Nederlands

Beobachtungen zur niederländischen Sprache

Eseleien, Eselinnen, Eslereien

Belgien ist ein wichtiges Herkunftsland für viele Produkte, zum Beispiel Schokolade, Bier, Eselsmilch. Ja: Eselsmilch.

Auf der Suche nach einem Geschenk stolperte ich kürzlich über die Webseite von Anes & Sens, einem Unternehmen im Hennegau direkt an der Sprachgrenze. Dahinter verbirgt sich ein Betrieb von einer Sorte, die es weltweit nur äußerst selten gibt. So selten, dass mir dafür kein etabliertes deutsches Wort einfällt. Vielleicht: ein Eselsmilchhof. Auf Französisch ist es jedenfalls eine asinerie, weil man mit –erie ziemlich produktiv alle möglichen Institutionen, Hersteller und Läden für unterschiedlichste Produkte benennen kann. Nicht zu verwechseln ist die asinerie mit der ânerie, der Eselei. Die gibt es auf Niederländisch auch, allerdings braucht man dazu das erweiterte Suffix, um zur ezelarij zu gelangen. Im Van Dale ist das Wort als niet algemeen verzeichnet, bekannte Chiffre des Wörterbuchs für – ganz folgerichtig: ‚gebräuchlich vor allem in Belgien‘.

Eselsmilch: Herstellung und Konsum. (Lilly M., CC-BY-SA 3.0)

Bliebe für den Hof, auf dem Esel zur Milchproduktion gehalten werden, eigentlich in beiden Sprachen genug Raum für ein eigenes Lexem – nur die morphologischen Mittel müsste man andersherum anwenden: nl. de ezelij, dt. die Eselerei oder zur Vermeidung der beiden unbetonten Silben in der Wortmitte auch die Eslerei. Die Morphologie ist auch ohne erfundene Wörter schon voller Fallstricke. Beim standarddeutschen Plural war ich mir unsicher. Mein Sprachgefühl sagte mir der Esel – die Eseln (im Dialekt würde ich die Esele sagen). Nicht so der Duden, der kennt nur der Esel – die Esel. Dann doch lieber gleich niederländischeen ezel – twee ezels.
Jedenfalls beschreibt jene Eslerei in Wallonien auf ihrer Webseite die Vorzüge der Eselsmilch, die sehr gesund sein soll, weil ihre Zusammensetzung offenbar der menschlichen Muttermilch ähnelt. Klickt man die niederländische Fassung der Internetseite an, erfährt man dort dasselbe über ezelinnenmelk. Das wirft Fragen auf.

Die weiblichen Tiere heißen ebenso auf Deutsch Eselin oder auch Eselstute. Man muss sich nicht besonders gut auskennen um zu wissen, dass nur das weibliche Tier Milch gibt. Eselstutenmilch ist sicher eine mögliche Wortbildung, aber etwas umständlich. Eselinnenmilch dagegen: unüblich. Stattdessen sprechen wir von Eselsmilch.

Pferdemilch geht, Stutenmilch auch; bei Rindern kennt man nur Kuhmilch. Auf Niederländisch ist koemelk völlig normal, der Van Dale kennt als Beispiel für ein Kompositum mit melk daneben auch die etwas seltsame rundermelk. Das ist jedenfalls praktisch, weil das Rind geschlechtsneutral ist. Nun ist ausgerechnet bei Eseln und Eselinnen das Niederländische so gewissenhaft bei der Movierung, wo man doch bei Menschen oft generische Formen bevorzugt. Ist der niederländische Sprachraum dem deutschen bei der Gleichstellung der Geschlechter im Bereich der Huftiere voraus?

Eins ist sicher: Aus Eselsmilch lassen sich hervorragende Kosmetikprodukte herstellen und die Inhaber der Eselerei versichern fest, dass die Tiere auf dem Hof unter besten Bedingungen gehalten werden. Mensch wie Tier, geschützt vor Verwahrlosung.

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Der Beitrag wurde am Donnerstag, den 19. September 2019 um 09:27 Uhr von Philipp Krämer veröffentlicht und wurde unter Sprachvergleich, Wortbildung, Wortschatz abgelegt. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare und Pings sind derzeit nicht erlaubt.

2 Reaktionen zu “Eseleien, Eselinnen, Eslereien”

  1. JanZ

    Interessant, der Plural „Eseln“ wäre mir im Traum nicht eingefallen. Vielleicht starte ich mal eine Umfrage dazu im LEO-Forum :-).

  2. Philipp Krämer

    Nicht unwahrscheinlich, dass das tatsächlich eine komplett idiosynkratische Dialekt-Interferenz ist.