Auslandsarbeit an der Friedrich-Ebert-Stiftung in Georgien

Mein Praktikum bei der Friedrich-Ebert-Stiftung im georgischen Büro in Tiflis war für mich ohne Zweifel eine große Bereicherung!

Ich kann mir eine Arbeit als klassische Juristin gegenwärtig nicht vorstellen. Da ich mit meinem rechtswissenschaftlichen Studium aber ein großes Interesse an (geo-)politischen Themen entwickelt habe, reizte mich der Südkaukasus als Grenzgebiet zwischen Europa, Russland, dem Iran und der Türkei besonders.
Um Einblicke in die Auslandsarbeit einer deutschen Stiftung zu bekommen, hatte ich mich für ein Praktikum in Georgien beworben.

Dominierend waren während meiner Zeit hier auf jeden Fall die Diskussionen um die Verleihung des EU-Beitrittskandidatenstatus, zahlreiche, bewegende Gespräche und Demonstrationen inklusive. Neben klassischen, sozialdemokratischen Arbeitsthemen der FES (Mindestlohn, Gewerkschaften [die FES-Auslandsbüros haben das DGB-Mandat im Ausland und vertreten ihn deshalb international in allen Belangen], Kooperation sozialdemokratischer Kräfte, besonders im Hinblick auf die anstehenden Wahlen in 2024, und zivilgesellschaftlicher Zusammenarbeit), drehten sich die meisten Veranstaltungen seit dem russischen Angriffskrieg auch sehr viel um Sicherheitspolitik in Georgien und der Region. So lernte ich zahlreiche Leute aus unterschiedlichsten Branchen kennen, mit denen ich auch jetzt noch in Kontakt stehe. Persönlich hatte ich während meines gesamten Aufenthalts das Gefühl, dass eine starke Energie und Polarisierung in großen Teilen der Bevölkerung zu spüren ist.

Mit dem Leiter des Büros und dem Team hätte ich es glücklicherweise nicht besser treffen können: Ich wurde von Tag 1 sehr gut eingebunden, zu verschiedenen, internationalen Veranstaltungen mitgenommen, habe viele PolitikerInnen, Mitarbeitende anderer Auslands-NGOs und JournalistInnen kennenlernen und selbst bei der Organisation eines Seminars mithelfen dürfen. Außerdem durfte ich ein Vorwort zu einem Lehrbuch für Sozialrecht mitverfassen. Davon abgesehen waren „rein juristische“ Themen aber rar bzw. nicht weiter vorhanden, was mich persönlich aber nicht gestört hat. Arbeitssprachen sind Deutsch und Englisch. Fehlende Russischkenntnisse sind deshalb kein Problem (das gilt im Übrigen auch für den Rest des Landes, wobei das gerade bei älteren Menschen durchaus hilft; mitunter gibt es aber auch viele georgische Menschen, die sich aus Protest gegen den Krieg weigern, Russisch zu sprechen).
Der Leiter des Büros stand für mich jederzeit für Fragen bereit, bot mir stets an, ihn zu Terminen zu begleiten und erzählte mir viel über die Aufgaben eines Büroleiters. Ich habe mich in dem Team gut aufgehoben gefühlt und wurde auf Augenhöhe miteinbezogen, was ich in vorigen Arbeitsstellen auch schon anders erlebt hatte.

Für mich war das Praktikum ein sehr guter Mix aus einem Schreibtischjob und dem „Draußensein“ (Letzteres: überwiegender Teil), was mir sehr gelegen kam. PraktikantInnen anderer Stiftungen haben da teils ganz anderes berichtet.
Ein Umstand, der aus meiner Sicht zum Nachteil wurde, war meine Abhängigkeit von meinen Kolleginnen. Denn sobald niemand im Büro etwas für mich zu tun hatte, konnte ich nicht viel mehr machen als Zeit totschlagen. Meist nutzte ich das dann für meine private Organisation und erledigte Bürosachen oder las, sodass ich das nicht als besonders „störend“ empfand. Manchmal gab ich mir auch selbst Aufgaben, die ich bearbeitete. Per se hat das niemandem von meinen Kolleginnen interessiert. Generell ist das Arbeitsklima entspannt. Aber ich habe auch PraktikantInnen anderer Organisationen getroffen, die sich über so einen ab und an auftretenden „Leerlauf“ sehr aufgeregt und geärgert haben. Ich denke, dass das Typsache ist.
Meine technische Ausstattung im Büro bestand in einem Stand-PC an einem Schreibtisch. Da auch Home Office an max. zwei Tagen in der Woche möglich war, bei dem ein Stand-PC aber eher hinderlich war, musste ich meine privaten Geräte für die Home Office Arbeit nutzen. Leider kann man nur mit autorisierten FES-Geräten auf die Server zugreifen, sodass ich mit meinem privaten Laptop keine Arbeits-E-Mails lesen konnte. Dementsprechend war das Home Office für mich vor allem zum Schreiben von Texten geeignet und weniger, um „richtig“ zu arbeiten.

Auch wenn ich viele Highlights während meines Praktikums hatte, war eines mit Sicherheit die Hospitationswoche im armenischen Ableger der FES in Yerevan. Ich reiste an einem Freitag mit dem Nachtzug an und blieb dann bis zu dem Sonntag der Woche darauf, also rund 10 Tage. Ich würde auf jeden Fall empfehlen, länger als eine Woche im Büro vor Ort zu sein, um einen besseren Einblick in die Arbeit zu bekommen. Die Arbeitsweise und das jerewanische Lebensgefühl unterscheiden sich nämlich schon sehr zu dem in Tiflis. Im Team habe ich mich von Anfang an wie ein dazugehöriges Familienmitglied gefühlt. Dieses Erlebnis habe ich als sehr bereichernd empfunden und kann das nur empfehlen!

Ich hatte auf drei Monate sechs bzw. auf zwei Monate vier Tage Urlaub, die ich legen und splitten konnte, wie ich wollte, was ich als sehr angenehm empfand. Das ging auch immer spontan. Gerade für Wandertouren unter der Woche (v.a. Richtung Swanetien) ist das Gold wert. Oben drauf hatte ich mir zusätzlich freie Tage durch Wochenendveranstaltungen erarbeitet, die ich ebenfalls nehmen konnte.

Ich kann für mich jedenfalls definitiv sagen, dass ich während meiner Zeit einen sehr guten Rundum-Einblick in die Auslands-Arbeit der FES erhalten habe.
Persönlich hatte ich das Glück, meine Zeit dort mit vielen tollen Leuten aus Georgien und der Welt verbringen zu können. Ich würde daher jede interessierte Person unbedingt ermutigen, ein Praktikum bei der FES in Georgien zu machen! Besonders die gute Betreuung ist für meine Empfehlung ausschlaggebend. Solltest du noch weitere Fragen haben, stehe ich gern zur Verfügung!


Tipps für andere Praktikant:innen

Vorbereitung

Wanderschuhe kaufen und etwas im Internet stöbern. Ein Mal Georgisch in Berlin essen gehen, um einen ersten Eindruck von der Küche zu bekommen.

Beantragung Visum

Deutsche Staatsangehörige benötigen zur Einreise und den Aufenthalt von bis zu 360 Tagen kein Visum, auch nicht zur Praktikumsabsolvierung. Also einfach ankommen, Stempel in den Pass und fertig.

Praktikumssuche
Ich hatte bereits mehr als 10 Bewerbungen an verschiedene Auslands-Büros der FES geschickt, allerdings auch auf mehrmalige Nachfrage und Rumnerven nie eine Antwort (nicht mal eine automatisierte Eingangsbestätigung) bekommen. Dementsprechend war meine Laune nicht gut. Nach monatelangem Warten und Bewerbungenschreiben traf ich dann an Silvester 2022 einen alten Bekannten, der vor Jahren in Russland im Büro der FES einen Werkstudentenjob hatte. In diesem Rahmen hatte er auch mit Marcel Röthig, dem heutigen Leiter im Südkaukasus, zusammengearbeitet. Mein Bekannter riet mir deshalb, es dort mal zu versuchen. Gesagt, getan. Einige Tage später telefonierten Marcel und ich, woraufhin ich endlich meine langerwartete Zusage erhielt. Da es einem anderen Freund von mir ähnlich ging, kann ich nur Folgendes raten: Schreib niemals nur eine Mail an die angegebene Praktikumsadresse, sondern immer auch der Person in Leitungsposition!!! Und wenn gar keine Antwort kommt, beschwer dich bei den Referatsleitungen in Deutschland, die die Auslandsarbeit der FES Büros koordinieren! Generell sind Rückmeldungen leider rar und der Umgang mit Bewerbungen ist zu 100% von den Leitungen abhängig (und nicht alle sind gewillt, PraktikantInnen zu nehmen). Nicht entmutigen lassen!

Wohnungssuche
Mit Beginn des Angriffskriegs Russlands und der damit verbundenen Mobilmachung sind neben ukrainischen Menschen vor allem auch viele russischen Leute nach Tiflis (wegen der Nähe zu Russland) geflohen. Dieser Umstand gepaart mit der Inflation hat den Wohnungsmarkt in Tiflis wortwörtlich gesprengt. Eine bezahlbare Unterkunft (= unter 500 EUR / Monat) zu finden ist fast aussichtslos, wenn man keine Kontakte hat, die ich vor meiner Ankunft definitiv nicht hatte. Das gilt nicht nur für Internationale Leute, sondern auch für georgische Personen. Ich habe mich deshalb von airbnb zu airbnb hangeln müssen, deutlich mehr als 600 oder 700 EUR im Monat gezahlt, oder bin zeitweise bei Bekannten, die ich vor Ort kennengelernt habe, untergekommen. Über andere PraktikantInnen der Botschaften in Tiflis bin ich dann aber an Giorgi geraten, der sehr (!) günstige Hotelzimmer in bester Lage für längere Aufenthalte vermietet: +995 595 186 186
Er spricht perfekt Deutsch, hat WhatsApp und ist super nett.
Unbedingt früh und (falls ausgebucht) immer wieder mal anfragen, da die Zimmer sehr stark nachgefragt sind!!

Versicherung
Ich habe eine PROTRIP-Versicherung bei Dr Walter abgeschlossen, deren Betreuung ich wärmstens empfehlen kann!

Sonstiges
Für Kontakte zu anderen PraktikantInnen in Tiflis: Es gibt eine WhatsApp Gruppe, in der viele Interns unterschiedlicher Organisationen drin sind. Es werden wöchentliche Ausgeh-Aktionen gemacht. Um in die Gruppe aufgenommen zu werden, empfehle ich, eine Mail an die deutsche Botschaft zu schicken (die Gruppe wurde mal von denen gegründet) und in Kontakt mit den Praktis dort vor Ort zu treten oder mir Bescheid zu geben (s. u.). Proaktiv Kontakt aufzunehmen klappt im Übrigen auch gut bei den anderen Stiftungen, also einfach eine Mail hinschicken, sich kurz vorstellen und nach anderen Praktis fragen.

Formalitäten vor Ort

Telefon-/Internetanschluss
Es gibt sehr günstige Sim Karten mit top Netz. Hotspots sind damit ohne Probleme möglich. Ich habe mich für den Anbieter Magti entschieden, von dem ich eine eSim erwarb. Das Monatspaket für unlimited Internet kostete 32 GEL (rund 11,50 EUR im Juli 2023).

Bank/Kontoeröffnung
Für mich nicht notwendig, da ich mein Konto bei der DKB hatte und Kartenzahlungen fast überall angenommen werden oder Bargeldautomaten vorhanden sind. Ich kenne aber Leute, die sich extra Kontos hier vor Ort eröffnet haben, was mit keinen Problemen verbunden war.

Sonstiges
Öffentliche Transportmittel kann man entweder direkt mit Kreditkarte bezahlen oder man holt sich am Ticketschalter eine Aufladkarte, die man an Säulen in der ganzen Stadt aufladen kann. Die gilt dann für ganz Tiflis. Nicht alle Seilbahnen in der Stadt (drei insgesamt) kann man damit fahren!

Alltag/Freizeit

Ausgehmöglichkeiten
Tiflis ist mit etwas über 1 Mio. Menschen eine eher kleinere Stadt, hat aber dennoch viel zu bieten. Per se würde ich aber sagen, dass man in der Stadt selbst in drei bis vier Tagen alles Wichtige gesehen hat. Das Land fährt aber seit Jahren Besucherrekorde ein, im letzten Jahr konnten sie 8 Mio. Touris auf knapp 4 Mio. Einwohner verbuchen! Das Land wird sich in den kommenden Jahren also stark verändern und Orte wie Ushguli werden so wie jetzt definitiv nicht mehr in 10 Jahren aussehen! Das sollte man definitiv nutzen!
Neben einem der vielleicht berühmtesten Techno Clubs der Welt (dem Bassiani – Highlight ist neben der sehr guten Musik vor allem der Main Floor in einem alten Schwimmbecken!) und vielen weiteren Clubs gibt es aber zahlreiche Bars, Galerien, Museen und Independent-Kinos, die das Leben sehr schön machen. Highlight Georgiens ist aber nicht unbedingt Tiflis, sondern eher das Land an sich: Es ist mit sehr großem Abstand das landschaftlich schönste Land, in dem ich je irgendwo gewesen bin! Mitunter fühlt man sich, als würde man durch Windows-Desktop-Bilder laufen. Unbedingt Wanderschuhe einpacken!!

Sonstiges
Die georgische Küche ist sehr lecker, aber auch sehr reichhaltig. Es gibt viel Käse, Teig und meist Gurke und Tomate, da das das mitunter einzige Gemüse ist, das in einigen Regionen zur Verfügung steht. Dementsprechend vermissen viele Internationale PraktikantInnen frische Salate.

Aus irgendeinem Grund sind die Gym-Preise in Tiflis deutlich (!) höher als in Deutschland.

Und noch ein Tipp für Yoga-Leute: „ninyoga“ ist eines der für mich besten Studios, in denen ich je irgendwo war. Zentral, günstig und eine unsagbar aufmerksame Lehrerin namens Nino, die auch Englisch kann. Schreib ihr bei Interesse eine Mail: nninyoga@gmail.com

 

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