„Das Kind steht im Mittelpunkt.“

Ein Beitrag von Mira K.

Im Rahmen des berufsfelderschließenden Praktikums an einer Grundschule hospitierte ich in einer Schulklasse der dritten Jahrgangsstufe. In den Unterrichtsstunden durfte ich der Klassenlehrerin in der Regel assistieren und nahm somit eine aktive Rolle im Unterrichtsgeschehen ein. In einer Doppelstunde Kunst bekamen die Schülerinnen und Schüler die Aufgabe eine Unterwasserwelt mit Bunt- und Filzstiften auf einem DIN A3-Blatt Papier zu gestalten. Nebenbei spielte die Lehrkraft ein Video mit Unterwasseraufnahmen ab, um eine zu der Aufgabe passenden Atmosphäre zu schaffen. In der Frühstückspause inmitten der Doppelstunde Kunst richtete sich die Aufmerksamkeit der Schülerinnen und Schülern dem Video zu. Sie waren begeistert von der Vielfältigkeit der Meerestiere. Plötzlich erschien ein Tier, was sie nicht einzuordnen wussten. Es wurde lauter und es wurden Vermutungen in den Klassenraum gerufen („Das ist ein Dinosaurier!“, „Eeeklig!“, „Ist das ein Krokodil?“, „Voll gruselig!“).

Da die Klassenlehrerin abgelenkt und die Situation nicht zu beachten schien, wandte ich mich selbst der Klasse zu und erklärte: „Das ist eine Muräne!“. Plötzlich sagte die Lehrerin zu mir: „Ich wollte gerade fragen, ob jemand weiß was das für ein Tier ist.“ Ich war daraufhin beschämt, dass ich den Kindern die Antwort verraten habe, anstatt selbst auf die Idee gekommen zu sein, sie nach der Antwort zu fragen.

Nach dem Kunstunterricht führte ich ein kurzes Interview für eines der Begleitseminare zum Praktikum mit der Klassenlehrerin. Eine der Fragen war „Welche berufsethischen Aspekte sind zentral?“. Darauf antworte die Lehrkraft ohne zu zögern: „Das Kind steht im Mittelpunkt.“

Meine Einsichten

Unmittelbar nach der geschilderten Situation wurde mir bewusst, dass ich als angehende Lehrkraft für die Praxis viel zu lernen habe. Mir fiel zwar der Umgang mit den Schülerinnen und Schülern leicht, jedoch musste ich häufig feststellen, dass ich dazu neige zu belehren anstatt beim Lernen zu unterstützen. An der Klassenlehrerin durfte ich immer wieder beobachten, wie sie geschickt den Schülerinnen und Schülern beim Lernerwerb nur minimal invasiv assistierte und auf diese Art und Weise simultan mehrere Kompetenzen stärkte. Obwohl ich dies im Laufe des Praktikums immer wieder beobachten durfte, fiel es mir schwer, diese Art pädagogisch zu Handeln aktiv auf Situationen anzuwenden.

Ihre Antwort im Interview eröffnete für mich einen weiteren Blickwinkel auf die Situation. Den Grundsatz „Das Kind steht im Mittelpunkt“ befürworte ich, er hat sich aber noch nicht in mein Handeln übertragen. Nach diesem Grundsatz zu handeln hätte in der geschilderten Situation bedeutet, anstelle von mir als Lehrkraft (in spe), ein Kind in den Mittelpunkt zu stellen, das wusste, um welches Meerestier es sich handelte. Die geschilderte Situation hat mir geholfen zu verstehen, was ein Grundsatz wie „Das Kind steht im Mittelpunkt“ auf einer berufspraktischen Ebene bedeutet.

Meine Folgerungen

Den Grundsatz „Das Kind steht im Mittelpunkt“ hätte ich mir in dieser konkreten Situation als Orientierung für mein Handeln zunutze machen können. Dies habe ich fortan getan. Grundsätze können vor allem Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteigern helfen, bewusst pädagogisch zu handeln.

Allein aber Grundsätze zu befürworten, bedeutet jedoch nicht, dass man automatisch nach ihnen handelt. Hätte man mich vor dem Praktikum gefragt, ob ich dem Grundsatz „Das Kind steht im Mittelpunkt“ zustimme, hätte ich dies bejaht. Dennoch war ich nicht in der Lage, danach zu handeln. Die Erfahrung in der beruflichen Praxis ist unbedingt notwendig, um zu lernen, theoretisch erworbene Kenntnisse auch praktisch anwenden zu können. Dabei kann es wichtig sein, Fehler zu machen und diese zu reflektieren. Zwar war mir mein Verhalten unmittelbar nach der geschilderten Situation so unangenehm, dass ich mir wünschte, lieber nichts gesagt zu haben, jedoch muss ich rückblickend feststellen, dass ich aus meinem falschen Verhalten mehr lernen konnte als aus der Beobachtung von richtigem Verhalten allein.

Meine Anschlussfragen

  • Wie wende ich erfolgreich theoretisches Wissen in der Praxis an?
  • Welche Strategien helfen mir gutes beobachtetes Verhalten selbst anzueignen?
  • Wie überprüfe ich, ob mein Handeln den eigenen Grundsätzen entspricht?

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