“ … wie schon kleine Dinge, die ich als Lehrkraft tue, einen großen Effekt auf die SchülerInnen haben können.“

Ein Beitrag von Katharina K.

Der folgende Mikroartikel bezieht sich auf das Unterrichtsgeschehen während des Kunstunterrichts in einer Jül-Klasse an der XY-Grundschule. In der betroffenen Klasse werden Kinder von der ersten bis zur dritten Jahrgangsstufe beschult, wobei das Verhältnis der einzelnen Jahrgangsstufen in den einzelnen Klassen relativ ausgeglichen ist. So befinden sich in dieser Klasse sieben Erstklässler, neun Zweitklässler und sieben Drittklässler. Der Unterricht fand in den ersten beiden Schulstunden statt und hatte das Thema „Ich und meine Besonderheiten“. Die Lehrkraft strukturierte ihren Unterricht dabei so, dass die Kinder sich – zur Einleitung des neuen Themas – erst einmal im Nachbarraum zu einem Gesprächskreis trafen.
Um die folgende Situation besser verstehen zu können, ist es noch wichtig zu wissen, dass es sich bei der Lehrerin, die den Unterricht hielt, nicht um die Klassenlehrerin der SchülerInnen handelte, welche sie jeden Tag für mehrere Schulstunden sehen, sondern um die Kunstlehrerin, die die Kinder in der Regel nur einmal pro Woche für zwei Unterrichtsstunden sehen.
Beim Hinsetzen in den Kreis haben die Kinder, zusammen mit ihrer Klassenlehrerin die Regel aufgestellt, dass sich Kinder, mit gleichem Geschlecht nicht nebeneinander setzten dürfen. Stattdessen sollen die Kinder immer, sofern es möglich ist, als Junge links und rechts ein Mädchen und als Mädchen links und rechts einen Jungen neben sich sitzen haben.
Durch den Versuch der Kinder diese Regel nun auch im Kunstunterricht zu befolgen, dauerte der Prozess der Kreisbildung relativ lang und es entstand ein ziemliches Durcheinander. Einige Kinder schienen mit der Aufgabe auch etwas überfordert zu sein und sind durch die vielen Rufe und unterschiedlichen Aufforderungen ihre Klassenkameraden wie beispielsweise „Nein, da darfst du dich nicht hinsetzten!“ oder „Setzt dich doch da hin!“ verunsichert gewesen, sodass am Ende eine Erstklässlerin und ein Erstklässler verwirrt in der Mitte des Kreises standen und nicht wussten, wo sie hinsollten.
Die Lehrkraft hatte all das (auf jeden Fall wirkt es so) wenn überhaupt nur nebenbei mitbekommen, da sie noch mit dem Aufbau bzw. der Organisation ihrer Materialen beschäftigt war. Als sie nun die beiden Kinder in der Mitte stehen sah, fordert sie in einem relativ strengen Ton einen Drittklässler auf, noch etwas Platz für den Erstklässler zu machen und beschäftigte sich dann anschließend wieder mit ihren Materialen.
Der Drittklässler schaute daraufhin etwas verunsichert um sich herum, da der Erstklässler als Junge sich ja eigentlich nicht mehr neben ihn hätte setzen dürfen, rückte aber dennoch ein kleines Stück nach rechts. Das Mädchen neben ihm tat es ihm gleich. Es war immer noch ziemlich unruhig und durcheinander in der Klasse, sodass das Mädchen scheinbar nicht mitbekommen hatte, dass ihr Klassenkamerad nur ein Stück gerückt ist, um noch Platz für einen Erstklässler zu machen.
Als die Lehrkraft nun erneut hochblickte, sah sie, dass immer noch kein Platz für den Erstklässler da war. Erneut wendete sie sich an den Drittklässler und fragte ihn streng ob er sich denn nicht an die letzte Kunststunde erinnern könnte (das Thema war Klassenzusammenhalt) und ob er ein solches Verhalten, wie er es an den Tag legt, in Ordnung fände. Dabei schaute sie ihn direkt und eindringlich an, sodass er keine andere Möglichkeit hatte, als sie auch direkt anzuschauen.
Der Junge wirkte von dem strengen Blick der Lehrerin sowie ihren Worten so eingeschüchtert und verängstigt, dass er sich nicht zu trauen schien, etwas zusagen. Still saß er auf dem Boden und schaute die Lehrerin von unten an (die Lehrerin saß auf einem Stuhl). Seinen Freund, der ihm zur Hilfe kommen wollte und die Situation aufklären wollte, wies sie mit den Worten „Jetzt nicht!“ ab, während sie weiter den Jungen eindringlich anschaute. Dem Jungen war deutlich anzusehen, wie unangenehm ihm die Situation war und er schien den Tränen nah. Erst nach ein paar Sekunden blickte sie wieder in die gesamte Klasse und lies von ihm ab. Sie sagte noch einmal zu allen, dass sie sich ein besseres Miteinander in dieser Klasse wünscht und dass dazu für sie auch gehört, aufeinander achtzugeben und zu schauen, ob jemand noch einen Sitzplatz braucht. Damit war die Situation für sie erledigt und der Unterricht wurde normal fortgesetzt.

Meine Einsichten

Dass es als Lehrkraft immer schwer bzw. unmöglich ist, die gesamte Klasse und jede einzelne Situation, die sich während des Unterrichtes abspielt, im Blick zu haben, ist, denke ich, jedem klar. Und auch der Lehrkraft sollte klar sein bzw. sie sollte sich immer wieder erneut daran erinnern, dass es unmöglich für sie ist, Augen und Ohren zu jeder Zeit überall zu haben. Deshalb – finde ich auch – hätte sie den Jungen nicht so anfahren dürfen. Natürlich sah es für sie so aus, als wäre er ihrer Aufforderung nicht nachgekommen. Schließlich hatte sie ihm gesagt, er solle ein Stück rücken und als sie wenig später wieder zu ihm sah, war immer noch kein Platz für die anderen Kinder da. Doch sie hätte sich, meiner Meinung nach, vor Augen führen müssen, dass sie ja unmöglich wissen kann, was in der Zwischenzeit passiert war. Deshalb hätte ich mir auch gewünscht, sie hätte ihn einfach in einem freundlichen Ton gefragt, warum er nicht gerückt sei. Dies hätte ihm die Möglichkeit gegeben, sich selbst und die Situation zu erklären und die Situation wäre für den Jungen nicht so unangenehm

Meine Folgerungen

Ich nehme aus der eben beschriebenen Unterrichtssituation mit, dass ich später versuchen möchte, mir immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, dass nur weil etwas auf den ersten Blick so gewesen zu sein scheint, dieses nicht auch unabdingbar der Fall gewesen sein muss und dass ich jedem Kind immer die Chance geben sollte, sich selbst und sein Verhalten zu erklären. Zudem ist mir dadurch auch noch einmal erneut deutlich geworden, wie auch schon kleine Dinge, die ich als Lehrkraft tue (die beschriebene Situation, wo die Lehrerin den Schüler zurechtgewiesen hat, dauerte nicht länger als maximal eine Minute) einen großen Effekt auf die SchülerInnen und ihr Verhalten während der gesamten Unterrichtsstunde bzw. sicherlich in einigen Fällen auch länger haben kann. Auffällig war nämlich, dass es etwas länger dauerte, bis der Junge sich nach dem beschriebenen Vorfall wieder am Unterricht beteiligte, obwohl er sonst ein sehr aktives Kind ist, welches sich viel und gerne meldet.

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