Praktikum in einem Museum in Paris

Meine Praktikumserfahrung bei der Bourse der Commerce – Pinault Collection in Paris war insgesamt sehr positiv. Zum ersten Mal habe ich die Gelegenheit gehabt, in einem Museum zu arbeiten und die Besonderheiten der Tätigkeit in einer hochrangigen kulturellen Institution zu entdecken. Da das Museum erst 2021 eröffnet wurde, befinden sich mehrere Projekte noch in ihrer Anfangsphase, was für mich noch interessanter war, um genauer nachzuvollziehen, wie die unterschiedlichen Akteur:innen vorgehen und operationelle Vorgehensweisen etablieren. Das war genau der Fall bei der Tätigkeit, mit der ich beauftragt wurde.Ich habe nämlich sechs Monate lang in der Abteilung für Kulturvermittlung innerhalb der Direktion der Besucherdienste des Museums gearbeitet. Hauptziel der Tätigkeit dieser Abteilung ist es, Aktivitäten, Ressourcen und Vermittlungsformate zu entwickeln, die den Zugriff zu der Sammlung und den Museumsausstellungen für alle Besucher:innen fördern soll. In der Abteilung ist nur eine Person fest eingestellt, die Leiterin der Abteilung Bildung und Vermittlung, die auch meine Praktikumsbetreuerin war. Meine Aufgabe bestand darin, etwa 20 Projekte mit einigen ausgewählten sozio-kulturellen Partnern in Gang zu setzen, zu entwickeln und zu beaufsichtigen, die dazu beitragen sollen, bestimmten Zielgruppen die Museumserfahrung und die Begegnung mit der zeitgenössischen Kunst zu erlauben, für die das kulturelle Angebot der Stadt aus verschiedenen Gründen ansonsten nicht zugänglich ist. Unter den Partnern waren Schulen und Universitäten sowie Vereine, derer Arbeit die Inklusion von behinderten oder sozial benachteiligten Menschen in den Mittelpunkt setzt. Zusammen mit den Koordinator:innen dieser Gruppen habe ich die Prioritäten und die Objektive unserer gemeinsamen Aktivitäten festgelegt und diese auch zeitlich geplant. Ich habe mich dann auch um derer administrative, finanzielle und logistische Aspekte gekümmert. Allerdings war meine Arbeit nicht nur bürokratisch, sondern auch sehr sozial: Bei den Aktivitäten unterschiedlicher Natur (Museumsbesuchen, Workshops, Konferenzen, Bildungssitzungen, Veranstaltungen…) war ich meist auch dabei, um die Teilnehmer:innen persönlich kennenzulernen, mich mit ihnen zu unterhalten, sie wenn nötig zu betreuen und ihr Feedback zu sammeln. Dies fand immer in enger Zusammenarbeit mit dem Team statt, das die mündliche Vermittlungsarbeit in dem Museum leistet.
Als Assistentin in der Abteilung für Kulturvermittlung habe ich aber auch noch mehr Aufgaben erledigen können. Unter anderem habe ich aktiv dazu beigetragen, das Angebot von Museumsbesuchen in französischer Gebärdensprache zu gestalten und zum ersten Mal zu testen, zugängliche Audio-Inhalte zu der neuen Ausstellung vorzubereiten, und ich habe mich auch an eher strategischen Meetings zu der Organisation von großen Veranstaltungen (z.B. der Europäischen Nacht der Museen) im Rahmen der Pariser kulturellen Agenda 2023 beteiligt. Generell wurde mir eine relativ große Freiheit zugestanden, sodass ich mich allmählich zugetraut habe, die Initiative zu ergreifen, um möglichst viel von der Museumsarbeit zu lernen. Insgesamt habe ich dann mehr oder weniger mit allen Abteilungen zu tun gehabt (Marketing, Kommunikation, Kuratorium, Ausstellungsorganisation, Veranstaltungsdienste, Ticketing, Sicherheitsdienste und Gebäudemanagement…), was für mich wertvoll war. Vor der Eröffnung der neuen Ausstellung Avant l’orage durfte ich sogar Künstler:innen treffen, die Interviews über ihre ausgestellten Kunstwerke gegeben haben.
In dieser Hinsicht ist dann meine Tätigkeit bei der Bourse de Commerce – Pinault Collection sehr spannend und intellektuell bereichernd gewesen. Außerdem bestand regelmäßig auch die Gelegenheit, in der Arbeitszeit andere Ausstellungen der Nachbarinstitutionen kostenlos zu besuchen, weil man davon ausgegangen ist, dass die Qualität der Kulturarbeit auch von der Inspiration und von dem Austausch dieser Art abhängt. Das fand ich sinnvoll und richtig, und ich war immer sehr dankbar dafür.
Sehr wichtig ist für mich auch, dass dieses Praktikum mein berufliches Interesse an der Kulturvermittlung bestätigt hat. Für meinen weiteren Laufbahn habe ich dann vor, mich des Potentials der kulturellen Erfahrung zugunsten zu engagieren, die individuelle Emanzipation sowie eine positive und nachhaltige Gesellschaftsentwicklung auszulösen und/oder zu fördern. Ausgehend von den sehr positiven Beziehungen, die sich mit den sozio-kulturellen Museumspartnern entwickelt haben, bin ich mittlerweile sehr motiviert, mich weiterzubilden und zu spezialisieren, um auf die spezifischen Bedürfnisse solcher Zielgruppen genauer eingehen zu können. Diese Arbeit würde ich gerne in einer kulturellen Institution – am liebsten einem Museum – oder in einem Verein leisten, wo sich dann für solche Tätigkeit sehr klare Parallelen mit der Sozialarbeit ziehen lassen. In der Zukunft würde ich mich gerne auch an einem ähnlichen Projekt in einer Weltregion beteiligen, wo der Zugang zu der kulturellen Erfahrung für die meisten noch sehr beschränkt ist. In der Tatsache nehmen Projekte der internationalen Zusammenarbeit kulturelle Komponenten heutzutage zunehmend auf.
Der einzige Aspekt, der weniger positiv für mich war, hat mit der privaten Natur des Museums zu tun, das einem Milliardären, François Pinault, gehört und deswegen im Grunde genommen wie ein normales, kapitalistisches Unternehmen funktioniert. Manchmal wird dann neben der erstrebten, hohen Qualität der Arbeit, auch ein großer Wert auf die Quantität (Anzahl der Besucher:innen und der verkauften Tickets, z.B.) gelegt. Die erste Konsequenz davon war ein sehr intensiver Arbeitsrhythmus für alle, Praktikant:innen inklusive, um die festgelegten Ziele zu erreichen. Das hat der generellen Stimmung der Mitarbeiter:innen sichtbar geschadet, die ständig unter großem Druck standen. Das fand ich besonders problematisch für Praktikant:innen, denen allerlei Einstellungsmöglichkeit verweigert wird. Nicht nur ist für sie dann die Intensität der Arbeit übertrieben, sondern das Praktikum erfüllt auch nicht seine Funktion, den Einstieg in den Arbeitsmarkt zu beschleunigen. Diese Arbeitslage hat sich natürlich auch auf die Qualität meiner Betreuung ausgewirkt, die wegen des Zeitmangels oft nicht ausreichend war. Ich habe leider das Gefühl gehabt, dass überhaupt kein Interesse in meinem Team bestand, mich als Professional zu bilden, sondern dass meine Arbeit bloß dazu gedient hat, die Arbeitsmenge der Leiterin der Abteilung Bildung und Vermittlung zu reduzieren. Das fand ich sehr Schade.
Alles in allem würde ich dieses Praktikum absolut empfehlen, um die Berufe der Kulturvermittlung in einer sehr jungen und dynamischen Kultureinrichtung zu erkunden, die sehr schnell ihren Weg in der Pariser, französischen und internationalen Museumswelt, über die relativ kleine Babbel der zeitgenössischen Kunst hinaus, mit Sicherheit und Erfolg bahnt. Einem:r künftigen Praktikant:in empfehle aber generell auch, die Austauschgelegenheit während des Bewerbungsgespräch zu nutzen, um die Bedingungen der Stelle und die eventuellen Entwicklungsperspektiven nach Praktikumsende ausführlich zu besprechen.

Tipps für andere Praktikant:innen

Vorbereitung
Ich musste mich vor Praktikumsbeginn nicht besonders vorbereiten. Ich habe nur die normalen administrativen Förmlichkeiten erledigt.

Beantragung Visum

Als Europäerin musste ich kein Visum beantragen, um nach Frankreich einzureisen und dort zu wohnen.

Praktikumssuche
Für die Praktikumssuche in dem Kulturbereich ist die Online-Plattform Profilculture die beste. Da werden praktisch alle ausgeschriebenen Arbeitsstellen dieses Sektors gepostet.

Wohnungssuche
Die Wohnungssuche in Paris ist besonders anstrengend und man soll auch auf betrügende Anzeigen gut aufpassen. Internetplattformen wie Le Bon Coin oder La Carte des Colocs sind nicht schlecht, aber die persönlichen Kontakte funktionieren am besten. Manchmal ist eine Instagram-Story, die von Freund:innen dann wieder gepostet wird, viel effektiver als eine traditionelle Suche nach interessanten Anzeigen.

Versicherung
Ich habe keinen besonderen Versicherungsvertrag abgeschlossen. Bei der Arbeit war natürlich die zivilrechtliche Haftpflicht des Unternehmens gültig.

Formalitäten vor Ort

Telefon-/Internetanschluss
Als Europäerin durfte ich in Frankreich meine eigene Telefonnummer behalten und für Anrufe sowie für Internet-Dienste weiter benutzen. Internetanschluss hatte ich in meiner WG und bei der Arbeit (WLAN).

Bank/Kontoeröffnung
Als Europäerin durfte ich in Frankreich mein Bankkonto weiter benutzen. Ich habe kein neues Konto eröffnet und meine Praktikumsvergütung wurde dann reibungslos an mein italienisches Konto überwiesen.

Alltag/Freizeit

Ausgehmöglichkeiten
Paris ist eine tolle Stadt und es fehlt absolut nicht an Ausgehmöglichkeiten! Für junge Leute mit weniger als 26 Jahren sind große Ermäßigungen verfügbar (vor allem in der Kultur)!

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