen Gemeinde zu Berlin zählte, das am 17. Februar 2022 restituiert werden konnte.
Im Jahr 1911 erwarb die Israelitische Religionsgemeinde zu Dresden (IRG) die bedeutende judaistische Privatbibliothek des (evangelischen) Hebraisten Karl August Wünsche (1838-1913). Sie wurde nicht in die bestehende Gemeindebibliothek integriert, sondern lediglich angegliedert und fortan als sogenannte Wünsche-Bibliothek geführt. Die eigens dafür angefertigten Stempel bezeugen die Stellung, die dem neuen Bestand beigemessen wurde. Im Jahr 1927 veröffentlichte die IRG einen Katalog des vorhandenen Bestands an Büchern – auch hier getrennt nach Wünsche-Bibliothek und Gemeindebibliothek. Alle drei restituierten Bücher konnten in diesem Katalog nachgewiesen werden.
Mit den Novemberpogromen ging die Beschlagnahmung der Bibliothek der Religionsgemeinde einher und vom 21. bis 24. Juli 1939 war SS-Untersturmführer Stein vor Ort „um die Verpackung folgender in Dresden beschlagnahmter Judenbibliotheken zu überwachen: 1. Israelitische Gemeinde 2. Wünschebibliothek“. Es handelte sich um etwa 6.000 Bände, die in 58 Kisten auf Anweisung von SS-Sturmbannführer Dr. Helmut Knochen an das SD-Hauptamt nach Berlin gesandt wurden.
Im Falle der in Heidelberg identifizierten Exemplare kann im Hinblick auf den Kontext der untersuchten Sammlung von einer Verlagerung ins Protektorat Böhmen und Mähren (1943?) ausgegangen werden – entweder nach Theresienstadt und/oder ins Prager Jüdische Zentralmuseum. Von dort aus gelangten sie in den 1960er Jahren in die BRD und schließlich nach Heidelberg. Dass aber nicht der komplette Bestand der Gemeindebibliothek ins Protektorat überführt worden war, legt ein in der ZLB identifiziertes (und 2013 restituiertes) Exemplar nahe, das den Hinweis auf die Bergungsstelle 15 enthält.
Bereits im Jahr 2017 konnte die Arbeitsstelle für Provenienzforschung aus dem Biblitheksbestand der FU Berlin ein Buch mit der Provenienz der Wünsche-Bibliothek an die JGzD restituieren. Bei dem im Feburar 2022 restuierten Band handelt es sich um einen antiquarischen Ankauf. Die Akquisition erfolgte laut Zugangsbuch am 01.12.1965. Bei dem Verkäufer ist nur der Name „Reinhardt“ notiert, sodass der genaue Weg des Bandes nicht rekonstruiert werden kann.
Der Tagesspiegel berichtet am 26. Februar 2022 über zwei unserer Forschungsprojekte in den Bibliotheken des Instituts für Judaistik und des Botanischen Gartens der Freien Universität Berlin. Mit Unterstützung des Deutsche Zentrum für Kulturgutverluste wird in den beiden Bibliotheken systematisch nach NS-Raubgut gesucht. Nach ersten Erkenntnissen unserer Kolleg*innen befindet sich in diesen Bibliotheken nicht nur NS-Raubgut, sondern auch ein besonders hoher Anteil an NS-Beutegut.
Am 17. Februar 2022 konnte die Arbeitsstelle für Provenienzforschung der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin (FU Berlin) ein Buch aus der Gemeindebibliothek der Jüdischen Gemeinde Berlin restituieren. Nach mehr als 80 Jahren befindet sich der Band damit wieder im Besitz der Jüdischen Gemeinde zu Berlin (JGzB).
Im Zuge der Novemberpogrome in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde die Jüdische Gemeindebibliothek Berlin und ihre neun Zweigstellen geschlossen. Bis dato umfasste der Bibliotheksgesamtbestand der JGzB ca. 100.000 Medien. Die Bibliotheksbestände wurden von den Nationalsozialisten 1939 beschlagnahmt und in das Reichssicherheitshauptamt verbracht. Teile des Bibliothekskorpus wurden u. a. über die Berliner Pfandleihanstalt oder Reichstauschstelle im Reichsministerium des Innern veräußert.
Buch: Brann, M. (Hrsg): Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judenthums, 11. Jahrgang (1903)
Die FU Berlin erwarb das Buch antiquarisch in Oxford (England) im Mai 1964. Damit fiel die Akquisition in den Zeitraum des Aufbaus der Fachbibliothek des Instituts für Judaistik an der FU Berlin, das 1963 gegründet wurde.
Dr. Siegbert Meyersohn wurde am 01. Februar 1886 in Bromberg (heute Bydgoszcz/Polen) als Sohn von Moritz (1858 – 1926) und Herietta (geb. Horwitz 1856 – 1927) Meyersohn geboren. Die Eltern betrieben ein gut gehendes Bekleidungsgeschäft in Bromberg. Siegbert hatte drei Geschwister Erna, Margarethe und Herbert.
Nach seinem Abitur 1905, vermutlich am (König-) Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in Bromberg (Royal Friedrich High School at Bromberg), begann Siegbert Medizin in Freiburg zu studieren. Seine Dissertation schrieb er 1910 über „Typische Frakturen bei Skiläufern“ an der Universität Freiburg.
1914, zu Beginn des 1. Weltkriegs, wurde er als Arzt zum Militär eingezogen und gehörte zum Bayrischen Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 6 (Fürth), dem er laut Militärakten, bereits seit 1907 als Reservist angehörte. Siegbert war an der Westfront stationiert. Seine Entlassung aus dem Militärdienst erfolgte am 05.12.1918. In den Militärakten von 1914 ist als Wohnort Schivelbein angegeben sowie seine Frau Käthe, ein Kind und seine Eltern Moritz und Henrietta.
Die von uns gefundene Provenienz weist ihn als praktischen Arzt in Schivelbein aus. Dies deckt sich mit den Erzählungen und Aufzeichnungen der Familienangehörigen, die nach England immigriere konnte.
Siegbert heiratete am 17.10.1913 Käthe (auch Käte o. Kaethe) Salomon aus Schivelbein. Am 11.08.1914 wurde die erste Tochter des Paares, Lisa Therese, in Schivelbein geboren. Am 03.03.1921 folgte Tochter Eva.
Die Familie lebte ein harmonisches Familienleben. Die Sommer verbrachten vor allem die Frauen und Kinder der Familie am Meer. Doch das sorgenfreie, meist beschauliche Leben hatte mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 ein Ende. Anfänglich schützte Siegbert vielleicht noch seine Teilnahme am 1. Weltkrieg und seine Position als geschätzter Arzt, doch spätestens 1938, nach den Novemberpogromen in Deutschland, war diese vermeintliche Sicherheit vorbei. Siegbert wurde festgenommen und war einige Tage oder Wochen im Konzentrationslager Sachsenhausen interniert. Laut Gedenkbuch Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945, des Bundesarchivs, wurde Siegbert im Dezember 1938 im Konzentrationslager Sachsenhausen interniert. Laut der, im Russisches Staatlichen Militärarchiv Moskau lagernden Originalakten, hatte Siegbert die Häftlingsnummer 13240, er war in der Häftlingskategorie „Jude“ im Häftlingsblock 18 interniert. Die zuständige Institution im Konzentrationslager Sachsenhausen war die Politische Abteilung, seine Entlassung erfolgte am 12.12.1938.
Anfang September 1939, als das Leben für Juden in kleinen Städten immer schwieriger wurde, verließen Siegbert, Käthe und Eva Schivelbein, um nach Berlin zu gehen. Zuvor war die Familie etlichen Repressalien ausgesetzt. Bruder Herbert und seine Frau Regina berichten in einer eidesstattlichen Erklärung (Wieder-gutmachungsverfahren Lisa Meyersohn gegen das Deutsche Reich) unter anderem von der gewaltsamen Beschlagnahme des Autos (amerikanische Marke Nash) und der ärztlichen Instrumente (u.a. ein Mikroskop und ein Röntgenapparat) durch die SS.
Schwester Erna mit Familie und Schwester Margarethe und Familie lebten bereits in Berlin bzw. zogen nach Berlin und so konnte man sich in den schweren Zeiten gegenseitig unterstützen. Bruder Herbert mit Familie hatte Deutschland bereits verlassen. Ebenso sein Neffe Jan Gessler. Seine Tochter Lisa Therese war bereits 1936 nach Berlin gezogen und arbeitete im Jüdischen Krankenhaus zuerst als Lehrschwester und dann als Krankenschwester.
Siegbert war, so die Aussage seiner Familie in England, schon lange ein Zionist und betrieb seine Ausreise nach Palästina. Das Gros des beweglichen Besitzes der Familie (Möbeln, Hausrat, Büchern, Gemälden, Wäsche etc.) war bereits vor der Reise nach Berlin von Schivelbein nach Hamburg versandt worden und wartete hier auf den Weitertransport nach Palästina. Die Angebote in andere Länder zu gehen schlug er aus. Seine Ausreise nach Palästina scheiterte jedoch an den Einwanderungsbeschränkungen der Mandatsmacht. Siegbert erhielt keine Einreisepapiere für sich und seine Familie.
Am 14. Dezember 1942 wurden Siegbert, Käthe und Eva Meyersohn mit dem 25. „Osttransport“ (813 Personen) von Berlin nach Auschwitz deportiert und ermordet. Sämtliches Vermögen der Deportierten wurde vom Deutschen Reich eingezogen und ging damit auf das Reich über. Ihre letzte Berliner Adresse wird in den Papieren des Standesamtes Berlin-Ost und in der Transportliste des 25. „Osttransports“ mit Maikowskistr. 107, Berlin-Charlottenburg angeben.
Im Register des Standesamtes Berlin ist am 08. November 1948 der Zeitpunkt des Todes mit „Anfang 1943 Riga/Lettland im Konzentrationslager verstorben“ angegeben. Die Abweichung von Auschwitz und Riga taucht in verschiedenen Quellen auf. Siegbert war zum Zeitpunkt seiner Deportation und Ermordung 56 Jahre, seine Frau Käthe 53 Jahre und Tochter Eva 21 Jahre alt.
Einzige Überlebende der Familie war die Tochter Lisa Therese Meyersohn (11.08.1914 Schivelbein – 2001 Brasilien). Sie konnte sich in den Kriegsjahren in Berlin verstecken. Ihre Überlebensumstände liegen im Dunkeln, auch ihre Familie in England hat zu dieser Zeit keine Informationen.
Auf der Homepage des Jüdischen Krankenhauses im Wedding (1914 eröffnet, ehemals Schulstraße heute Heinz-Galinski-Straße) ist folgendes zur Geschichte des Krankenhauses vermerkt: „Das Krankenhaus war Sammellager und Zwischenstation für die Transporte der Juden in die Konzentrationslager. Es wurde Ghetto, aber auch Zufluchtsstätte für Untergetauchte. Zur Befreiung im Jahr 1945 sollen sich zwischen 800 und 1.000 Menschen innerhalb seiner Mauern versteckt gehalten haben.“ Möglicherweise gehörte Lisa Therese zu den Menschen die sich dort verstecken konnten.
Sie wanderte 1948 nach Brasilien aus und verstarb dort 2001. Nach Aussage der Familie in England, war sie nie verheiratet und hatte keine Kinder. Ihre letzte Berliner Adresse ist in den Immigrationspapieren von 1948 mit Iranische Str. 4 (aber auch 2), Berlin N 65 angegeben – hier befand sich ein Durchgangslager für jüdische Displaced Persons (DP).
Siegbert wird von seinem Neffen Jan Gessler wie folgt beschrieben: „(…), he was a mensch. That is to say, a human being and not just somebody who lives with two legs and walks on the earth.” In einer Aufzeichnung über die Familiengeschichte für seine Kinder nennt er Siegbert u.a. auch: einen Familienmann, enthusiastischen Gärtner, miserablen Autofahrer aber sehr guten Gesprächspartner.
Folgendes ist zu Siegberts Geschwistern bekannt:
Die Schwester Erna Meyersohn (01.03.1885 Bromberg/Bydgoszcz – ermordet 03.03.1943 Auschwitz) war mit Bruno Gessler/Geßler (07.02.1880 Liptani/Liebenthal, Tschechoslowakei – 06.10.1940 Berlin) verheiratet. Das Ehepaar hatte zwei Söhne, Hans, der sich später in Jan umbenannte (1922 Zittau – 1994 England) und Otto (1925 Zittau – ermordet 03.03.1943 Auschwitz).
Bruno Gessler ließ sich nach dem ersten Weltkrieg in Zittau nieder. Hier leitete er das Deutsche Schuhwarenhaus in der Inneren Weberstraße. Stolpersteine hat die Geschichte der Familie Gessler recherchiert. 1938 ging die Familie nach Berlin. Hans gelang 1939 die Ausreise nach England, seine Familie konnte er nicht nachholen. Vater Bruno verstarb 1940 im Jüdischen Krankenhaus in Berlin. Mutter Erna und Bruder Otto wurden mit dem 33. „Osttransport“ am 3. März 1943 von Berlin nach Auschwitz deportiert und ermordet.
Die letzte gemeinsame Berliner Adresse des Ehepaars war die Tile-Hardenbergstr. 20.
Die Schwester Margarethe (Lotte) Meyersohn (26.12.1887 Bromberg/Bydgoszcz – 09.04.1976 Cincinnati) lebte in Königsberg und war mit Erich Oscher (17.02.1888 Königsberg – 13.09.1956 Cincinnati) verheiratet, der sich in den USA Eric nannte. Das Paar hatte einen Sohn namens Horst Peter (15.09.1920 Bromberg – 03.05.1973 Golf Manor, Hamilton, Ohio).
Ende der 30er Jahre zog die Familie nach Berlin. Margarethe und ihre Familie emigrierte mit einem Visum über Honduras in die USA, so die Erinnerungen von Jan Gessler. Laut Suchanfrage von Lisa Meyersohn nach ihrer Tante Lotte (Margarethe) von 1946 konnte die Familie über Panama in die USA flüchten. Am 22.09.1940 erreichten sie New York und ließen sich in Cincinnati, Ohio nieder.
Ihr Sohn Horst Peter änderte seinen Vornamen in „Horace Pete“ und war mit Hella Louise, geborene Pauson (02.10.1920 Bamberg – 19.01.2001 Tampa/Florida, USA) verheiratet. Das Paar hatte 2 Kinder: Steven (Stevie) (21.09.1947) und Vivien Ann (Vivi) (21.01.1952). Horst und Hella ließen sich am 26. September 1967 scheiden.
Der Bruder Herbert Meyersohn (25.05.1890 Bromberg/Bydgoszcz – 22.06.1966 London) machte 1908 Abitur und wurde Zahnarzt. 1934 heiratete er Regina Hirsch, geborene Less (06.02.1892 Schwetz a.W. – 20.07.1973 London). Regina Hirsch hatte zwei Söhne aus ihrer ersten Ehe mit Ismar Hirsch (01.04.1879 – 14.12.1936) Peter (16.01.1925 Berlin) und Hans, später John Hirsch (03.10.20 Berlin – 09.10.2010 England). Regina und John gelang es 1938 nach London zu immigrieren. 1939 folgten ihnen Herbert und Peter.
Sir Peter Hirsch heiratete 1959 Steve Keller, die 2 Kinder mit in die Ehe brachte Janet und Paul. John Hirsch heiratete 1948 Ann Pendlebury. Das Paar hat vier Kinder – Peter, Penny, Stella and Ann.
Als Adresse in Berlin wird im Jüdischen Adressbuch (1931/32) Dr. Herbert Meyersohn prakt. Zahnarzt: NW 23 Flensburger Str. 22 Moabit angegeben. Mit selbiger Adresse wird auch die Mutter, Henriette Meyersohn, genannt. Die letzte Berliner Adresse laut Unbedenklichkeitsbescheinigung vom 18. Januar 1939 lautet, Berlin NW 87, Levetzowstr. 11a.
Am 24. Januar 2022 – fast 80 Jahre nach der Ermordung von Siegbert Meyersohn – erreichte, das in der Universitätsbibliothek der Freien Universität gefundene Buch, Sue Gessler, die Tochter von Jan Gessler, dem Sohn von Erna Gessler der Schwester von Siegbert. Sie hat uns dankenswerterweise viele der angeführten Informationen zu Verfügung gestellt.
Bei der Recherche für die Klärung des tatsächlichen Namens für Lotte, die eigentlich Margarethe hieß, danke ich der Ahnenforscherin Julia Henke, die die Geburtsurkunde in den polnischen Archiven fand.
Bibliothek des Botanischen Gartens und Deutsches Technikmuseum restituieren zwei Bücher an katholisches Gymnasium
Nachdem im Zweiten Weltkrieg deutsche Truppen im Schulgebäude einer Mädchenschule in Pontlevoy einquartiert worden waren und das Haus schließlich unter nicht ganz geklärten Umständen ausbrannte, fehlte von der Schulbibliothek jahrzehntelang jede Spur. Doch dann tauchten zwei Bücher in verschiedenen Berliner Bibliotheken wieder auf.
Am 7. Dezember 2021 fand in dem kleinen französischen Ort Pontlevoy in der Nähe von Tours nun die feierliche Restitution statt. Vor versammelten Schülerinnen und Schülern konnten die beiden Bücher überreicht werden, die vor Ort als Erinnerungsstücke ausgestellt werden.
Das erste Buch hatten Peter Prölß und Elisabeth Weber vom Deutschen Technikmuseum in deren Museumsbibliothek entdeckt. Sie gingen der auf einem Stempel im Buch genannten Schule nach: École Primaire Supérieure de Jeunes Filles de Pontlevoy. Die Schule gab es nicht mehr. Doch mit Hilfe der französischen Kommission für die Entschädigung der Opfer von Enteignungen (CIVS), konnte ermittelt werden, dass die heute am Ort ansässige Schule, das Collège le Prieuré & Lycée Catholique de Pontlevoy, restitutionsberechtigt ist.
Wenige Wochen vor der bereits organisierten Restitution tauchte in der Bibliothek des Botanischen Gartens und Botanischen Museums das zweite Buch aus derselben Mädchenschule auf. Es enthält nicht nur den Stempel der Schule, sondern noch weitere Spuren der Schülerinnen aus Pontlevoy: Zwischen den Seiten liegen einige gepresste und getrocknete Pflanzen, die vielleicht auf Schulausflügen gepflückt wurden.
Wie die beiden Bücher in die Berliner Museumsbibliotheken gelangen konnten, ließ sich auch noch klären. Die in Pontlevoy stationierten Soldaten gehörten zum Wehrkreis III (Berlin), über den die beschlagnahmten Bücher weiterverteilt wurden. Möglicherweise tauchen in Berliner Bibliotheken noch weitere Bände aus dieser zerstörten französischen Schulbibliothek auf.
Das Buch des Deutschen Technikmuseums ist hier als Objekt des Monats dokumentiert. Denn das Technikmuseum ist leider noch kein Kooperationspartner bei LCA.
Von der Restitution berichtete unter anderem die französische Zeitung La Nouvelle République.
Wir begrüßen unser jüngstes Mitglied, die Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg (UB JCS) in unserer LCA Kooperation und freuen uns auf die Zusammenarbeit!
Die UB JCS hat im November 2020 ein Projekt zur Provenienzforschung begonnen, das vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste für zunächst zwei Jahre gefördert wird und beim Archivzentrum der UB angesiedelt ist. Im Laufe des Projekts sollen rund 80.000 Bände der UB auf ihre Herkunft überprüft werden.
Weitere Informationen über die Universitätsbibliothek JCS und zum Projekt finden Sie hier.
Der Arbeiterjugend-Verlag Berlin (AJV) wurde 1920 gegründet und war Herausgeber von Publikationen der Sozialistische Arbeiter-Jugend (SAJ) im Umkreis der SPD. Vor dem Verbot und der Zerschlagung der SAJ 1933 im Nationalsozialismus, leitete August Albrecht (1890–1982) den Arbeiterjugend-Verlag Berlin. Nach 1945 gingen die Rechte des AJV auf den Verlag J.H.W. Dietz Nachf. über. Der J.H.W. Dietz Nachf. Verlag wurde ebenfalls verboten, 1934 aus dem Handelsregister gelöscht und dessen Vermögen vom NS-Staat eingezogen.
Emil Reinhardt Müller – ein Verfolgter in der NS-Diktatur
Als ab 1933 umfangreiche Beschlagnahmeaktionen zur Sicherstellung sogenannten „schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ starteten, wurden auch Autoren des Arbeiterjugend-Verlag Berlin aufgrund ihrer sozialistischen Gesinnung verfolgt und verboten. Auf den so genannten „Schwarzen Listen“ unbeliebsamer Autoren des Bibliothekars Wolfgang Herrmann stand auch Emil Reinhard Müller (1879 – 1950, Pseudonym Sonnenmüller). Emil R. Müller widmete sich und seine Literaturwerke der Arbeiterjugend. Er engagierte sich in Magdeburg für die Ideale der sozialistisch kulturellen Jugendbildung und war im Widerstand gegen die NS-Diktatur aktiv.
Buch: Müller: Emil, Reinhardt: Narrenglück – Ein Spiel für die Jugend in zwei Teilen (1923)
Das Buch stammte mit hoher Wahrscheinlichkeit aus dem Depot des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) in der Eisenacher Str. 11-13 in Berlin Schöneberg und kam über die Alfred Weiland Sammlung in die Bestände der Universitätsbibliothek.
Am 26.07.2021 konnte die Arbeitsstelle Provenienzforschung der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin ein Buch an die Erben von Margarete „Grete“ Fuchs (geb. Tichauer) und Charlotte „Lotte“ Tichauer in Israel restituieren.
Margarete Tichauer wurde am 6. April 1893 in Breslau geboren. Lotte kam 24. April 1909 zur Welt. Sie waren in ihrer Jugendzeit vermutlich Mitglieder im jüdisch-liberalen Jugendverein zu Breslau und im jüdischen Wanderbund „Kameraden“, Ortsgruppe Ratibor O/S.
Am 26. Januar 1943 wurde Charlotte nach Auschwitz deportiert. Margarete Fuchs musste am 4. März 1943 mit einem Transport von Breslau nach Auschwitz folgen. Grete und Lotte wurden in der Shoah ermordet.
Das Buch wurde von der Universitätsbibliothek 1951 antiquarisch erworben. Der Weg, den der Band bis dato genommen hatte, konnte nicht rekonstruiert werden.
Mithilfe der in Yad Vashem identifizierten Gedenkblätter war es uns gelungen, eine Nichte von Margarete Fuchs in Israel zu identifizieren, die als Erbempfängerin auftritt.
Buch: Richtlinien zu einem Programm für das liberale Judentum nebst den Referaten und Ansprachen auf den Rabbinerversammlungen zu Berlin und Frankfurt am Main und auf der Delegiertenversammlung der Vereinigung für das liberale Judentum zu Polen. (1912)