Nederlands

Beobachtungen zur niederländischen Sprache

Fleet und Brook

Wasser in der Stadt verteilen, mal breit und mal schmal, und bei Pech auch einmal unkontrolliert: Das kann man weiß Gott sehr gut in Flandern und den Niederlanden. So gut, dass man dafür alle möglichen Namen braucht, von sloot und gracht über greppel bis wal oder reien. Aber Moment mal, tönt es da aus Norddeutschland – bei uns gibt das auch viel Wasser, nech! Und wo viel Wasser, da viele Bezeichnungen.

An den deutschen Küsten kann man zum Beispiel lernen, was ein Siel ist, das auf Niederländisch spuisluis heißt, aber als –zijl in vielen Orts- und Familiennamen auch vorkommt: eine Durchflussstelle für ein kleines Gewässer durch den Deich. So ein kleines Gewässer kann ein Bach sein, den man natürlich tausendfach in Toponymen wiederfindet (im übel beleumundeten Molenbeek in Brüssel, im gleichnamigen aber deutlich beschaulicheren Mühlenbeck bei Berlin oder in Hamburg-Wandsbek), aber auch in einem uns wohlbekannten Patronym.

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Der Holländische Brook in Hamburg liegt – natürlich – direkt am Holländischbrookfleet. (Foto: PK)

In der einzigen wirklichen Großstadt Deutschlands neben Berlin kann man kaum zwei Meter gehen, ohne auf ein Fleet zu treffen. Im Gegensatz zur niederländischen vaart oder gracht ist ein Fleet jedoch ursprünglich ein natürliches Gewässer gewesen. Es wurde nicht erst von Menschenhand gegraben und angelegt, sondern der Mensch musste sich mit dem Wasser dort arrangieren, wo es sowieso schon floss. Und weil es fließt, heißt es Fleet. In Berlin ist uns diese Sorte eines kleinen Zuflusses zu einem größeren Gewässer auch nicht fremd, wir kennen zum Beispiel das Tegeler Fließ im Norden der Stadt. Genauso wie das deutsche Fließ oder Fleet hat sich auch das niederländische vliet weitgehend in die Toponymie zurückgezogen.

Unterwegs durch die Speicherstadt trifft man in Hamburg nicht nur auf das eine oder andere Fleet, sondern auch auf einige Straßennamen mit der Bezeichnung –brook. Dahinter verbirgt sich das, was in anderen Regionen Bruch genannt wird und im Niederländischen broek heißt (natürlich ist nicht die Hose gemeint, sondern ein anderes Etymon, bei dem man über eine keltische Herkunft spekuliert). An der deutsch-polnischen Grenze liegt beispielsweise die Idylle namens Oderbruch (Vorsicht: das und nicht der Oderbruch!*). Auch der Name von Brüssel geht darauf zurück.  Man spricht in Frankreich die belgische Hauptstadt gerne [bʁyksɛl] aus und behauptet, man habe nur das auslautende [k] von bruoc bewahrt (eigentlich geht es eher um eine Irrleitung aufrund der Schreibung Bruxelles mit x). Das frankophone Belgien besteht dagegen auf der heimischen und stärker abgeschliffenen Form [bʁysɛl], die wir mit anderer Betonung recht ähnlich im Niederländischen kennen – was keinesfalls bei allen belgischen Städten der Fall ist.

Ein Brook oder broek ist jedenfalls eine sumpfige Landschaft oder ganz einfach, wie es das Hamburger Abendblatt erklärt, „eine feuchte Niederung“. Mitten in der Speicherstadt liegt, hübsch anzusehen übrigens, der Holländische Brook. Vielleicht ein wenig tautologisch: eine feuchte Niederung benannt nach einer anderen feuchten Niederung, die nur mit viel Mühe und Ingenieurskunst trockene Füße behält.


*Die verworrenen Kombinationen aus Genus und Bedeutungspaaren noch einmal im Überblick:

het broek – das Bruch

de broek – die Hose

de breuk – der Bruch

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Der Beitrag wurde am Mittwoch, den 30. Dezember 2015 um 09:00 Uhr von Philipp Krämer veröffentlicht und wurde unter Allgemein, Etymologie, Wortschatz abgelegt. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare und Pings sind derzeit nicht erlaubt.

Eine Reaktion zu “Fleet und Brook”

  1. Philipp Krämer

    Wo Toponyme auf -bruch oder -siel in Deutschland verbreitet sind, erfährt man in dieser wunderbaren Kartensammlung.