Teil 5 einer kleinen Serie über Niederländisch und Französisch (und mehr).
Nun sind wir wieder zurück bei der Serie über Französisch und Niederländisch. Dazwischen hatten wir in der Werbepause andere Katzen zu peitschen. Tierquälerei? In Belgien nicht, jedenfalls solange man nur darüber spricht und nicht zur Tat schreitet.
Dieser Ausdruck bedeutet ungefähr Wichtigeres/Besseres zu tun haben und gehört zu den vielen Redensarten, die besonders in Belgien die beiden Sprachen untereinander ausgetauscht haben. Auf Französisch sagt man avoir d’autres chats à fouetter, und nördlich der Sprachgrenze wurde daraus andere katten te geselen hebben. In den Niederlanden ist der Ausdruck kaum bekannt und würde wahrscheinlich empörte Wortmeldungen der Tierschutzpartei provozieren. Deren Vertreter hätten dann ganz vegetarisch een appeltje te schillen mit dem Urheber der Aussage, während man in Flandern mit jemandem een eitje te pellen heeft. Frankophone Belgier machen daraus ganz wörtlich avoir un œuf à peler avec quelqu’un (dt. mit jemandem ein Hühnchen zu rupfen haben – auch nicht unbedingt tierfreundlich).
Wenn man mit jemandem ein Ei zu schälen hat, ist derjenige wahrscheinlich ein schwieriger, unverträglicher Mensch. Oder genauer gesagt: On ne sait pas de chemin avec lui, ursprünglich niederländisch: Met hem kan je niet overweg. Wenn man dann nicht aufpasst, kommt es zum Konflikt et on va avoir des ruses avec lui (von nl. met iemand ruzie hebben, also Streit haben). In der Hitze des Wortgefechts kann es schon einmal passieren, dass eine böse Bemerkung fällt: Tu tiens le fou avec moi? In Frankreich könnte damit niemand etwas anfangen, in Flandern dagegen schon: Wil je mij voor de zot houden? (Dt. Willst du mich für dumm verkaufen?) Das Gewirr der gegenseitigen Entlehnungen von Redensarten und festen Wendungen ist manchmal derart undurchdringlich, dass darin een kat haar jongen niet terugvindt. Auch dieser Ausdruck ist in den Niederlanden wenig geläufig, in Belgien und im französischen Sprachraum dagegen schon. Wenn heilloses Chaos herrscht, stellt man fest: Une chatte n’y retrouverait pas ses petits.
Die Geschichte könnte man wahrscheinlich noch viel weiter spinnen, aber am Ende wirft man mir vor dat ik iets uit mijn duim zuig, oder wie frankophone Belgier sagen würden: Il suce quelque chose de son pouce. Irgendetwas würde mir sicher noch einfallen, denn ik trek mijn plan wel, oder besser gesagt je tire mon plan (dt. Ich weiß mir zu helfen; ich komme zurecht.) Diese Redensart ist übrigens besonders faszinierend, denn im Unterschied zu den anderen oben im Text ist man sich in diesem Fall nicht so ganz einig, in welche Richtung der Ausdruck entlehnt wurde – vom Französischen ins Niederländische oder umgekehrt? Klar ist: In Frankreich ist die Formulierung unüblich, und in den Niederlanden hat sie ganz andere Konnotationen. Falls also Belgien irgendwann einen neuen Wahlspruch braucht, weil Eendracht maakt macht bzw. L’union fait la force inzwischen doch zu ironisch wirkt, dann wäre damit ein exzellenter Kandidat gefunden. Das Paar Ik trek mijn plan und Je tire mon plan ist anscheinend ein echter Belgizismus: Beiderseits der Sprachgrenze gebräuchlich, außerhalb des Landes unbekannt oder zumindest in völlig anderen Kontexten benutzt. Und zudem noch eine wunderbare Beschreibung des alltäglichen belgischen Lebensgefühls.
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